Text: Stephan Thomas I Fotos: HO
Reben statt Kühe. «Meine Vorfahren waren Landwirte. Ich wollte nicht. Ich habe lieber Wein als Milch.» Das ist Gaudenz Thürer, wie er leibt und lebt. «Ich bin kein normaler Winzer. Ich mache nicht, was die anderen machen. Und ich mache, was die anderen nicht machen.» Zum Beispiel eine Cuvée aus Sauvignon Blanc und Pinot Noir als Blanc de Noirs. Er nannte sie «White Chocolate», bis die Behörden den Riegel schoben und die Umbenennung in «White Mistery» notwendig machten. Oder den «Dark Mistery», ein Kraftpaket aus Cabernet Sauvignon und Merlot, teilweise in amerikanischer Eiche ausgebaut.
Vom Schicksal gebeutelt. Mit dem Weinvirus angesteckt hat ihn die Malanser Winzerlegende Peter Wegelin, bei dem er früh wimmeln und auch in den Keller schauen durfte. Es folgten die Lehre als Winzer, später Ausbildungen zum Weintechnologen und Betriebsleiter samt Meisterprüfung. Genau zwanzig Jahre arbeitete er in einem grossen Bündner Weinhaus als Reb- und Kellermeister. Zog nebenher eine kleine eigene Produktion auf. Bis zu dem Tag, wo er in die Maschine zur Traubenverarbeitung geriet - ein Bein war nicht zu retten. Sein Arbeitgeber kündigte ihm. Gaudenz liess sich nicht unterkriegen und setzte ganz auf seinen kleinen Betrieb.
Hoffnungswein. Einquartiert ist er bei seinem Freund Ralf Komminoth in Maienfeld, mit dem er auch ein paar gemeinsame Weine produziert. Hier keltert er wilde Weine, um die Jungen anzusprechen. Aber nicht nur. «Ich bin ein Pinot-Fan, und ganz ohne geht es in Graubünden nicht.» Sein Parade-Pinot heisst sinnigerweise «Destiny». «Das war meine erste Idee, als ich aus der Narkose erwachte. Zuerst ist der 'Destiny' in ganz kleinen Fässchen gereift. Ich hätte nicht die Kraft gehabt, grössere Formate zu stemmen. Beschriftet ist die Flasche grün, die Farbe der Hoffnung.»
Geist in der Flasche. Um Gaudenz' Zukunft muss man sich keine Sorgen machen. «Ich bin ein ruheloser Mensch, kenne keine Rast. In meinem Kopf dreht es sich immer. Und diese Flausen da oben müssen irgendwann in die Flasche.» Ein Kriterium gilt dabei aber immer: «Ich könnte nie etwas produzieren, das ich nicht selber gernhabe. Vor allem würde ich es nicht fertigbringen, so etwas zu verkaufen.»
Coup de Coeur: Pinot Noir «Destiny» 2020
Das liegt im Keller: Blanc de Noirs 2020; Dark Mistery (Merlot/Cabernet Sauvignon) 2021; Pinot Noir «Surprise» 2021 (Arbeitstitel; liegt noch im Fass)
Drei GaultMillau-Chefs mit Thürer-Weinen: Hansjörg Ladurner im «Hotel Schweizerhof/Scalottas Terroir» Lenzerheide (16 Punkte). Jürg Stauffer im «Va Bene» Chur (14 Punkte). David Esser im «Alten Torkel» Jenins (14 Punkte)
Das passt zusammen: Churer Fleischtorte, gebacken von meiner Mama, zu Pinot Noir «Sélection»