Text: David Moginier I Foto: HO

Lange Tradition. Wer La Chenalettaz besucht, kommt entlang eines Bachs, der die beiden Waadtländer AOC Grand Crus Calamin und Dézaley im Herzen des Lavaux trennt. Auf der Dézaley-Seite liegt ein schönes Bürgerhaus aus dem 19. Jahrhundert. Dort liessen sich die Chevalleys bereits nieder, noch bevor Christoph Kolumbus im Jahr 1434 Amerika entdeckte. Ihre Urväter waren Winzer und Bauern, bis die folgenden Generationen ihre Passion für die Jurisprudenz entdeckten und nach Rivaz zogen. Trotzdem behielten sie das Gut in ihrem Besitz. Erst die siebzehnte Generation kehrte wieder zurück, um sich persönlich ums Anwesen zu kümmern: der Grossonkel und der Grossvater von Jean-François Chevalley. Grosses Bild oben: Benjamin & Jean-François Chevalley.

 

Nie ohne ihre Pferde. Bei diesem Familiennamen verwundert es kaum, dass die Chevalleys schon immer begeisterte Reiter waren. Als stolze Kavallerieoffiziere waren sie bei den Dragons, bis dieses Korps im Jahr 1973 aufgelöst wurde. Natürlich ritt Jean-François weiterhin. Und zwar so überzeugend, dass ihn Nathalie Pfeiffer für ihre Outdoor-Aufführung in der Rolle als Major Davel zu Pferd engagierte, welche diesen Sommer in Cully gespielt wird. Alle seine Kinder haben diese Leidenschaft geerbt, ausser Benjamin, der älteste Sohn. Er arbeitet seit Anfang 2022 an der Seite seines Vaters und wird das Familiengut 2025 übernehmen.

 

Das Terroir. Benjamin hat zusätzlich ein kleines Anwesen in Rivaz übernommen, im Herzen des Lavaux, zwischen den beiden Flaggschiff-Appellationen, denen sich Saint-Saphorin, Epesses und Villette anschliessen. Damit hat sich die Rebfläche auf acht Hektar vergrössert. «Wir könnten immer wieder Reben übernehmen, aber wir lehnen diese Angebote ab, weil wir uns nicht verzetteln wollen», erklärt Jean-François. Das sei die aktuelle Situation: Die grösseren Domänen wachsen, weil die kleinen verschwinden. «Als ich anfing, gab es in Epesses 26 Weinpressen - heute existiert nur noch gut die Hälfte».

 

Chasselas ist und bleibt der König. Bei Chevalley wachsen zu 85 Prozent weisse Trauben, «davon sind 84 Prozent Chasselas», so Jean-François Chevalley. «Wenn mich Kunden fragen, ob ich Chasselas habe, sage ich nein. Und füge an, ich hätte aber Villette, Epesses und so weiter.» Er produziere Terroirweine, und da sei es falsch, nur die Rebsorte zu nennen. «Fragen Sie in Burgund je nach Pinot Noir? Eben!» Cavalus, so sein Spitzname, ist ebenso beleidigt, wenn jemand sagt, die Waadtländer Winzer hätten sich verbessert: «Soll das heissen, mein Vater oder mein Grossvater haben schlecht gearbeitet? Nein, ich öffne und trinke immer noch Flaschen aus ihrer Epoche, und der Wein ist wunderschön.»

 

Ennet der Saane. Das Weingut La Chenalettaz verkauft über 80 Prozent seiner Weine in die  Deutschschweiz, was im Waadtland inzwischen eher selten geworden ist. «Für diese Kundschaft müssen wir hart arbeiten. Wir sind jedes Jahr zwischen 50 und 60 Tagen an Degustationen, Messen und Ausstellungen. Aber diese Zeit reut mich nicht, es zahlt sich aus.» Weil die deutsche Sprache dabei nützlich ist, absolvierte Benjamin seine Praktika an der Saane, im Graubünden, im Aargau und am Bielersee. Und dank seiner Mutter Margarita spricht er neben Deutsch auch Englisch und Spanisch - da können also noch weitere Kunden kommen. 

 

Das liegt im Keller: Weiss: Sechs Chasselas, davon zwei Dézaley; ein Viognier und ein Riesling. Rot: Zwei Assemblages, ein Pinot noir, ein Plant-Robert.

 

Coup de cœur: «Natürlich der Dézaley, der König der Weine und der Wein der Könige! Er braucht etwas Zeit, im ersten Jahr gewinnt er selten einen Concours. Aber nach fünf bis zehn Jahren ist er magisch.»

 

Das passt zusammen: «Villette zum Apéro, Epesses zu Käsegerichten, Saint-Saphorin zum Fisch, Calamin zu einer Gemüseterrine oder einer geräucherten Felche. Und Dézaley, der ist wie Champagner, und geht zu allem. Ganz speziell: gereifter Dézaley mit Vacherin Mont-d’Or oder trockenem Käse.»

 

Drei Gault-Millau-Chefs mit Weinen von der Domaine La Chenalettaz: Denis Martin in Vevey (17 Punkte), Angelo Delle Cave in der l’Auberge de Rivaz (14 Punkte) und Franck Pelux im Lausanne Palace (17 Punkte).