Text: Jean-Blaise Besençon Fotos: Fred Merz | Lundi13, Marcus Gyger Übersetzung: Elsbeth Hobmeier

Santé! Die Trophäen nehmen ganz schön viel Platz ein an den Wänden des Appartements, das Jérôme Aké Béda mit seiner Familie in Vevey bewohnt. Trophée Ruinart, Chevalier du Tastevin de la Bourgogne, Compagnon «juré» der Confrérie du Guillon, Chevalier vom Ordre des coteaux de Champagne, Ambassadeur du Chasselas. Und mittendrin sein allerliebstes Prunkstück, der von GaultMillau verliehene Titel als «Sommelier des Jahres» 2015. Sorgfältig hat er sie alle eingerahmt. Jetzt hängen sie da, umgeben von afrikanischen Masken und Bildern und erzählen die aussergewöhnliche Geschichte eines Mannes von der Elfenbeinküste bis in die Auberge de l’Onde in Saint-Saphorin am Genfersee. Dort wirkt er als Maître d’Hotel und Sommelier, und zwar seit genau elf Jahren und sechs Monaten.

 

Kindheit an der Elfenbeinküste. 1990 kam Jérôme Aké Béda als 22-Jähriger in die Schweiz, im Handgepäck eine solide Ausbildung sowie die Überzeugung, seine Berufung gefunden zu haben. Der Sohn eines Beamten und einer Schamanin - «meine Mutter war eine berühmte Seherin und meine Grossmutter kannte die Heilkraft der Kräuter» - schaute als Kind leidenschaftlich gerne Fernsehsendungen mit berühmten und schön gewandeten Menschen. Und schon damals begeisterten ihn die grossen Hotels in Abidjan, von deren Glanz und Prunk er manchmal ein Auge voll nehmen durfte. «An einem solch schönen Ort wollte ich später einmal arbeiten. Denn hier, da war ich überzeugt, würde ich niemals Hunger leiden».

Jérôme Aké Béda

Kaum einer kennt sich im Chasselas besser aus: Top-Sommelier Jérôme Aké Béda.

Ein Cocktail mit Nescafé. Nach der Ausbildung bei französischen Missionaren und der Matura schrieb sich Jérôme Aké Béda an der soeben eröffneten ersten Hotelleriefachschule des Landes ein. «Ich hoffte, aber glaubte auch daran, dass ich es schaffen würde», sagt er im Rückblick. Und zeigt ein altes Fotoalbum mit vergilbten Bildern: Jérôme als Aushilfskellner im «Wafou», dem edelsten Hotel von Abidjan mit seinen Bars und den grossen Events. Und Jérôme als Gewinner eines Wettbewerbs von Nestlé. «Man musste einen Cocktail mit Nescafé und Nido-Milch kreieren. Ich mixte Cointreau und Rum darunter, nannte ihn Nestsweet Cocktail und gewann!» In den Sommerferien jobbte er jeweils in Frankreich, servierte Cocktails an der Côte d’Azur und entwickelte dabei jene Qualitäten, die ihm später Tür und Tor öffnen sollten: Humor und Freundlichkeit, gepaart mit dem Willen, hart zu arbeiten und viel zu lernen. So packte er auch die Chance, sich an der Schweizer Hotelfachschule in Glion einzuschreiben. 

 

Wein ohne Eiswürfel. Nun war Jérôme Aké Béda bereit für die hohe Schweizer Gastronomie. Der Weg führte ihn vom «Le Raisin» in Vevey in den «Vieux Stand» nach Lutry und «La Petite Grappe» in Lausanne. 1997 wurde er Maître bei Denis Martin in Vevey. «Dort befiel mich der Virus Wein», blickt er heute zurück, «Denis bot mir die Möglichkeit, mich intensiv damit auseinanderzusetzen, meinen Geschmack zu bilden und mein Wissen zu erweitern.» Bis dahin hatte er Wein stets «à l’africaine» getrunken, also mit Eiswürfeln. Endgültig zum gewieften Sommelier wurde er dann im Kempinski auf dem Mont-Pèlerin, er machte bei Wettbewerben mit und sammelte Auszeichnungen. Er sei sehr glücklich mit seinem Beruf, gesteht er, nur etwas laufe ihm gegen den Strich. Nämlich Gästen guten Wein zu servieren, die ihn nicht schätzen.

 

Passion für den Chasselas. Nun gibt es kaum einen glühenderen Verehrer und einen beredteren Botschafter für den Chasselas, die weisse Rebsorte des Genfersees. «Ein Wein so unfassbar wie ein Chamäleon», beschreibt er, «jung scheint er einfach, wenn auch subtil. Aber beim Altern zeigt er seine Muskeln, da wird er wild und gefährlich. Da kann er es mit den ganz grossen Sorten aufnehmen und die ganze Welt narren.» Der gebürtige Afrikaner erkennt im Chasselas Aromen von Ananas und Kokos und singt in seinem 2014 erschienenen Buch «99 chasselas à boire avant de mourir» das Hohelied dieser typischen Schweizer Traube. Und er ist überzeugt: «Nirgendwo sonst könnte man diesen Wein machen. Auch wenn man die besten Lagen von Südafrika mit Chasselas bestocken würde, käme das Ergebnis nie an einen Dézaley heran. Das Terroir entscheidet, nichts anderes.» Jérôme Aké Béda hat im Lavaux seine wahre Heimat gefunden. Hier ist er rundum glücklich. Vor allem, wenn er seinen Gästen einen guten Wein empfehlen und einschenken kann. Doch er weiss: «Der Wein kennt keine Grenzen.»

 

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Auberge de l’Onde
1071 Saint-Saphorin
www.aubergedelonde.ch