Erster Starchef der Geschichte. Es geht um feinste Patisserie, Intrigen und Affären auf höchster Ebene in den adligen Häusern von Paris und unter einflussreichen Amtsträgern zur Zeit des Ersten Konsuls Napoleon Bonaparte. In Frankreich oder vielmehr Paris um 1805 spielt die neuen Serie auf Apple TV, im Zentrum steht aber nicht ein Herrscher, sondern ein Koch: Es geht um Marie-Antoine Carême (1784 –1833), der auch als erster Starchef der Geschichte bezeichnet werden kann. Carême ist als Konditor ebenso wie begabt wie als Koch, er entwickelt etwa ein Dessert in Pyramidenform aus Schokolade, die ihn aus der bekannten Pariser Konditorei Bailly in die Küchen der Mächtigen katapultiert, wo er mal als Spion, mal als genialer Erfinder von Gerichten fur Furore sorgt.
Starke Frauen in der Küche: Marie-Antoine Carême (Benjamin Voisin) mit seiner Sous-Chefin Agathe (Alice Da Luz).
Die Erfindung eines legendären Gerichts: Königinnen-Pastete (Vol-au-Vent).
Rockstar zwischen Kupferpfannen. «Carême» ist ein temporeiches historisches Spektakel mit einem wahren kulinarischen Kern, wobei der junge gutaussehende Koch und Konditor mit den wilden Haarschnitt bewusst mit Rockstar-Attitüde inszeniert wird. Dies entspricht eher der heutigen Wahrnehmung von Köchen als jener zu Zeit von Napoleon, auch wenn Carême (gespielt von Benjamin Voisin) als «Koch der Könige» auch in seiner Zeit sicher ein hohes Ansehen genossen hat. In stimmungsvollen Bildern, zwischen Kufpferpfannen an gusseisernen Herden in Küchen mit offenem Feuer und grossen Brigaden entwickelt Carême in der Serie beispielsweise die Vol-au-Vent (Königin-Pastete), gefüllt mit durch eine Sauce gebundene Zutaten wie Artischocken. Tatsächlich wird dem Koch dieses Gericht zugeschrieben, es ist aber vermutlich historisch so wenig präzise, wie viele andere Details der TV-Show, in der aus dramaturgischen Gründen teilweise dick aufgetragen wird. So ist es eher unwahrscheinlich, dass eine gutaussehende, junge farbige Frau zu dieser Zeit als Sous-Chefin verpflichtet worden wäre. Dass sie dann bei Stellenantritt in der Küche von Marie-Antoine Carême auch gleich noch gleichwertige Bezahlung wie männliche Kollegen fordert, ist immerhin eine gute Pointe.
Genialer Konditor und Koch: Carême bei seiner Arbeit in der Konditorei Bailly in Paris.
Hoher Unterhaltungswert. Die dramaturgischen Ungenauigkeiten oder Übertreibungen ändern allerdings nichts am hohen Unterhaltungswert der Serie, die auf dem Buch «Cooking for Kings: The Life of Antonin Carême – The First Celebrity Chef» des amerikanischen Autors Jan Kelly beruht, und durch ihre Mischung aus historischem Drama mit prägenden Persönlichkeiten jener Zeit und bildgewaltigem kulinarischem Epos unterhaltsame Stunden garantiert.
Eine Erfolgsgeschichte mit Abgründen: Jamie Oliver in «Chef's Table Legends».
«Chef's Table Legends.» Schöne Bilder gibt es mit Garantie auch in der Netflix-Serie «Chef’s Table» zu sehen. Der Produzent und Regisseur David Gelb hat mit «Jiro Dreams of Sushi» (2011) und danach mit «Chef’s Table» (ab 2015) die Art und Weise geprägt, wie kulinarische Inhalte und Essen in bewegten Bildern heute dargestellt werden. Die neuesten Episoden widmen sich Legenden der Küche. Erzählt werden die Lebensgeschichten des Briten Jamie Oliver, des in den USA lebenden Spaniers José Andres sowie der beiden Amerikaner Thomas Keller und Alice Waters.
Einer der vielen Signature Dishes von Thomas Keller: «Coffee and Donuts» in der «French Laundry» in Yountville.
Oliver, Andres, Keller, Waters. Interessant daran ist, dass die vier Protagonisten für sehr verschiedene Phänomene der vielfältigen Welt des Essen stehen und so immer auch eine übergeordnete Bedeutung haben. Jamie Oliver ist so etwas wie der erste Popstar in jüngerer Zeit und hat viel für die Popularisierung des Kochens in seiner Heimat getan, die nicht traditionell mich hochstehenden Gerichten assoziiert wird. José Andres hat nicht nur den Geist von «El Bulli» nach Washington gebracht, sondern zeigt mit seinem Hilfswerk «World Central Kitchen» auch, dass Köchen auch sozialpolitisch Einfluss nehmen können. Thomas Keller wiederum hat wie kein anderer Amerikaner das Fine Dining nach französischem Vorbild in den USA geprägt, seine beiden Drei-Sterne-Restaurants «The French Laundry» im Napa Valley und «Per Se» in New York sind längst Institutionen. Schliesslich wird in der vierten Folge der Staffel die Geschichte von Alice Waters erzählt, die 1971 mit dem «Chez Panisse» in Berkeley (Kalifornien) eine wichtige Rolle in der Farm-to-Table-Bewegung gespielt hat, die heute so aktuell ist wie nie. Auch für die siebte Staffel von «Chef’s Table» gilt, dass nirgendwo die Kombination aus interessanten Biografien und gutem Essen ästhetischer dargestellt wird als in dieser Netflix-Show.
>> «Carême»: auf Apple TV
>> «Chef's Table Legends»: auf Netflix
Fotos: Handout