Fotos: Elena Steness

Lernen und lachen. «Ich verlange viel von meinem Team, der Druck in unserem Beruf ist sowieso hoch, jeden Tag», sagt Marco Ortolani, Executive Chef vom «La Réserve Eden au Lac» in Zürich. Er weiss, wovon der redet, steht er doch täglich am riesigen Molteni-Herd des mit 16 Punkten gekürten «Eden Kitchen & Bar» und huldigt da der italienischen Küche und den kulinarischen Traditionen seiner Heimat. «Also möchte ich meinem tollen Team auch etwas zurückgeben, mit Ausflügen zu unseren Produzenten. Bei diesen Besuchen lernen wir alle etwas über gute und echte Produkte. Und Spass haben wir auch!», meint der grossgewachsene Chef, und unter dem markanten Bartschmuck blitzt sein ansteckendes Lachen hervor. «Es sind 45 Produzenten, die das «Eden Kitchen & Bar» und das «La Muña» auf dem Rooftop des Hotels La Réserve direkt beliefern. Mein Ziel ist es, alle persönlich kennenzulernen und zu besuchen. Bisher habe ich das etwa zur Hälfte geschafft.» Ortolani ist bei «Michel Reybier Hospitality» ein Star und Pacemaker, coacht auch die jungen Köche dieser Luxusgruppe. 

Marco Ortolani in Abruzzo, Italien  Pastamanufaktur und Tomatenbauern in Abruzzen

Die Abruzzen sind geprägt vom Rebhügeln, Oliven und Wald.

Marco Ortolani in Abruzzo, Italien  Pastamanufaktur und Tomatenbauern in Abruzzen

Im Ristorante Don Federico Moscufo macht die Nonna die Pasta, der Sugo kommt von Belfiore.

Tomaten und Olivenbauern Agenzia Agricola Belfiore in Loreto Aprutino Marco Ortolani und sein Team in Abruzzo, Italien  Pastamanufaktur und Tomatenbauern in Abruzzen

Auto-Fan Marco Ortolani muss den Lamborghini-Traktor bei Belfiore röhren lassen.

Paste e Pomodori. Diesmal stand fürs Team Ortolani ein Trip in die Abruzzen auf dem Programm, quasi zu der Basis: Pasta e Pomodori. Mit auf der dreitägigen Reise waren wie immer Ortolanis Souschef Marco Lacerenza, sein best buddy Luca Maffioli, einst Jurist, heute Souschef im «Adula» in Flims. Die Rookies auf dem Trip: Lorenzo Pessina, der junge Entremetier im «La Réserve» und Alessandro Frosali, der im «La Muña» sein erstes Schweizer Engagement bekommen hat. Die beiden Jungspunde fühlten sich sichtlich geehrt, auf dem Trip dabei zu sein. Und der begann nach einem frühen Flug nach Rom und dem Transfer ins Abruzzen-Dorf Loreto Abrutino ganz typisch – mit einem ausufernd langen Mittagessen.

Pasta della Nonna in der Dorfbeiz. In der Dorfbeiz, dem Familienbetrieb von Don Federico Moscufo, kam das volle Programm auf den Tisch: Antipasti, Pasta della Nonna, Primi, Secondi (eine mächtige Platte voller Grillfleisch und Würste), danach Dolci, Cafè e Digestivo. Die Gastgeber wollen dem berühmten Starchef aus der Schweiz alles und das Beste auftischen. Das Gelage sollte sich abends und am folgenden Tag mittags und abends wiederholen. Viel Zeit für Gespräche und Genuss, «wesentliche Teile unserer Ausflüge!», betont Ortolani. Dann bittet er seine Freunde auf den Parkplatz, wo ein VW-Bus und ein schicker Alfa Romeo zur Abfahrt bereitstehen. Autofan Ortolani übernimmt das Steuer im Alfa, die rasante Fahrt geht durch die ländlichen Abruzzen. Die hitzeflirrende Landschaft ist geprägt von Weinbar, Oliven, Käffern und Wäldern, aus dem Lautsprecher tönt passend «Viva l’Italia», die inoffizielle Hymne von Francesco De Gregori. Die Köpfe der Mitfahrer nicken zustimmend – oder auch nur aus Schläfrigkeit?

Francesca Petrei Castelli, die Geschäftsführerin und Marco Ortolani in Abruzzo, Italien  Pastamanufaktur und Tomatenbauern in Abruzzen

Francesca Petrei Castelli hatte Marco Ortolani schon seit Jahren in ihre Pasta-Manufaktur Verrigni eingeladen – endlich hats geklappt.

Marco Ortolani in Abruzzo, Italien  Pastamanufaktur und Tomatenbauern in Abruzzen

Das Geheimnis von Verrigni-Pasta liegt an der sorgfältigen Verarbeitung des Bio-Hartweizens und der langsamen Trocknung der Nudeln.

