LIEBLINGSKOCH DER TOPCHEFS. Er ist der Lieblingskoch der Topchefs, ein Perfektionist, der jede seiner Kreationen ganz selbstverständlich aussehen lässt. Nichts, was Björn Frantzén serviert, wirkt kompliziert, und doch ist alles bis ins letzte Detail ausgeklügelt. Bestes Beispiel: seine Interpretation des schwedischen Klassikers Råraka. In einer zylinderförmigen Hülle aus knusprigen Kartoffelfäden verstecken sich Sauerrahm und Kalix-Löjrom, der Rogen der Kleinen Meeräsche. Auf dem Röllchen: Dillpulver, gepickelte rote Zwiebeln und noch mehr von den leuchtend orangen Fischeiern. Der typisch schwedische Kalix-Löjrom ist eine von Frantzéns Lieblingszutaten. «Milder und in vielen Fällen noch besser als Kaviar», so sein Urteil. Bild oben: Björn Frantzén und sein Signature Dish, Råraka.

Schmilzt im Nu dahin, bleibt aber für immer in Erinnerung: Frantzéns Macaron mit Entenleber, Traube, Hibiskus und Portwein.

Schmilzt im Nu dahin, bleibt aber für immer in Erinnerung: Frantzéns Macaron mit Entenleber.

Hier beginnt die Reise: Die legendäre Tür zum Restaurant an der Klara Norra Kyrkogata 26 in Stockholm.

Die legendäre Tür zum Restaurant an der Klara Norra Kyrkogata 26 in Stockholm.

Filigran, farbenfroh, fantastisch: Kingfish mit Arabica-Kaffee, fermentierter Pflaumenvinaigrette und gesalzenen weissen Rüben.

Filigran und farbenfroh: Kingfish mit Kaffee, Pflaumenvinaigrette und gesalzenen Rüben.

NUR NORDISCH? NEIN, DANKE! Anders als René Redzepi aus dem «Noma» in Kopenhagen ist der ehemalige Fussballprofi von AIK Stockholm («Kochen war nach einer schweren Verletzung mein Plan B») kein Vertreter der «New Nordic Cuisine». Er will sich bei der Konzeption eines Menüs nicht einschränken lassen und sucht überall auf der Welt nach den besten Zutaten. Unter den Produkten aus der Ferne haben es ihm Zitrusfrüchte wie Yuzu oder Sudachi und Trüffel (der schwarze kommt im europäischen Sommer aus Australien) am meisten angetan. Als die «New Nordic Cuisine» in ihrer höchsten Blüte stand, musste sich Frantzén durchaus ein paar kritische Fragen anhören. Heute aber  ist er so unangefochten wie Zlatan Ibrahimovic zu seinen besten Zeiten im schwedischen Fussball-Nationalteam.

Der Schaukasten mit den Hauptdarstellern des Menüs sind ein Markenzeichen des «Frantzén». Besondere Gäste dürfen hier mit einem Wodka-Shot anstossen.

Der Schaukasten mit den Hauptdarstellern des Menüs ist ein Markenzeichen des «Frantzén». Besondere Gäste dürfen hier mit einem Wodka-Shot anstossen.

EIN HALBES RENTIER IM REIFESCHRANK. Ein Besuch im 3-Sterne-Restaurant «Frantzén» an der Stockholmer Klara Norra Kyrkogata 26 findet stets auf drei Ebenen statt: Erst klingelt man an der ikonischen Tür und betritt den Empfangsraum mit den grossen Reifeschränken, in denen mal ein gewaltiger Steinbutt und mal ein halbes Rentier hängt. Von dort geht es mit dem Lift unters Dach – für den Apéro und die ersten Häppchen. Das grosse Ritual vor dem Start ins kulinarische Abenteuer ist die Vorstellung aller Produkte, die im Menü vorkommen. Sie liegen in einem gekühlten Schaukasten bereit und sind eines der am meisten fotografierten kulinarischen Sujets auf Instagram. Für besondere Gäste gibt es auch schon mal ein, zwei (oder drei) Wodka-Shots und eine Nocke Kaviar an der Theke mit der ikonischen Vitrine.

