Text: David Moginier I Fotos: Sedrik Nemeth

«Ich bin ein wenig ein Stubenhocker.» Wer zu Christophe Abbet in die Altstadt von Martigny geht, fühlt sich in den engen gepflasterten Gassen ein wenig in frühere Zeiten versetzt. Mit seiner Partnerin Carine und einem Teil seiner Weine wohnt er in einer alten Schmitte, die er «an einem einzigen Tag» gekauft hat. Die Ambiance im mit Kunstwerken und alten Werkzeugen dekorierten Raum scheint zeitlos und gleichzeitig charmant. Einen Teil seiner Cuvées hat er in einem anderen Altstadtgebäude untergebracht, einen Vorrat an Flaschen an einem dritten Standort, «aber alles in Reichweite». Er möge diese Vorstellung, denn er sei «ein bisschen ein Stubenhocker». In schwierigen Zeiten wie der jetzigen Weltlage sei es nötig, wieder zurück zum Wesentlichen zu kommen, sagt er.

 

Vertrauen in die Natur. Christophe Abbet konnte kein familieneigenes Gut übernehmen, er musste alles selbst aufbauen. Heute, als 60-Jähriger, hat er knapp drei Hektaren Rebland in Martigny. «Aber ich bin ein schlechter Winzer», lächelt er, «gut, dass ich so viele Kollegen habe, die alles wissen und die ich fragen kann». Die grosse Anerkennung, die seine Weine geniessen, erstaunt ihn immer wieder, denn er will den Wein «einfach werden lassen». Seine Philosophie lautet: «Wenn ich denke, ich würde ihm helfen, indem ich daran arbeite, ihn so zu machen, wie ich ihn haben möchte, würde ich eigentlich mir selbst helfen, nicht dem Wein.»

 

Abbet lässt seinen Weinen Zeit. Er tat eigentlich nichts dazu, um sich als Winzer bekannt zu machen. Das übernahm sein erster Süsswein namens Ambre, der ihn anfangs dieses Jahrtausends auf die Bühne der Weinszene katapultierte. Danach interessierte er sich für Weine, die unter einem Schleier reifen, ohne jedoch einen typischen Vin jaune machen zu wollen. Das alles prägte seinen Stil, seinen Wein, den er nach biologischer Methode - jedoch ohne ein Label - und ohne zugefügten Schwefel produziert. Die Mazeration an den Traubenhäuten kann bei ihm monatelang dauern, als Rekord einmal sogar bis zum Juli des darauffolgenden Jahres. Die Fermentation kann stoppen, wenn in seinem nicht geheizten Keller alles einfriert - um dann im Frühling wieder Fahrt aufzunehmen. Vor allem lässt er seinen Weinen viel Zeit und gibt sie oft erst drei, vier Jahre später zum Verkauf.

 

Die kleine Liebeserklärung. «Ich mache keine Weine, die allen gefallen sollen», sagt Christophe Abbet. «Aber wenn ich Carine bitte, einen zu probieren, dann möchte ich, dass er ihr gefällt. Denn Carine verschönert mein Leben». In der Diskussion mit Abbet verlässt das Gespräch oft sehr schnell das Thema Wein und dreht sich dann um philosophische, kosmologische, mystische Fragen. Von unserer Durchreise auf der Erde zur neuen Deutung der Religionen und zum Einfluss der Frauen… man langweilt sich nie, wenn man mit ihm ein Glas trinkt. Und so sagt der Winzer denn auch: «Mein grösstes Vergnügen ist das Teilen, Leute zu treffen. Meine Weine sind dafür gemacht, anderen Gutes zu tun.» 

 

Das liegt im Keller: Weiss: Fendant, Arvine, Païen, Ermitage. Rot: Drei oder vier Gamays, Pinot noir, Humagne rouge, Syrah und Cornalin. Ein Süsswein, Ambre, und ein Vin de voile.

 

Coup de cœur: Der Païen 2020, der soeben in den Verkauf kommt. «Er ist sehr frühlingshaft, wie ein Hauch von Kräutern, der die jungen, weissgekleideten Mädchen auf ihrem Fahrrad umweht.»

 

Das passt zusammen: «Ich habe immer jene Weine geliebt, die es nicht nötig haben, von einem Gericht begleitet zu werden. Aber ich war selbst überrascht, dass ich einen jetzt noch sehr rauen Cornalin habe, der mit einem Wildgericht gewinnen könnte.»

 

Drei Gault-Millau-Chefs mit Weinen von Christophe Abbet auf der Karte: Jérémie Cordier im Restaurant Les Cerniers in Les Giettes VS (14 Punkte), François-Xavier Lemploy im Restaurant Les Collines in La Sage VS (13 Punkte) und Franck Giovannini im Hôtel de Ville in Crissier (19 Punkte).