Text: Urs Heller I Fotos: Thomas Buchwalder

Auch Hochwürden mag den Chef. GaultMillau-Empfehlung für einen fantastischen Abend im Tessin? Im GPS «6874 Castel San Pietro» eingeben. Durch beängstigend enge Gässchen bis zur Kirche Sant’Eusebio (aus dem 17. Jahrhundert) fahren. Hochwürden ist auch «Cuntitt»-Fan: Er überlässt den Foodies die Parkplätze vor der Kirche. Gottes Segen hat Federico Palladino also, und den unseren kriegt er auch: Wir erhöhen auf sein Rating auf 16 Punkte.

Lugano 2022: CUNTITT:

Federico Palladino (l.) und sein Sous-Chef Christian Bosco.

Im Hühnerstall der Nachbarin. In der wunderschön renovierten Masseria Cuntitt (Osteria, Enoteca) gilt «kilometro zero». Das gelingt nicht immer, aber immer öfter. Das «Ovetto bio», das wir zur Begrüssung kriegen, stammt aus dem Hühnerstall der Nachbarin. Wir löffeln eine fantastische Kombination: Eigelb und Curry! Da wird der Kaviar auf dem Cracker zur Nebensache. Die Ravioli sind gefüllt mit langsam gegartem Fleisch vom Esel. Der «Asino» hat bis zum Schlachttermin auf einer Weide in Dorfnähe gewiehert. «Kilometro zero» gilt auch für die Weinkarte: Winzer aus dem «Mendrisiotto» (und alle Stars des Tessins) sind auf den ersten Seiten gelistet. Noch näher geht auch: Gastgeberin Nicole Palladino entkorkt junge Naturweine von der «Tenuta Villa Castello»; die ist nur 200 Meter vom «Cuntitt» entfernt.

Lugano 2022: CUNTITT:

Fine Dining in der Masseria! Osteria Enoteca Cuntitt in Mendrisiotto.

Sashimi. Von der Ricciola. Zum Start ein Frischepaket: Eine Ricciola (Bernsteinmakrele) wird zu Sashimi-Tranchen aufgeschnitten. Eine leicht süssliche Dashi (mit Nashi-Birne) gibt es dazu und ein Crumble von Reismehl. Tatar geht auch, von einem Tessiner Galloway-Rind, selbstverständlich mit dem Messer geschnitten. Wir zerlegen lieber die zarte Wachtel, die Chef Federico mit Honig vom nahen Valle di Muggio in eine höhere Liga lackiert. Périgord-Trüffel und Dreierlei von der Karotte gibt es dazu; knackig und roh gefallen uns die Rüebli besser als in der Variante Babybrei.

Krug-Rezept: Spaghettone der Extraklasse. Höhepunkt im «Menu Ticino Power»: Federico Palladino ist «Krug»-Ambassador, hat selbst den ultra-raren «171ième» im Angebot und muss dieses Jahr wie alle Markenbotschafter ein Gericht mit Zitrone anbieten. Seine Lösung: Spaghettone «Mancini Bio», zwölf Minuten gekocht, mit geräuchter Butter vom San Gottardo und vor allem mit verbrannter Amalfi-Zitrone in Pulverform. On top: Sashimi von der Goldbrasse (Orata), ein paar Minuten nur mariniert, von der dicken, al dente gekochten Pasta sanft gewärmt. Das einfach-geniale Rezept schafft es ins «Krug»-Buch der weltberühmten Chefs: «The zest is yet to come».

Die Preise? Foodie-freundlich! Keine Regel ohne Ausnahme: Für sein Hauptgang-Projekt Sommerreh fand der «Grandes Tables Suisse»-Chef in der Region keine passende Lösung, also kaufte er im Wallis ein. Das Capriolo war frech rosa gebraten und butterzart, die Eierschwämmli («finferli» heissen die im Tessin) harmonierten gut dazu. Immerhin passt der feine Kartoffelstock ins «Kilometro zero»-Konzept: Palladino brachte einen Bauern im Dorf dazu, die Lieblingssorte vieler Köche anzupflanzen: «La Ratte». Elegante Desserts, zuvorkommender Service. Foodie-freundliches Preis-/Leistungsverhältnis.

 

www.cuntitt.ch