Text: Elsbeth Hobmeier I Fotos: Hans-Peter Siffert
300 Hektar, 40 verschiedene Weine. Eigentlich könnten sich Gilles Besse und Jean-René Germanier (grosses Bild oben, v.l.) auf ihren Lorbeeren ausruhen. Doch daran denken sie nicht im geringsten! Erst kürzlich haben sie den Dachraum des Stammhauses in Vétroz als weiteren Barriquekeller ausgebaut. Dieser «Chai Cathédrale» (nach einem Entwurf von Joakim Gorret) ist spektakulär geworden. Die Holzfässer spiegeln sich mehrfach; man weiss kaum, wo oben und unten ist. Nüchterner geht es in der einstigen Sägerei der Grosseltern zu. Hier sind modernste Pressen und Abfüllanlagen untergebracht. Und die riesengrossen Behälter im Stahltankkeller lassen sich alle einzeln kühlen: «Wir haben grosse Investitionen in beste Technologien getätigt», erklärt Önologe Gilles Besse. Hier wird die Ernete von 300 Hektar Rebland verarbeitet. Ein Teil der Trauben sind eigene, der Rest wird von Winzern des Vertrauens zugeliefert. Daraus entstehen 40 verschiedene Weine, alle vegan, zahlreiche Einzellagen sind bio-zertifiziert. Bis Ende dieses Jahres wirkt Besse noch als Präsident der Bio-Suisse-Winzer, dann wird er dieses Amt abgeben. «Wir haben viel erreicht», sagt er.
Vexierspiel: In der neu ausgebauten «Weinkathedrale» im Dachgiebel spiegeln sich die Barriques.
Ikonenhafter «Cayas». Viel erreicht hat die Domaine Jean-René Germanier auch auf internationaler Bühne. 30 Weine haben hohe Parker-Punkte eingeheimst, der fast ebenso bekannte Weinkritiker James Suckling zeichnete allein im Mai 2024 19 Germanier-Weine aus. «Diese Auszeichnungen erregen weltweit Aufmerksamkeit», sagen die beiden Co-Direktoren erfreut. Sie exportieren nach Japan, in die USA und in einige europäische Länder, was für Schweizer Weingüter immer noch die Ausnahme ist. Der Grossteil der Produktion wird jedoch in der Schweiz getrunken. Bei Coop sind die Ikonen des Weinguts vertreten: «Cayas», der seit 1995 aus den besten Syrah-Lagen gekeltert wird und zwei Jahre lang im Barrique reift. Und der legendäre Süsswein «Mitis» aus der Amigne-Traube.
Die einstige Sägerei in Vétroz beherbergt heute die Abfüllanlagen und die Pressen.
Immer am ersten Donnerstag des Monats: Die Crew trifft sich zum Mittagessen – und zu einem Glas Wein.
Vorreiter mit ihrer Bienen-Skala. Apropos Amigne: Diese Rebsorte wird einzig in der Schweiz kultiviert. 30 der insgesamt 40 Hektaren befinden sich in Vétroz. «Und 10 Hektaren davon gehören uns. Wir können also behaupten, dass 25 Prozent der Amigne-Weltproduktion aus unserer Domaine stammt», rechnet Gilles Besse vor. Er war es auch, der die Sache mit den Bienen lanciert hat. Bienen? Da die Amigne von trocken bis süss ausgebaut wird, wusste die Kundschaft oft nicht, was in einer Flasche steckt. Seit alle Winzer von Vétroz die Bienen-Skala auf dem Etikett verwendet, herrscht Klarheit: Eine Biene bedeutet trocken. Zwei Bienen bedeuten halbsüss. Und drei Bienen stehen für süss.
Aushängeschild für die ganze Schweiz! Ganz einfach! Zu den Sternstunden der Domaine Jean-René Germanier zählt wohl die Siegesfeier für die Alinghi-Crew, die beim grossen Segelwettbewerb 2007 in Valencia den 32. America’s Cup gewann und diesen Erfolg mit Germanier-Wein begoss. Kein Zufall: Alinghi-Chef Ernesto Bertarelli ist ein guter Freund von Gilles Besse aus der gemeinsamen Zeit am Genfer Collège. Bis heute erinnern die beiden Assemblagen «Blanc de Mer» und «Rouge de Terre» an jenen grossen Tag. Auf internationale Aufmerksamkeit kann das Walliser Weingut auch in diesem Sommer wieder zählen, wenn es als Weinpartner des Golfturniers Omega European Masters in Crans-Montana auftritt – und damit einmal mehr als Aushängeschild der Schweiz in Sachen Wein.