Text: Urs Heller Fotos: Marcus Gyger, HO

Glück geht anders. Marcus G. Lindner ist in Gstaad eine grosse Nummer. Er fiel dem GaultMillau vor Jahren im «Park Gstaad» erstmals angenehm auf. Er verhalf dem Traumhotel «The Alpina» zu einem fantastischen Start (18 Punkte!). Er kochte im «Le Grand Bellevue» so gut wie keiner vor und nach ihm. Und er war dazu bestimmt, in der berühmten «Chesery» die Nachfolge des noch berühmteren Robert Speth anzutreten. Der Start glückte ihm nach Mass: Eine tolle erste Karte, mit verblüffendem Angebot auch für Veganer und Vegetarier. Kurz nach dem Einstieg schon wieder der Ausstieg: Die «Chesery» mitten im Dorf wird verkauft und umgebaut. Lindners Mission ist zumindest für den Moment beendet, die Zukunft ungewiss. Grosses Bild oben: Marcus Lindner und Andrea Mazzara schleppen kistenweise die Mise-en-place in die Alphütte.

Züneweid von aussen (1616 Meter über Meer)

Tatort Züneweid, auf 1616 Metern: In dieser kleinen, feinen Alphütte kochte Marcus Lindner sein letztes Abendmahl.

Lindner sagt «Servus». Auf der Alp. Lindners (vorläufig) letztes Abendmahl in Gstaad? Fulminant natürlich. Neun Gänge. Einer besser als der andere. Aber: Der Chef sagte nicht in der «Chesery» Servus, sondern bei Freunden auf der Alp. Die «Züneweid», geführt von den «Bernerhof»-Chefs Brigitte und Thomas Frei auf 1616 Metern ob Lauenen, war seine Bühne. Die Alphütte ist zwar liebevoll eingerichtet und ein Bijou. Nur: Einen Kochherd gibt’s dort oben nicht, Marcus G. Lindner ganz cool: «Ich wollte schon lange Mal die Herausforderung annehmen und am offenen Feuer kochen.» 

Plättli Bernerhof Gstaad

Feuerwerk zum Start: Königskrabbe und Kaviar-Cracker.

ROse Bernerhof Gstaad

Rosen in der Alphütte: Das Lindner-Dinner wurde stilvoll inszeniert.

Weinflaschde  Bernerhof Gstaad

Die 6-Liter-Flasche! Zum Dinner gab’s einen Margaux (Château du Tertre).

Bauer Reichenbach & sein Traktor. Wer im Winter auf einer tief verschneiten Alp kochen will, braucht Verbündete. Lindner konnte sich auf Bauer Renato Reichenbach verlassen: Der lud die ganze Mis-en-place in die Schaufel seines riesigen Traktors (Lintrac 30, mannshohe Räder!), karrte ein Dutzend Kisten hoch zur Hütte. Der zweite Verbündete: «Bernerhof»-Küchenchef Marcel Reist, der dem Maestro klaglos assistierte. Ein harter Job, denn Lindner kocht auch am Berg millimetergenau, mit Pinzette, ohne Kompromisse.

Hütten-Party in neun Gängen. Lindner startete fulminant: Königskrabbe und crispy Hühnerhaut, Kaviar-Cracker und Kingfish mit Chili-Crème zur Begrüssung. Balfego-Tuna auf einem Quinoa-Bett, mit Enoki-Pilzen und Mojo Verde. Eine perfekt gebratene Entenleber mit Spinat, einem «Golden Ei» aus Gstaad, Périgord-Trüffel und einem beeindruckenden Entenleber-Jus. Zander mit Lauch und Kartoffelsud. Kalbshaxe (im Olivenöl geschmort) & Hummer an einer Rotweinsauce. Elegante Desserts und Feingebäck. Eine Sternstunde für alle, die bei Kerzenlicht gebannt am langen Alphütten-Tisch sassen. Eine Sternstunde auch für den Maestro, der unter schwierigsten Bedingungen wieder einmal über sich hinausgewachsen ist. Bleibt die Frage: Wer schnappt sich diesen Mann? Die Erfahrung zeigt: Wer Marcus G. Lindner unter Vertrag hat, spielt ganz oben mit.