Text: Stephan Thomas

«Der Paradigmenwechsel muss kommen». Adrian Hirt ist in der Fleischbranche ein Vordenker. «Der Paradigmenwechsel bei der Ernährung muss kommen, nicht nur beim Fleisch. Immer mehr, billiger, schneller - das ist ein Auslaufmodell.» Der Chemielaborant und Lebensmittelingenieur weiss, wovon er spricht. Vor der Gründung von «Alpahirt» hat er bei einem grossen Fleischverarbeiter in der Qualitätssicherung gearbeitet, sogar einige Monate lang einen Metzgereibetrieb auf Jamaika geleitet. Dort hat er vor allem gelernt, wie er die Dinge nicht anpacken will. Selbst isst er eher wenig Fleisch, hat auch für Vegetarier grosses Verständnis. «Wir machen Fleisch für Vegetarier», flachst er. Tatsächlich: Manche Vegetarier, die aus ethischen Gründen sonst kein Fleisch essen, machen bei «Alpahirt» eine Ausnahme. Weil sie wissen, wo das Produkt herkommt. Und dass die Tiere anständig behandelt wurden.

 

Vorbilder: Der «Neni» und der «Urneni». Adrian Hirt hat sich auf seine Wurzeln zurückbesonnen. Sein Neni (Grossvater) hatte in Tschiertschen GR jährlich einen Teil einer Kuh gekauft und das Fleisch getrocknet. Natürlich ohne die geringsten Zusatzstoffe. Gelernt hat er das von seinem Vater, dem Urneni, der in Maladers GR Bergbauer war. An Neni und Urneni orientiert sich Adrian bis heute. Urnenis bärtiges Älplergesicht prägt das Logo von «Alpahirt». 
 

Bergfleisch für Heutage in der Trocknerei. Der Abtrocknungsgrad wird überprüft.

Handarbeit: Der Abtrocknungsgrad des Fleisches wird geprüft. 

Bergfleisch für Heutage aufgeschnitten.

Trockenfleisch-Edelstück: Das «Bergfleisch für Heutage».

Rindsalsiz mit Chili im Korb am Churer Wochenmarkt

Die Rindsalsiz mit Chili wird unter anderem am Churer Wochenmarkt verkauft.

Seine Fans: Andreas Caminada & Anton Mosimann. Adrian hat «Alpahirt» 2014 gegründet. Zuvor ist er mit einem Stück Trockenfleisch im Gepäck nach London geflogen, um bei Anton Mosimann den Segen einzuholen. Ein weiterer «Alpahirt»-Fan der ersten Stunde ist Andreas Caminada. Heute sind sie Nachbarn: Das «Alpahirt»-Hauptquartier befindet sich im historischen Stoffelhaus in Fürstenau; Schloss Schauenstein liegt in zehn Metern Entfernung auf der anderen Seite der Gasse.

 

Acht Sommer auf der Weide. Die Produkte entwickelt Adrian zwar nach wie vor selbst. Produktion und Vertrieb hat er aber ausgelagert. Das System «Alpahirt» funktioniert so, dass Adrian bei den Bauern einzelne Kühe einkauft und Betrieben seines Vertrauens zum Metzgen und Trocknen übergibt. Die Tiere sind im Durchschnitt zehn Jahre alt. Acht Sommer haben sie zufrieden auf der Weide verbracht. Der Grossteil von ihnen stammt aus der Surselva, dem Bündner Oberland. Dort, bei Nay in Trun und Sialm in Segnas, werden sie zu den Fleischspezialitäten, die in den letzten Jahren in der ganzen Schweiz Furore gemacht haben: Allerhand Salsiz, bis hin zu einer Variante mit Hanfsamen und mit dem «Baron» als Flaggschiff. Auch Trockenfleisch-Edelstücke wie das «Bergfleisch für Heutage» oder der «Veltliner Säumer». Livio, für Adrian im Aussendienst, serviert zudem Alpschwein-Salsiz. «Gibt es nur, solange es hat.».
 

Veltliner im Salsiz. «Alpahirt» könnte sich locker Bio-zertifizieren  lassen. Der Haken liegt im Moment darin, dass kein vernünftiger Veltlinerwein in Bio-Qualität zu bekommen ist. Davon hat es nämlich in den «Alpahirt»-Salsizen eine ganze Menge. Etwas anderes als Veltliner ist aber tabu; nicht zuletzt darum, weil schon der Urneni Veltliner verwendet hat.

 

Er will die Kunden begeistern. Adrian war ein Getriebener, bis er als junger Familienvater etwas zur Ruhe kam. Hat pausenlos Neues ausprobiert. Krebste nötigenfalls auch mal zurück, wenn sich etwas nicht bewährt hat. Hat sich nicht unterkriegen lassen, als 2019 seine Wohnung, sein Büro und sein Verkaufsladen in Tschiertschen in Flammen aufgingen. Hat im vergangenen Jahr mit einem grossen Rebranding mehr Farbe ins Ganze gebracht. Adrian ist ein Begeisterter und ein Begeisterer: «Ich liebe es, wenn der Funke überspringt. Wenn ich das Blitzen in den Augen der Partner und Kunden sehe.»
 

 

>> www.alpahirt.ch

Fotos: Claudia Link, Sven Hanselmann, Sylvia Heldstab