Zerstörtes Lebenswerk. Es kommt vor, dass im GaultMillau das eine oder andere Restaurant rausfällt. Nach einem Chefwechsel, oder wenn die Leistung der Küche zu wünschen übrig liess. Auch das «Nest- und Bietschhorn», zuletzt mit 15 Punkten bewertet, wird in der nächsten Ausgabe des gelben Buchs fehlen – aus ganz anderem Grund: Das Restaurant stand im Weiler Ried im Lötschental VS, nahe bei Blatten. Und wurde am 28. Mai in nur wenigen Augenblicken wie viele Häuser von rund neun Millionen Tonnen Gestein, Schutt und Eis begraben. Wie gehen Gastgeberin Esther Bellwald und ihr Mann, Küchenchef Laurent Hubert, damit um, dass ihr Lebenswerk zerstört worden ist?
Tröstende «Gastfreundschaften». Seit 2011 hatte das Ehepaar den Familienbetrieb geführt. 2017 haben sie ihn ihren Eltern abgekauft, später baulich erweitert: «Ein kleines Paradies mitsamt vieler Lebensträume und Kindheitserinnerungen wurde weggefegt, unser Daheim», sagt Esther Bellwald. Sie berichtet vom engen Kontakt, den sie in diesen schwierigen Zeiten mit ihren Mitarbeitern pflegt: «Wir sehen uns da weiterhin in der Verantwortung.» Die Gastgeberin berichtet auch von der Kundschaft, die sich mit solidarischen Worten gemeldet habe. Was zugleich tröstlich und schmerzvoll gewesen sei. Auf der Homepage des Restaurants steht aktuell: «Ihnen, liebe Gäste, danken wir für Ihre langjährigen Gastfreundschaften und Erinnerungen.»
Das Restaurant Nest- und Bietschhorn: Hier wurden Gastfreundschaften gepflegt.
Von dieser Idylle ist nichts übrig geblieben: das Hotel im Weiler Ried im Lötschental.
Traum erfüllt: Brot- und Patisseriekurs. Die Zukunft bleibt für die ehemaligen Betreiber des Punkterestaurants offen und ungewiss. Immerhin zeigen sich rund zwei Monate nach dem Unglück kleine Lichtblicke. Ende Juni zum Beispiel hat Laurent Huber einen Kurs zum Thema «Pain et Viennoiseries» an der renommierten Ecole Lenotre in Paris absolviert. «Ein lang gehegter Traum, der sich jetzt so kurzfristig verwirklichen liess», meint der Koch aus Leidenschaft. Wie hat er sich nur wenige Tage nach nach dem Bergsturz gegenüber dem «Walliser Bote» ausgedrückt? «Esther kann viel und ist in allem gut – ich kann nur kochen.»
Reise in den Norden – und dann weitergehen. Zurzeit, dies eine weitere positive Nachricht, reist das Paar mitsamt ihren zwei Kindern mit einem Campingbus in den Norden Europas: «Wir freuen uns darauf», sagt Bellwald vor der Reise, die Distanz zu den Geschehnissen schaffen soll. «Danach werden wir uns wieder unserer neuen Realität annähern und Schritt für Schritt weitergehen.» Man kann der ganzen Familie dabei nur Glück und Kraft wünschen.
Fotos: Andrea Soltermann, Kurt Reichenbach