Text: David Schnapp | Fotos: Salvatore Vinci

Von Xinjing an die Uraniastrasse. Es liegt noch die aufregende Spannung des Neuen, noch Unbekannten in der Luft bei unserem ersten Besuch im augenfällig stilvoll eingerichteten und möblierten Lokal an der Uraniastrasse. Gegenüber dem Warenhaus Jelmoli ist die Adresse zu finden, an der für Yifei Li Ledermann aus Changji (Xinjiang) im Nordwesten Chinas ein Traum in Erfüllung geht. Im Restaurant «An» bringt die 31-Jährige kulinarische Ideen und Rezepte aus ihrer Heimat ein, ergänzt von einem verlässlichen Gespür für die Gestaltung von Räumen und unter tatkräftiger Mithilfe eines prominenten Schweizer Starchefs.

Restaurant AN Zürich

Zürich-City: das Restaurant «AN» gegenüber dem Warenhaus Jelmoli.

Restaurant ANRäume untenFotografiert am 09.11.2023

Fensterplatz: Einrichtung mit Sinn für Mode und Design.

«An» bedeutet ruhig. Gekleidet in eine edel wirkende dunkelblaue Kochjacke sorgt Marcus Lindner für die Umsetzung der Ideen seiner Chefin, und ergänzt sie gleichzeitig um seine eigenen und seiner Vorstellung eines europäisch geprägten Stils des guten Essens. Im «An» wird zunächst mit «Casual Fine Dining» gestartet, im Dezember soll dann an einigen wenigen Tischen im Obergeschoss das Angebot um hochstehendes Fine Dining ergänzt werden, dort will Lindner dann wieder an seine 18-Punkte-Küche im «Mesa» oder im «The Alpina Gstaad» anknüpfen. «An», der Name des neuen Restaurants, ist übrigens der Spitzname von Yifei Ledermann, «er bedeutet so viel wie ‹ruhig›», erklärt sie mit einem Lächeln.

Restaurant ANChef Marcus G. LindnerFotografiert am 09.11.2023

Qualität und Konstanz: Marcus Lindner ist das kulinarische Gewissen des neuen Restaurant-Projekts.

Erstaunliche Karriere. Die junge Frau hat bereits einen erstaunlichen Weg hinter sich. Nach einer Spitzenplatzierung beim «Asian Super Model Contest» startete sie als erst 19-Jährige eine internationale Karriere als Model in New York, später absolvierte sie ein Marketing-Studium und erwarb in Mailand einen Master im Thema Luxusgüter. Im Swiss Deluxe Hotel Palace in Gstaad entdeckte sie ihr Interesse – und Talent – für «Hospitality», wie man im internationalen Kontext sagt: «Ich bin gerne Gastgeberin und mag es, für eine gute Atmosphäre zu sorgen.» Yifei machte 2020 ein erstes Praktikum im «Palace», gefolgt von Stationen im Hotel La Réserve und Restaurant Saltz («The Dolder Grand») in Zürich sowie einem Nachdiplom-Studiengang an der renommierten Hotelfachschule EHL in Lausanne.

Restaurant ANGericht: Dumplings: «Taro Puff» mit Iberico-Füllung und Schwarzem Trüffel/«Siu Mai» mit Roter Garnele; Sauce mit Sesamöl, Chili und chinesischem EssigFotografiert am 09.11.2023

Kunst der Dumplings: knusprige «Taro Puff» mit Iberico-Füllung und schwarzem Trüffel.

Restaurant ANGeschäftführerin Frau YifeiFotografiert am 09.11.2023

«Ich bin gerne Gastgeberin»: Geschäftsführerin Yifei Li Ledermann.

Restaurant ANFine dining  Raum im 1 StockFotografiert am 09.11.2023

Ab Dezember: im ersten Stock des «An» ist Fine Dining geplant.

Dumplings wie zu Hause. Im «An» ist schon in den ersten Tagen zu spüren, dass hier jemand mit hohen Ansprüchen an sich selbst zu Werke geht. Yifei Ledermann sagt, sie sei sehr hart mit sich selbst: «Wenn ich Teller nicht perfekt servieren kann, wie soll ich das von jemand anderem verlangen?» Und für das kulinarische Programm in ihrem ersten eigenen Restaurant hat die junge Frau ebenfalls konkrete Ideen: Einer der Schwerpunkte sind Dumplings, gefüllte Teigtaschen verschiedener Arten und Macharten. «Ich bin ziemlich gross, meine Mutter hat deshalb immer darauf geachtet, dass ich gut und gesund esse. Und ihre Dumplings habe ich immer geliebt», sagt Yifei. 

