Markus Stöckle, widmen wir uns gleich einer grundlegenden Frage: Wie viel Salz darf’s sein? 

Mir scheint es wichtig, dass das Würzen eines Gerichts nicht bloss am Ende des Kochprozesses geschieht. Man salzt in mehreren Etappen. Einer Suppe beispielsweise muss man zu Beginn ein wenig Salz beifügen, in der Mitte soll man nachwürzen und am Schluss dann abschmecken. Nur wer den ganzen Weg geht, erreicht die gewünschte Tiefe der Aromen. 

Es besteht die Gefahr des Überwürzens. Wie merkt man als Koch, dass es zu viel Salz ist? 

So einfach ist das nicht, man muss es tatsächlich üben! Salz sorgt ja nicht nur für Salzigkeit, sondern kann süsse Aromen beispielsweise auch dämpfen oder beflügeln. Darum sollte man es erst mal vorsichtig dosieren. Und spürt man einen positiven Effekt, ist man auf der richtigen Spur. 

Ziel ist ja, dass ein Gericht rund schmeckt, oder? 

In unserem Restaurant setzen wir beim Würzen auf das Bouba/Kiki-Prinzip. Die Begriffe kommen aus der Linguistik, werden von Köchen wie Heston Blumenthal aber inzwischen ebenso verwendet. Bouba meint runde, dunkle Wohlfühlaromen, die sich beispielsweise in Käsespätzli oder Gulasch finden lassen. Kiki steht für helle, schrille Aromen, die man einer Gurkenkaltschale oder einem Radieschensalat zuordnet. Das eine kommt nicht ohne das andere aus. Es kommt immer drauf an, welchen Effekt man mit welchem Gericht erreichen möchte. 

Dann geht es wohl auch nicht bloss um Salz allein. 

Keinesfalls. Unserem Gulasch verleihen wir mit einem Stängel getrocknetem Seetang, Kombu genannt, mehr aromatische Dichte. Bei einem Chili con Carne kann eine Gewürzbutter mit Thymian den letzten Schliff geben. 

Noch einen solchen Tipp? 

Ein Spritzer Sherry oder Madeira kann einer Glace mehr Lebendigkeit verleihen. 

Restaurant Rosi, 2023

Das Restaurant «Rosi» in Zürich setzt trotz alpiner Küche auch mal auf Ingwer, Garum oder Kombu.

Gehen wir Punkt um Punkt durch. Was kann man daheim für mehr Säure tun?  

Für einen Wurstsalat verwende ich einen kräftigen Gewürzessig, um ein Spiegelei zu würzen eher milden Sherryessig. Bei einer cremigen Suppe kann ein Spritzer Zitronensaft nie schaden. Und es lohnt sich, den Abrieb zu verwenden. Der bringt zusätzlich eine blumige Frische in eine Zubereitung. Übrigens lässt sich die Zitrone gut mit Grapefruit ersetzen, wenn man es ein Ticken bitterer möchte. 

Woher hole ich Umami? 

Ein Spritzer Sojasauce und ein wenig Muskatnuss wirken bei einem Tafelspitz Wunder! Und keinesfalls vergessen darf man all die Garums, die man inzwischen im Delikatessenhandel bekommt. Da kann man sich ruhig mal durchprobieren. Kennen sie die bequemste Rahmsauce? 

Wie geht die Zubereitung? 

Sie besteht aus einem Teil Sojasauce und fünf Teilen Vollrahm, die man kurz aufkocht. Einfach, aber effektvoll. 

Manchmal ist mehr Süsse gefragt. Was dann? 

Zucker ist nicht immer böse! Er kann, falls gewünscht, mit Agavendicksaft ersetzt werden. Oder mit dem zwar teuren, aber offenbar gesunden Birkenzucker. Auch Honig sorgt für Süsse, da muss man sich allerdings bewusst sein, dass der etwa 40-mal mehr Süsskraft hat als Zucker. 

Oft passiert es daheim, dass ein Gericht bitter schmeckt. Ist Süsse oder Salz das richtige Gegenmittel? 

Das Einzige, was hilft, ist Salz! Es funktioniert aber nur bei bitteren Zutaten wie Zitronenschale oder manchen Kräutern. Ist ein Gericht bitter, weil es verbrannt ist, kommt jede Hilfe zu spät.  

Markus Stöckle, 2023

Macht sich viele Gedanken und geht beim Abschmecken «den langen Weg»: Starchef Markus Stöckle.

Kommt Pfeffer immer erst am Schluss? 

Es kommt darauf an, was Sie kochen. Eine Pfeffersauce muss natürlich schon mit Pfeffer angesetzt werden. Ein Stück Fleisch pfeffert man am Ende, damit die Körner nicht verbrennen. Was ich jedenfalls finde: Eine einzelne Umdrehung mit der Mühle reicht nie, denn Pfeffer hat je nach Sorte viel Eigengeschmack. Er bringt sogar einen gewisse Süsse mit sich und macht Fettiges leichter. 

Sonstige Zutaten für das gewisse aromatische Extra? 

Ingwer und Knoblauch geben zugleich Tiefe und Frische. Grossartige, wie sie viel Herzhaftigkeit mit sich bringen – ich mag ja das Wort Umami ja nicht so gern.  

Gibt es Zubereitungen, die man keinesfalls nachwürzen sollte? 

Mir kommt da spontan nichts in den Sinn. Wenn man auf die Produkte eingeht, kann gezieltes Würzen nie schaden. Es ist wie in der Liebe und der Familie, sag ich mal im übertragenen Sinn. Wer gut zuhört, weiss am Geburtstag dann auch, was er schenken soll. 

 

>> Mit seiner neo-bayrischen Küche ist Markus Stöckle eine Ausnahmeerscheinung in der kulinarischen Schweiz. Im «Rosi» in Zürich hat er hierfür 17 Punkte und gehört zu GaultMillaus «Aufsteigern des Jahres 2024».

 

Fotos: David Künzler, Getty Images, David Biedert 

 


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