Die Goldnudeln von Francesca. Der erste Besuch gilt der Pasta-Manufaktur Verrigni in Roseto degli Abruzzi. Marco Ortolani kennt und schätzt die Teigwaren seit seinen Engagements in London, im «Dorchester» bei Alain Ducasse und dem elitären Club Penati an der Hertford Street. In diesen Top-Betrieben in London sei damals alles von bester Qualität gewesen, besser als in Italien, wo Ortolani einst seine Lehre absolvierte – nach einer Karriere bei der Armee, bei den Gebirgsjägern. In der kleinen Manufaktur wartet Francesca Petrei Castelli, die Geschäftsführerin, gespannt auf ihren prominenten Kunden. «Seit Jahren lade ich Marco ein – jetzt ist er endlich gekommen», freut sich die resolute Signora. Die Marke wurde 1898 gegründet, seit 2008 führt Francesca die kleine Manufaktur mit gut einem Dutzend Angestellten. Verarbeitet wird nur Bio- und Demeter-Hartweizen von ihrem eigenen Gutshof mit 112 Hektaren und dem Betrieb ihrer Partners Francesco Paolo Valentini, ein Landwirt und Winzer. Für die rote Linie von Verrigni kommt Getreide aus Puglia zum Einsatz. Für die goldene Linie stellt Verrigni rund 70 Formen Pasta her, elf davon mit exklusiven goldbezogenen Formen, durch die die Teigmasse gedrückt wird. Die Reibung ist geringer als bei Bronzeformen. So entsteht eine porösere Aussenfläche, an der die Saucen besser haften. In der Produktionshalle stehen mächtige, alte Maschinen, alles reine Mechanik. Zu sehen ist nicht sehr viel, aber es riecht fein nach Getreide!

Rigatoni mit Raucharoma. In der Trocknungsanlage nebenan herrscht eine Hitze wie im Backofen und hohe Luftfeuchtigkeit. Marco Ortolani lobt die Farbe der Nudeln. «Sie müssen die Farbe des Korns haben, dürfen nicht zu gelb sein.» Neu im Sortiment sind Spaghetti und Rigatoni mit Raucharoma. Die will Ortolani ausprobieren. Verrigni-Pasta führt er seit Anfang an auf der «La Réserve»-Karte. Und bei der Verrigni-Chefin hat er live erlebt, was er bei seinen Mitarbeitern höher wertet als Noten und Zeugnisse: «Power, Passion, Positivity!» Abends hat Francesca den Starchef und seine Entourage dann auf ihrem Landgut bewirtet, wieder das volle Programm. «Mangiate cari!»

Tomaten und Olivenbauern Agenzia Agricola Belfiore in Loreto Aprutino Marco Ortolani und sein Team in Abruzzo, Italien  Pastamanufaktur und Tomatenbauern in Abruzzen

500 Kilo vollreife Tomaten werden auf den Feldern von Belfiore sommers täglich handgepflückt. 

Tomaten und Olivenbauern Agenzia Agricola Belfiore in Loreto Aprutino Marco Ortolani und sein Team in Abruzzo, Italien  Pastamanufaktur und Tomatenbauern in Abruzzen

Die Tomaten werden am Folgetag verkocht, das erspart die Zugabe von Konservierungsmitteln.

Marco Ortolani in Abruzzo, Italien  Pastamanufaktur und Tomatenbauern in Abruzzen

Die Tomaten-Passata wird in Flaschen dreier Grössen abgefüllt, die Gebinde nochmals sterilisiert. 

Der Sugo zur Pasta. Am nächsten frühen Morgen stand der Besuch bei der Agenzia Agricola Belfiore in Loreto Aprutino auf dem Plan. Die Familie widmet sich seit 1851 und heute in fünfter Generation dem Anbau von Tomaten, Bohnen, Oliven und Wein. Marco Ortolani lässt sich seit langem Tomaten-Passata liefern, als Grundlage für Sugo. Die Passata-Flaschen kommen einmal im Monat per Lieferwagen nach Zürich, zusammen mit der Pasta von Verrigni. Familie Belfiore erntet täglich von Mitte Juni bis Ende September um die 500 Kilo vollreifer Tomaten, die am folgenden Tag eingekocht und in Flaschen gefüllt werden. Durch die schnelle Verarbeitung wird eine Zugabe von Konservierungsstoffen überflüssig – das Geheimnis des reinen Geschmackes.

Der Dorfpfarrer als Erntehelfer. Geerntet wird frühmorgens, auf dem Feld stehen die Tomatenstauden mannshoch in Reih und Glied, vier Sorten. Mittags sind die Erntehelfer fertig mit ihrem strengen Handwerk, es wird zu heiss. Einer der Helfer ist der Dorfpfarrer Don Cesare, der für Gotteslohn und ein paar Tomaten arbeitet, ebenso der Rentner Renato. Heute freuen sich die Helfer, von Chef Marco und seinem Team bekocht zu werden. In einer kleinen Küche bereiten das Team Ortolani allerlei Salate vor, Gastgeber Fabio heizt auf zwei langen schmalen Grills mächtig ein. Erst will er aber den hohen Schweizer Gästen seine Reben, die neu gepflanzten Olivenbäume und die Steinpresse zeigen. Und den antiken Lamborghini-Traktor, der lärmt und raucht wie eine Formel-1-Bolide. Die Jungs posieren für Selfies, lassen es krachen, dann geht’s zu Tisch. Man sitzt stundenlang, diskutiert und schlemmt. Marco Ortolani erzählt aus dem Nähkästchen: «Ich habe in der Ära Bocuse das Handwerk gelernt. Wir schauten alle auf zum grossen Meister. Bocuse meinte damals, wenn die italienischen Chefs erst mal ihre Produkte entdecken, dann schlagen sie uns Franzosen!» Auch darauf ein Viva l’Italia und noch eine Flasche vom Vino di Contadino, Belfiores Hausmarke!

www.lareserve-zurich.com