«Ich fange gern unter null an.» Für den gebürtigen Österreicher Marcus Lindner, der in der Schweiz längst eine feste Grösse ist, kam die neue Herausforderung in Zürich nach einigen, nicht durchwegs glücklichen Engagements zum idealen Zeitpunkt: «Ich bin jetzt 61 Jahre alt und hatte bisher ein extrem spannendes Berufsleben», sagt Lindner. Dass er in den letzten Jahren viele Wechsel hinter sich hat, beunruhigt ihn aber nicht. «Ich fange gern bei null oder sogar unter null wieder an. Und ich arbeite extrem gern mit jungen Leuten zusammen. Das hält mich selber jung», erklärt Lindner seine Motivation, auch kurz vor dem Erreichen des Pensionsalters nochmals völlig neu anzufangen. «Ich wollte die Herausforderung annehmen und Wege finden, wie man ein modernes europäisches Fine Dining mit asiatischen Aromen etablieren kann», sagt er.

Restaurant ANBarFotografiert am 09.11.2023

Eleganz in jedem Detail: Bar im Restaurant «An».

Studienreise nach China. In China hat Lindner auf einer zweiwöchigen Studienreise zusammen mit seiner Chefin genau geschaut, wie man Dumplings – auch im grösseren Massstab – herstellt. Maschinen wurden eingekauft und Rezepte entwickelt, die teilweise von Yifeis Mutter stammen. Die Sauce aus gerösteten Chiliflocken, Sesamöl und Essig beispielsweise, die zu den Dumplings serviert wird, wird genau so zubereitet wie früher zu Hause bei den Lis. «Die Familienrezepte sind die Grundlage für vieles, was wir hier machen. Das ‹An› ist Yifeis Baby, ich sehe mich als kulinarischer Patenonkel, der seine Erfahrung einbringt. Aber die Grundlage einer solchen Zusammenarbeit ist natürlich, dass wir uns gut verstehen», sagt Marcus Lindner.

Restaurant ANGericht: Steinbutter in Nussbutter gebraten, Pfufferlinge, Wirsing mit Yuzu-Kosho, Erdnuss Beurre BlancFotografiert am 09.11.2023

Klassische Produkte, asiatische Nuancen: Steinbutt, Pfifferlinge, Wirsing mit Yuzu-Kosho und Erdnuss-Beurre-Blanc.

Steinbutt, Ente, Red Snapper. Zusammen mit seinem Küchenchef Ruben Bader (früher «Das Morgen», Vitznau) hat Lindner Gerichte für die Casual-Karte im «An» entwickelt, mit denen Produkte der gehobenen europäischen Küche nahtlos-elegant mit asiatischen, beziehungsweise chinesischen Aromen zusammengeführt werden: Zum in Nussbutter gebratenen Steinbutt gibt es Pfifferlinge, Wirsing mit Yuzu-Kosho und Erdnuss-Beurre-Blanc; roher Red Snapper wird mit Mandarinenöl mariniert, dazu gibt es Sauerampfer, Mandarinen-Segmente und -Sauce sowie knusprige Reis-Pops; und die perfekt medium-rare zubereitete Entenbrust wird mit Chinakohl, Entenjus und Hoisin-Sauce sowie grünen Bohnen mit Fleisch von der geschmorten Entenkeule kombiniert. 

Restaurant ANGericht: Roher Red Snaper mit Mandarinenöl mariniert, Sauerampfer, Mandarinen-Segmente, -Sauce und knusprige Reis-PopsFotografiert am 09.11.2023

Vorspeise: roher Red Snaper mit Mandarinen-Öl, Sauerampfer, Mandarinen-Segmente und -Sauce.

Restaurant ANGericht: Ente, Chinakohl, Hoisin-Sauce Entenjs, geschmorte Keule, grüne BohnenFotografiert am 09.11.2023

Hauptgang: gebratene Entenbrust mit Entenjus und Hoisin-Sauce sowie Chinakohl, grünen Bohnen und Schenkel-Ragout.

Restaurant ANGericht: Zwetschgenkompott, weiße Schokoladencreme, Zwetschgen-Randensauce, karamellisierte weiße Schokolade, Zwetschgen-Joghurt-Eis, Macadamiaöl, Gelée mit ShisobiFotografiert am 09.11.2023

Dessert: Zwetschgenkompott, weisse Schokoladencreme, Zwetschgen-Randensauce mit Shiso und Zwetschgen-Joghurt-Eis.

Vielversprechende Rückkehr. Die Erfahrung habe ihn gelehrt, dass es nicht immer darum gehe, etwas unglaublich Kreatives zu machen, sagt Marcus Lindner: «Oft ist Qualität das wichtigste Thema und das Schwierigste ist ohnehin, konstant zu bleiben», findet der Starchef. Seine Rückkehr nach Zürich jedenfalls hat vielversprechend begonnen. Wenn der erfahrene Koch und seine junge Chefin sich weiterhin so gut verstehen, sind das ausgezeichnete Nachrichten für die Restaurant-Szene der Stadt Zürich.

>> Restaurant An
Uraniastrasse 20
8001 Zürich
www.an-restaurant.com