Interview: Daniel Böniger

Sebastian Rösch, haben Sie Kindheitserinnerungen an Kartoffelstock?

Tatsächlich sehe ich meine Mutter noch vor mir, wie sie mit dem Handmixer im Topf Butterwürfel, Kartoffeln und warme Milch vermengt. In ihrem Kartoffelstock waren nie Klumpen. Es ist aber nicht die einzige Jugenderinnerung, was Kartoffeln angeht. Mein Vater war ja Bauer im Nebenerwerb, und wenn wir ernteten, dauerte das auch zu sechst oder siebt einen ganzen Tag. Sogar die allerkleinsten Knollen mussten wir auflesen – als Futterkartoffeln für die Schweine.

Was gab’s damals zum Kartoffelstock?

Schweinskotelett und Sauerkraut. Und darin waren dann oft noch Dosenananas-Stücke, wie sie bei uns in Nordbayern, wo ich aufgewachsen bin, in den Achtzigern noch beliebt waren. Auch Bratwürste passen gut zum Stock - Mama hat die Wurst-Pfanne nie ausgewaschen, sondern darin am nächsten Tag Bratkartoffeln zubereitet!

Welche Kartoffelsorte bevorzugen Sie?

Für zu Hause empfehle ich eine gute, mehlig kochende Sorte wie Bintje. Es ist für Küchenchefs in der Schweiz ja gar nicht leicht, gute Kartoffeln zu bekommen, weil Zweifel Chips und Mc Donald’s grosse Teile der Ernte kaufen. Wer es sich gönnen möchte, greift zu «Exoten» wie den Bergkartoffeln von Freddy Christandl, die sehr nussig schmecken. Oder zu Bamberger Hörnla, die fast so nussig sind wie Rattes. Übrigens ist jetzt die beste Zeit für Kartoffelstock - die Kartoffeln haben im Winter besonders viel Stärke, treiben aber noch nicht aus. Und den richtigen Appetit auf solche Speisen hat man jetzt auch.

Müssen sie so weich wie möglich gekocht werden?

Nein, sie sollen einfach von der Gabel fallen, wenn man hineinsticht. Von Freddy habe ich übrigens gelernt, dass man die Kartoffeln nach dem Kochvorgang, wie ein gutes Stück Fleisch, noch einen Moment lang im Wasser ruhen lassen soll – damit sich die Zellstruktur erholt.

Das Gerät Ihrer Wahl, wenn es ans Pürieren geht?

Wir benützen im Lindenhofkeller die flotte Lotte! Es darf aber auch ein Kartoffelstampfer sein. Wovon ich abrate, ist ein Stabmixer - da besteht die Gefahr, dass der Stock schleimig wird.

 

Rindsroulade

Hierzu serviert Starchef Rösch gerne Kartoffelstock: Rindsroulade.

Nun kommt Milch hinzu. Muss sie heiss sein?

Man bereitet den Kartoffelstock ja meist à la minute zu - und wenn er warm zu den Gästen soll, ist das sicher von Vorteil. Gerade, weil man die Butter oft ja nicht heiss macht.

Geht eigentlich auch Milchersatz?

Sollte jemand eine Laktoseallergie haben, schlage ich vor, dass er statt Butter und Milch ein Öl verwendet. Nussöl oder aromatisiertes Zitronenöl könnten geschmacklich spannend sein. Es reicht dann auch, die Kartoffeln einfach grob zu stampfen.

Neulich hat eine Kandidatin in «Swiss Dinner» Light-Kokosmilch statt Milch verwendet - offenbar schmecke man das kaum.

Ich assoziiere Kokosmilch eher mit Süsskartoffeln. Aber vielleicht ist das tatsächlich eine valable Variante für daheim.

Kommen Ihnen noch andere Spielarten des klassischen Kartoffelstocks in den Sinn?

In Bayern mischen wir Nussbutter, Creme fraîche und Kümmel unter die grob gestampften Kartoffeln. Diesen Kartoffelkäse streichen wir aufs Brot; er schmeckt aber auch gut zu Saiblingstatar.

Wie viel Butter muss in den Kartoffelstock?

Da muss man grosszügig sein. Ich finde, auf zwei Teile Kartoffeln darf es ruhig ein Teil Butter sein. Man ist dann schon sehr nahe dran am Halb-Halb von Joël Robuchons berühmten Pommes mousselines. Aber letztendlich ist das Geschmackssache!

 

Restaurant Lindenhofkeller, Zürich

Auf den Tellern geht's «währschafter» zu und her, als die moderne Einrichtung erahnen lässt: Lindenhofkeller, Zürich.

Und wie wird gewürzt?

Schon das Wasser, in dem die Kartoffeln gewürzt werden, soll gut gesalzen sein. Abschmecken würde ich mit Salz und Muskatnuss, die beide unter die Milch mische.

Peter Brunner, früherer Zürcher Küchenchef und Kolumnist, riet dazu, den Stock nach der Zubereitung bei 100 Grad im Ofen aufgehen zu lassen. Eine Möglichkeit?

Das kenne ich so nicht, aber es schadet dem Kartoffelstock sicher nicht. Wichtig scheint mir bei der von Brunner vorgeschlagenen Variante zu sein, dass man Ganze zudeckt, damit sich keine Haut auf dem Stock bildet.

Das «Seeli» ist Pflicht, oder?

Ehrlich gesagt, habe ich das «Seeli» erst in der Schweiz kennengelernt, in meiner Kindheit gab es das nicht. Ich finde diese Art des Anrichtens aber richtig süss und herzig!

 

>> Sebastian Rösch ist seit 2022 Küchenchef im Restaurant Lindenhofkeller in Zürich, er ist aktuell mit 16 Punkten ausgezeichnet. Zuvor hat sich der gebürtige Bayer im «Mesa», ebenfalls in der Limmatstadt, seinen guten Ruf erkocht; dort war er «Aufsteiger des Jahres 2021». Zu seinen weiteren Zürcher Stationen gehörten der «Rigiblick» (unter Dennis Puchert und Christian Nickel) und das «Sankt Meinrad» (mit Tobi Buholzer). Ausserdem hat Rösch bei Rolf Fliegauf im «Ecco» in Ascona/St. Moritz und bei Joachim Wissler im «Vendôme» in Bensberg (D) gearbeitet.

>> www.lindenhofkeller.com

Fotos: Lukas Lienhard, Getty Images