Der French Toast Grand Tradition mit Trüffel, Parmesancreme und Balsamico ist eines der ikonischen Gerichte im Stockholmer Dreisternetempel.

Der French Toast Grand Tradition mit Trüffel, Parmesancreme und Balsamico ist eines der ikonischen Gerichte im Stockholmer Dreisternetempel.

FEUER UND VIEL ROHER FISCH. Nach dem Amuse-Bouche-Reigen (nichts schlägt die Macarons mit Entenleber!) führt der Service die Gäste via Produktionsküche und begehbaren Weinschrank ins eigentliche Restaurant mit L-förmigem Tresen und Feuerstelle. Das Feuer ist ein zentrales Element im «Frantzén», prägt nach dem Start mit viel rohem Fisch und Seafood die meisten warmen Gerichte. Eine Spezialität des Hauses sind Wachteln, die über dem offenen Feuer den letzten Schliff bekommen. Der Kaisergranat mit japanischem Knusperreis gehört ebenfalls meist zum Programm. Für Dessert und Kaffee kehrt man noch einmal in den obersten Stock zurück.

TEUER, ABER JEDEN RAPPEN WERT. Sein Flaggschiff-Restaurant hat Frantzén zweimal geklont: 2018 eröffnete er in Singapur das «Zén», letztes Jahr in Dubai das «FZN». Das «Zén» ist seit 2021 mit drei Sternen ausgezeichnet, im «FZN» soll Küchenchef Torsten Vildgaard, der Bruder von «Jordnaer»-Chef Erik Vildgaard, dieses Ziel so schnell wie möglich erreichen. Der Menüpreis von umgerechnet 500 Franken sorgte selbst in Dubai für Aufsehen – und lässt keine Zweifel am Selbstverständnis der Frantzén Group. Björn Frantzéns Restaurants sind teuer, aber man bekommt eine Menge geboten fürs Geld. Beim Apéro wird grosszügig Champagner nachgeschenkt, und über zurückhaltende Portionierung bei Trüffelgerichten oder Gängen mit Kaviar muss sich niemand ärgern. Dem berühmten «French Toast Grand Tradition» mit Parmesancrcme, uraltem Balsamico und Périgordtrüffel sieht man das ebenso auf den ersten Blick an wie dem Chawanmushi mit 100 Tage gereifter Schweinebouillon und eigens für Frantzén selektioniertem Kaviar.

Gipfeltreffen in Fürstenau: Andreas Caminada, Björn Frantzén, Dominique Crenn und Marcel Skibba (v.l.) anlässlich eines Charity-Dinners für die Fundaziun Uccelin im vergangenen Winter.

Gipfeltreffen in Fürstenau: Andreas Caminada, Björn Frantzén, Dominique Crenn und Marcel Skibba (v.l.) anlässlich eines Charity-Dinners für die Fundaziun Uccelin im vergangenen Winter.

DIE CHEFS SOLLEN WIE ATHLETEN LEBEN. Auffallend in allen Betrieben der Frantzén Group: die gute Laune der Mitarbeitenden. Der Chef, der übrigens noch besser Golf spielt als Andreas Caminada (sagt Caminada), betont stets, dass sie die wichtigste Ressource jedes Restaurants sind. Eine Konsequenz daraus: Das «Frantzén» ist nur von Dienstag bis Freitag geöffnet. Björn Frantzén erwartet dafür von seinen Leuten, dass sie auf ihre Gesundheit achten und stets zehn Minuten vor Arbeitsbeginn im Restaurant sind. «Die Disziplin, die ich als Fussballer gelernt habe, hat mir in meiner Karriere enorm geholfen. Ich engagiere nur Leute mit der richtigen Einstellung. Kochen kann ich jemandem beibringen, seine Persönlichkeit verändern nicht», betont er. Apropos Disziplin: Die braucht man auch, um einen Platz im «Frantzén» zu ergattern. Das Reservationsfenster öffnet jeweils am Ersten eines Monats um 10 Uhr morgens für den Folgemonat. Wer dann nicht am Computer sitzt und sehr schnelle Finger hat, geht in aller Regel leer aus.

 

Fotos: Digitale Massarbeit, David Schanpp, HO