Langenlebarn? Nie gehört! Keine Sorge, das ging mir bis vor ein paar Jahren auch so. Seit meiner ersten kulinarischen Exkursion in das 25 Kilometer vor den Toren Wiens gelegene 2500-Seelen-Dorf zieht es mich aber immer wieder dorthin. Der Grund: das beste Wirtshaus der Welt! Josef Floh kocht in der Gastwirtschaft Floh mit so viel Freude, Fantasie und Raffinesse, dass auch die höchstdekorierten Chefs Österreichs zu seinen Fans zählen. Sie wissen: Viele der grossartigen Produkte, mit denen sie arbeiten, standen zuerst beim «Floh» auf der Karte. Wenn immer möglich verwendet der geniale Küchen-Punk nur Zutaten, die aus einem Umkreis von 66 Kilometern stammen. Respekt sei für ihn die wichtigste Zutat, betont er – und setzt deshalb konsequent auf Demeter- und Bio-Qualität oder das Beste aus der Wildnis. Dogmatisch wirkt dennoch kein einziges Gericht. Was immer der Chef auftragen lässt, schmeckt einfach – Verzeihung – nur geil. Man trauert jedem leer gegessenen Teller hinterher. Bild oben: Josef Floh (l.) und Heinz Reitbauer.

Ein typischer «Floh»: Saibling mit Emmerrisotto und Karotten.

Ein typischer «Floh»: Saibling mit Emmerrisotto und Karotten.

Kalbszunge zum Niederknien. Unschlagbar beim «Floh»: die dünn aufgeschnittene Kalbszunge mit lauwarmem, aufgeschäumten Rahmsäuschen, Kürbiskernöl und frisch geriebenem Meerrettich. Eine fantastische Symbiose zwischen Österreich und Asien: die Germknödel mit einer Füllung aus geräuchertem Gänsefleisch und hausgemachter Chilisauce. Fast alle Gerichte beim «Floh» tragen kreative Namen, denn der Meister liebt Wortspiele. Hinter der Bezeichnung «Firefly» zum Beispiel versteckt sich ein confierter, im Mund dahinschmelzender Saibling an einer mit Ingwer und Kurkuma verfeinerten Sauerrahmsauce. Klingt abenteuerlich, aber schmeckt göttlich!

Das «Donaugartl» ist Josef Flohs Sommerbeiz.

Lauschiger gehts nicht: Das «Donaugartl» ist Josef Flohs Sommerbeiz.

Palatschinken mit «Hänsel & Kriecherl». Josef Floh kann aber auch ganz klassisch. Gulasch, Schnitzel und Siedfleisch sind Extraklasse, die Palatschinken aus Einkornmehl sowieso. Einziges Problem: Mit welcher der fantastischen Füllungen soll man die hauchdünnen Pfannkuchen bestellen? Mein Tipp: «Hänsel & Kriecherl», ein säuerliches Mus aus roten Johannisbeeren und kleinen Zwetschgen (Kriecherl). So überzeugend wie das Essen ist die Weinauswahl. Sommelier Benny Neiber-Trybek, ein guter Freund von Marco Franzelin (ehemals «Schloss Schauenstein»), zaubert vom überzeugenden Naturwein aus dem Burgenland bis zum gereiften Wachauer Spitzenriesling alles, was das Herz begehrt, aus dem Hut. Damit der Abschied nicht so schwer fällt, gibt es den «Floh-Markt» mit allerlei Delikatessen im Glas, darunter das erwähnte «Hänsel & Kriecherl»-Mus.

Seesaibling mit Blutorange, Quinoa und Dill - Restaurant Steirereck - Wien - HO via Restaurant

Drei Sterne und 19 Punkte wert: Reitbauers Seesaibling mit Blutorange, Quinoa und Dill.

Steirereck

Sie haben das «Steirereck» zum Weltklasse-Restaurant gemacht: Birgit und Heinz Reitbauer.

Steirereck

Keine Angst vor Innereien: Bei den Reitbauers kommen auch einmal Kalbsnieren auf den Tisch.

Endlich drei Sterne für Reitbauer. Bei der Präsentation des ersten gesamtösterreichischen «Guide Michelin» 2009 Ende Januar in Salzburg tanzte Josef Floh vor Freude auf seinem Stuhl. Er feierte, dass Heinz Reitbauer vom 19-Punkte-Restaurant Steirereck im Wiener Stadtpark endlich den dritten Stern verliehen bekam. Reitbauer erzählt mit seinen Gerichten die kulinarische Geschichte Österreichs und der ehemaligen Kronländer und bringt auf dem Teller auch scheinbar Unvereinbares harmonisch zusammen. Bestes Beispiel: die Belugalinsen mit einer Creme aus Pilzen und Baby-Banane, Schinkenspeck, karamellisierten Pistazien, Osietra-Gold-Kaviar und Bananenessig vom verrückten Wiener Essigbrauer Erwin Gegenbauer. Zu jedem Gericht reicht der Service ein Kärtchen, auf dem alles Wissenswerte vermerkt ist. So stört kein überbordendes Storytelling das Gespräch am Tisch. Apropos Störung: Vom Herrn mit dem Brotwagen lässt man sich im «Steirereck» gerne aus dem Gespräch reissen. Er hat fast 30 Sorten im Angebot, darunter das legendäre «Blunzenbrot» mit Blutwurststücken, das zusammen mit der als Klumpen servierten Süssrahmbutter allein schon eine wunderbare Mahlzeit wäre.

