Text: Stephan Thomas I Foto: Michel Jaussi

Die Linde vor Augen. Michel Jaussi ist ein Starfotograf. Das darf man sagen, wenn einer regelmässig in die besten 200 Werbefotografen der Welt gewählt wird. Weitere Passionen Jaussis sind der Wein - und schöne Dinge. So hat er sich das frühere Restaurant «Zur Linde» in Linn AG gekauft. Hat es mit viel gutem Geschmack und historischem Feingefühl in ein kleines Juwel verwandelt. Den Namen trägt das Haus von der Linner Linde, die sage und schreibe 800 Jahre auf dem Buckel hat. Sie hat es Michel angetan, seit er aus seinem Kinderzimmer in Windisch auf den berühmten Baum gesehen hat.

 

Pinot-Monument. Als Winzer hat Michel sehr, sehr klein angefangen. Seine erste Pinot-Ernte ergab gerade mal 100 Liter. Typisch dann für Michel: Er liess sich kurzerhand von einem Küfer ein Fässchen für genau diese Menge bauen. Die nächste Ernte ergab ein Fass (Pièce), die folgende zwei, dann warens vier. Heute besitzt er Rebland in Villnachern und Oberflachs. Daraus entstehen im wesentlichen zwei Weine. Der Pinot Noir Grand Cru steht da wie ein Monument, füllig, saftig und kraftvoll. Der Weisse ist eine klassische Bordeaux-Cuvée aus Sauvignon, Sémillon und etwas Muscadelle. In der Schweiz eine absolute Rarität.

 

Präzision. Michel wirkt immer entspannt, aber beim Beruf kennt er keinen Spass. «Ich arbeite akribisch, beim Fotografieren wie beim Wein. Sonst geht es nicht. Man muss sich hineinlehnen.» Dabei hat er sich verlässliche Partner ausgesucht. Daniel Fürst in Hornussen besorgt die Kellerarbeit, Daniel Cortellini in Baden verkauft den grössten Teil des Weins. Gerne auch grosse Formate bis hin zu einer imposanten 6 Liter-Flasche.

 

Optimieren als Devise. Michel Jaussis Gewächse haben reihenweise Preise eingeheimst. Dennoch schraubt er unablässig an den Weinen, versucht zu optimieren. Da er nicht allein vom Wein lebt, kann er auch einmal einen Jahrgang deklassieren, wenn dieser ihn nicht überzeugt. Er entwickelt sich laufend, hat zum Beispiel den Einsatz von Neuholz gegenüber früher deutlich zurückgefahren. «Man darf auch Fehler machen. Daraus lernt man. Aber besser nicht zweimal den gleichen.»

 

Coup de Coeur: Pinot Noir Unter der Linde Grand Cru 2018

 

Das liegt im Keller: Pinot Noir Unter der Linde Grand Cru 2018 und 2019 (in der Pipeline), Unter der Linde Blanc 2020

 

Drei Gault-Millau-Chefs mit Weingut zur Linde-Weinen: Walter Klose im «Gupf» Rehetobel (18 Punkte). Albi von Felten/Jan Mannchen im «Hirschen» Erlinsbach (15 Punkte). Manuela und Sebastian Graber-Willi/Jonas Ingold im «Löwen» Messen (15 Punkte)

 

Das passt zusammen: Pinot Noir Unter der Linde Grand Cru zu Coq au Vin, mit zwei Flaschen des gleichen Weins geschmort, und Kartoffelstock.