Text: Urs Heller

Geniale Züge, grenzenloser Fleiss. 18 Punkte im «Eden Roc» Ascona. 18 Punkte im «Tschuggen» Arosa. Zwei Sterne in beiden Restaurants. «Aufsteiger des Jahres 2023» bei GaultMillau. Ist Marco Campanella ein kleines Genie? Natürlich tragen einige seiner Kreationen und Kombinationen geniale Züge. Aber das ist nur die halbe Wahrheit. Sein beeindruckender Erfolg beruht auf grenzenlosem Fleiss. Auf endlosen Reduktionen. Und auf Teamwork: «Meine Jungs und ich sind seit Jahren zusammen. Sie bringen ihre Ideen ein, arbeiten hart.» Chef Marco legt täglich zwei beeindruckende Menüs auf: Einmal Fleisch & Fisch, einmal 100% vegan; «Moving Mountains» heisst das in der Tschuggen-Collection. Campanella gehört zu den jungen Köchen mit dem höchsten Marktwert; ein kulinarischer «Blue Chip» gewissermassen. Next Superstar?

Hotel Restaurant: Eden Roc, La Brezza/Restaurant Eden Roc/Marina / La Casetta

Campanellas Revier im Sommer: Eden Roc, Ascona. 

Tschuggen Grand Hotel, Arosa, Mountain Lofts

Campanellas Revier im Winter: Tschuggen Grand Hotel, Arosa.

«Snacks» zum Start. Eine ganze Tischplatte voll. Liebevoll präsentiert von Nicole Schneider, Campanellas Frau an der Front. «Fingerfood Collection» nennt sie die kleinen Kunstwerke, also greifen wir mit den Fingern zu: Nori-Algen-Taco, gefüllt mit Scampi, Passionsfrucht, Joghurt & Erdnuss. Tartelette mit Saiblingstatar, Saiblingskaviar, Avocado-Espuma & Sauerklee. Gebratenes Sepia-Brötchen gefüllt mit Baccalà. Radieschen mit spicy Mayonnaise. Und etwas unerwartet im «grünen» Fünfsterne-Palast: Ein Ochsenmaulsalat, mit fantastischer Jalapeño-Mayo und frittierten Algen. Das eigentliche Amuse-bouche ist zu 100% vegan: Eine explosive Kopfsalat-Sphäre, Tatar von geschmortem Kohlrabi, gefrorene Minzperlen. Toll im Geschmack, ganz grosse Küchentechnik.

 

Scampo. Und die Köpfe vom Gambero rosso. Rein ins Menü «Ispirazione». «Manzo di Ennetbürgen». Holzen-Rind, Rande, Sauerampfer. In Coca-Cola (!) eingelegter Aal. Dann bereits der Höhepunkt des Abends: Scampo by Marco, mit Rettichsalat, Erbsen in drei Varianten. «Das Alte Miso» von Patrick Marxer setzt einen wunderbaren Akzent, der PX-Essig ebenfalls, und ganz genial ist die weisse Sauce, angesetzt mit Karkassen und Knochen von Scampi und Poulet. «Fast wie in Thailand», sagt Campanella ganz cool, «die Pouletschenkel steuern die Süsse bei.» Das ist noch längst nicht alles: Ein Gambero Rosso wird als Fingerfood dazu serviert, mit den frittierten, knackigen Füsschen. Und die Gambero-Köpfe? Werden bei der Zubereitung der intensiven Bisque verwendet. Gambero von Kopf bis Fuss gewissermassen.

Petersilien-Ravioli mit Pecorino Romano-Füllung und Erbsensud

Ravioli sind immer im Menü. Variante Grün: Petersilien-Ravioli mit Pecorino Romano-Füllung, Erbsensud. 

Ravioli fehlt nie in einem Campanella-Menü. Diesmal sind sie gefüllt mit Pecorino drin. Auf den elegant geformten grünen Teigtaschen Barba di Frate und eine Sambuca-Blüte, vom freundlichen Kellner persönlich gepflückt. Bärlauch sorgt bei der Beurre blanc für den saisonalen Extrakick. Campanellas Extrakick? Öfter mal ein Griff in die Zitrusfrüchte-Kiste. Beim schwarzen Seehecht aus Spanien («Nasello») mit Spargel setzt Amalfi-Zitrone den wuchtigen Frische-Akzent. Im Finale Sisteron-Lamm von Hoflieferant Alfred von Escher, den Rücken gebraten, den Bauch von allzu viel Fett befreit und mariniert, Knochenmark-Würfel in der klassischen Rotwein-Sauce, eine kräftige Morchel auf einer dünnen Polenta-Scheibe. Drei Tage arbeitet die Brigade an diesem Hauptgang.

Der «Blumenkohl des Jahres». Natürlich mussten auch zwei Gänge aus dem «Moving Mountain»-Menü sein. Weisse Spargeln, geliefert von Caspar Ruetz mit Dragoncello (Estragon) und einer aufregenden Zitronen-Hollandaise. Und den «Blumenkohl des Jahres», als Couscous serviert in einer tiefen weissen Schale. Das «Upgrading» hier: Geriebene Mandeln, Quinoa, Blumenkohl-Tempura, gepickelter Blumenkohl, Mandel-Miso von «Das Pure», Schnittlauch-Öl und das Campanella-Frischepaket: Zitronenabrieb, Salzzitrone.

 

Desserts & Co.: Livia übernimmt. Wechsel auf dem Pâtissier-Posten: «Weltmeister» Pietro Leanza eröffnete in Brissago seinen eigenen Betrieb («La Bottega del Gusto») und steht jetzt im Sold der «Seven»-Gruppe. Die junge Luzernerin Livia Bucheli («Igniv» St. Moritz, «Castello del Sole» Ascona) ist seine talentierte Nachfolgerin, rührt fürs Pré-Dessert am Tisch im Stickstoff, veredelt die Rhabarber (Joghurt vom Gotthard, Rooibuschtee) und verabschiedet sich mit fünf feinen «Petit Fours»; den ofenwarmen Berliner, gefüllt mit Giandujacrème, mochten wir ganz besonders.

 

www.tschuggencollection.ch

 

Fotos: Urs Homberger, Olivia Pulver, Thomas Buchwalder, Pascal Grob, HO