Steirereck

Die kostbaren Früchte kommen von Schloss Schönbrunn: Pomelo mit Kokosnuss und Zitronatzitrone.

Wiener Zitrusfrüchte und Saibling im Bienenwachs. Grosse Verdienste hat Reitbauer unter anderem um die Zitrusfrüchte aus der Orangerie von Schloss Schönbrunn, der einstigen Residenz der Herrscher des K&K-Reichs. Zusammen mit dem früheren Schönbrunner Gärtner Heimo Karrer kostete er rund 80 Sorten durch und suchte die besten für sein Restaurant aus. Kalamansi etwa gibt dem kurz gebratenen Gebirgssaibling mit in Nussbutter confiertem Muskatkürbis und fermentiertem Kürbissaft Frische. Das Albedo (die weisse Schicht zwischen Schale und Fruchtfleisch) von Bitterorangen nutzt Reitbauer wie Kokosnuss, da sich die Aromen der beiden Produkte auf frappante Weise ähneln. Signature Dish des «Weisen von Wien» ist und bleibt aber der im heissen Bienenwachs gegarte Saibling mit gelben Rüben, Pollen und Rahm, der in mehr oder weniger abgewandelter Form in so manchem Restaurant in Europa zu finden ist.

Steirereck

Moderne Architektur trifft wegweisende Küche: Willkommen im «Steirereck» im Wiener Stadtpark.

Den ganzen Tag schlemmen in der «Meierei». Unter dem topmodernen «Steirereck», das aus mehreren verglasten Würfeln besteht, befindet sich die einfachere, aber nicht minder empfehlenswerte «Meierei». Sie wird aus der gleichen Küche bedient und bietet neben Traditionellem wie Beinfleischsuppe mit Griessnockerl und Karotte, Wiener Schnitzel oder Kalbsbeuscherl mit Schnittlauchknödel und Majoran auch kreative, saisonale Gerichte – «Steirereck easy» sozusagen. Hier kann man von acht Uhr morgens bis elf Uhr nachts durchgehend essen. Jeweils um 13 Uhr gibt es frischen Apfel- und Milchrahmstrudel. Unbedingt sofort ein Stück sichern, die heisse Ware ist – zu Recht – extrem begehrt. Wie beim «Floh» gibt es auch hier einen Shop. Vom hinreissend guten Zwetschgenröster kann man nicht genug kaufen!

Anzengruber

Sarma à la «Anzengruber»: Die Optik ist wenig spektakulär, der Geschmack dafür umso mehr.

Die Königin der Kohlrouladen. Einen rund zwanzigminütigen Spaziergang vom Stadtpark entfernt, im Café Anzengruber an der Schleifmühlgasse, wirtet seit einer halben Ewigkeit die aus Kroatien stammende Familie Saric. Mutter Ankica steht in der Küche, Sohn Tommy sorgt dafür, dass im Gastraum selbst beim gewaltigem Andrang alles glatt läuft. «Inoffizielles Literaturzentrum Wiens. Saisonale Speisen, legendäres Schnitzel und Gulasch», schreibt das lokale Kulturmagazin «Falter» über das «Anzengruber» und verschweigt dabei (bewusst oder unbewusst) die grösste kulinarische Attraktion des Hauses: Sarma, zu Deutsch Kohlrouladen, mit mutig gesäuertem Spitzkohl, Hackfleisch, pikanter Paprikasauce und Salzkartoffeln. Nicht einmal bei Stefanie Herkner («Die Herknerin»), der stadtbekannten Grossmeisterin der Wiener Hausmannskost, schmeckt das Gericht so gut. Das wissend die einfachen Leute ebenso zu schätzen wie Politikgrössen oder Fussballstar (u.a. David Alaba). Zum Naschmarkt sind es vom «Anzengruber» bloss ein paar Schritte. Nur leider ist der einst mit Recht berühmte Genussort inzwischen mehrheitlich eine Touristenfalle. Ausser am Samstagmorgen, wenn der wöchentliche Bauernmarkt auf dem Platz vor der U-Bahn-Haltestelle Kettenbrückengasse stattfindet.

Fischerin

Papaya? Nein, in diesen thailändischen Salat kommt Kohlrabi.

Fischerin

Die Donau fliesst gleich unter der Terrasse der «Fischerin».

Fischerin

Street Food, wie man es sich wünscht: Taco mit Fried Rice.

Thailand an der Donau. Authentisch thailändische Küche auf Basis bester Produkte aus der nahen Umgebung: Das ist das Prinzip der «Fischerin» im Strombad Kritzendorf, einem der ältesten Strandbäder Europas. Für Thailands Nationalsalat Som Tam verwendet man hier keine grünen Papayas, sondern Kohlrabi und Radieschen, als «Nam Prik Fish» mit grillierter Peperoni-Ananas-Paste, gepufften Reisnudeln und Limette gibt es eine Forelle. Das Gulasch vom Rund wird mit Salzzitronen, Curryblättern und Tamarindenpaste zum exotischen Hochgenuss. Auch klassisches Street Food mit einem Twist gibt es hier, zum Beispiel einen «Fried Rice Taco» mit Erbsen, Ei und hausgemachter Sriracha-Sauce. Für grössere Gruppen bietet die «Fischerin» einen (kostenpflichtigen) Wasserttaxi-Dienst ab der Wiener Innenstadt an.

Fotos: Nico Schärer, Jürgen Skarwan, HO