Text: Elsbeth Hobmeier I Fotos: Hans-Peter Siffert

Première im Chipperfield-Bau. «Wir sind die ersten überhaupt, die in diesem Neubau einen grossen Event durchführen», sagt Susi Scholl mit deutlich hörbarem Stolz. Der Neubau: Das ist der neue Chipperfield-Bau als Erweiterung des Kunsthauses Zürich. Der Event: Das Swiss Wine Tasting als grösste offene Degustation der Schweizer Weinszene. Susi Scholl und Andreas Keller von Swiss Wine Connection sind die Initianten von Mémoire & Friends, haben diese Veranstaltung 2009 erfunden. Auch die 13. Ausgabe, organisiert mit Swiss Wine, ist ein Erfolg: 122 Weinbaubetriebe aus allen Landesteilen (grosses Bild oben: Roman Rutishauser) schenkten zwischen vier bis sechs Weine aus, im Foyer und im grossen Saal des imposanten Neubaus drängen sich Tausende von Weinliebhabern, verkosten, vergleichen und diskutieren. Ein paar Winzer, vor allem aus dem Wallis und der Bündner Herrschaft fehlen, weil ihre Keller längst leer sind und sie nichts mehr zum Ausschenken haben. Die perfekte Ergänzung zu den vielen Weinen: Käse von Meister Rolf Beeler, Trockenfleisch von der Bündner Kultmetzgerin Tanya Giovanoli. - Boxenstopp bei vier Winzern:

# 1: Maison Carrée, der Pionier. Jean-Denis, Christine und Alexandre Perrochet zählen zur Spitze der Schweizer Winzer, ihre Weine, die sie im burgundisch anmutenden Terroir von Auvernier am Neuenburgersee hervorbringen, sind Musterbeispiele an Finesse und Ausgewogenheit. Sie setzen auf alte Handwerkskunst, verwenden für den Wümmet noch die typischen Holzbottiche und arbeiten seit langem und voller Überzeugung biodynamisch, um möglichst terroirbetonte Weine zu keltern. Neben Marie-Thérèse Chappaz und der Domaine de Beudon nahmen Jean-Denis und Sohn Alexandre Perrochet auch als einzige Schweizer am grossen Salon de Vins naturels im französischen Angers teil. Alexandre lernte den Winzerberuf in Salgesch und bei Emilienne Hutin in Genf, arbeitete dann im Burgund und stieg 2015 ins elterliche Weingut ein, um irgendwann demnächst als 7. Generation die Leitung zu übernehmen. Bei der Vereinigung Mémoire des Vins Suisses sind sie mit ihrem Pinot noir dAuvernier dabei.

Gianmarco Ofner fährt das Weingut Pircher und hat neue Etiketten

Gianmarco Ofner übernahm das Weingut Pircher in Eglisau von seinem Götti.

Jean-Denis und Alexandre Perrochet aus Auvernier

Jean-Denis und Alexandre Perrochet zählen zur Spitze der Schweizer Winzer.

# 2: Madeleine Mercier, die Nachfolgerin. Die Merciers in Sierre waren Pioniere rund um die alte Sorte Cornalin. 2015 ist Tochter Madeleine an die Seite ihres Vaters Denis getreten und wirkt als Önologin vor allem im Keller; der Seniorchef kümmert sich hauptsächlich um die Reben. Ihr Hauptaugenmerk gilt den Weissweinen, «für unsere Roten steht das Rezept, da möchte ich nicht viel ändern», sagt sie. Vor kurzem hat sie eine Neupflanzung mit  Resi (Rèze) gemacht, eine alte, rare Walliser Sorte, «in einigen Jahren wissen wir, ob es ein guter Entscheid war». Madeleine Mercier ist Präsidentin von Mémoire des Vins Suisses; im Kunsthaus entkorkte sie einen sehr aromatischen Païen 2021 und einen kräftigen, mineralischen Marsanne 2020.

# 3 Gianmarco Ofner, der Göttibub. Winzer Urs Pircher in Eglisau zählt zur Elite der Schweizer Winzer, gilt für viele gar als Pionier in Sachen Weinqualität und Bodenpflege. In Ermangelung eigener Nachkommen übergab er Anfang dieses Jahres das Weingut seinem gut ausgebildeten Göttibub Gianmarco Ofner. Dieser will den Betrieb «keinesfalls plötzlich auf den Kopf stellen, wir beraten jede Änderung gemeinsam», betont er. Und doch: Ganz sanft haben sich die vertrauten Etiketten des Weins vom Eglisauer Stadtberg gewandelt. Und wandeln wird sich mit der Zeit auch der Sortenspiegel. Ofner ist ein Fan des deutschen Rieslings Als Folge der Klimaveränderung will er in den nächsten Jahren den RxS in den kühleren Zonen mit Pinot noir ersetzen und die heutigen Pinot-Flächen dann mit Riesling bepflanzen. «Irgendwann möchte ich nur noch Riesling, Räuschling, Pinot gris und Pinot noir haben, letzteren natürlich mit allen Varianten von Federweiss bis Barrique», verrät er. In Zürich hatte er neben Pinot gris, Pinot noir und Regent auch seinen geliebten Riesling dabei: spritzig, ausbalanciert, stilvoll und überzeugend.

# 4: Roman Rutishauser, der Jungspund. Er zählte einst zu GaultMillaus Jungtalenten, den Rookies, dann schaffte er den Sprung in die Liga der 150 besten Schweizer Winzer. 2015 übernahm er das elterliche Weingut am Steinig Tisch in Thal SG. Und kreierte gleich zwei eigene Weine. Den Weissen, einen reinen, im Barrique ausgebauten Kerner, nennt Roman Rutishauser mit einem kleinen Augenzwinkern «Jungspund», der Rote heisst etwas traditioneller «Alte Rebe». Er erklärt dazu: «Es ist ein Wein aus alten, bis 60-jährigen Pinot-noir-Rebstöcken mit viel Lebenserfahrung.» Der Kerner, eine rieslingartige Neuzüchtung, ist in der Schweiz nicht sehr verbreitet, von rund 20 Hektaren gehören 1,2 Hektaren den Rutishausers, «eine wichtige Sorte für uns», sagt er. Der Dritte im Bund seiner Neuschöpfungen wäre ein Sauvignon blanc namens Intense fumé, «aber den musste ich zuhause lassen, weil ich hier am Stand nur zwei aussschenken kann», denn Rutishauser präsentierte seine Weine am Gemeinschaftsstand der Vereinigung «Junge Schweiz - neue Winzer».

 

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