Text: Urs Heller I Fotos: Thomas Buchwalder
«Badalucci. A Taste of Art». So heisst eines der besten Restaurants in Lugano. Marco Badalucci ist ein hervorragender Koch. Aber muss es wirklich «A Taste of Art» sein? Ehrlich gesagt: Das tönt ein wenig gestelzt, setzt den Chef unnötig unter Druck. Eine Prise Unbekümmertheit und Lockerheit hat einem Koch noch nie geschadet, in südlichen Sphären ohnehin nicht. Allerdings: Badalucci beherrscht den Tanz auf dem ziemlich hohen Seil sehr gut, serviert einen aufregenden Gang nach dem anderen. Also wollen wir ihm den ersehnten 16. Punkt auch nicht länger vorenthalten. Zusammen mit unserem Partner Mercedes-Benz zeichnen wir ihn als «Koch des Monats» aus.
Kalte Spaghetti. Mit Kaviar. Beispiele für die wilde Badalucci-Küche gefällig? Der Chef überrascht uns mit einer Artischocken-Version «100 Prozent no waste». Kein leeres Versprechen: Aus verbrannten Blättern entsteht ein sanfter Saft, der «den Gaumen reinigen soll». Die Hälfte der Artischocke gibt es frech grilliert, die andere klassisch zubereitet. Aus allen anderen Abschnitten entsteht ein Artischocken-Gel. Muss ihm erst einer nachmachen! Einfach nur Spaghetti geht bei «Taste of Art» natürlich nicht. Badalucci setzt auf «Spaghetto freddo», serviert die Pasta aus der berühmten Monograno-Manufaktur Felicetti (Trentino) kalt. Darüber ziemlich viel Luxus: Wolfsbarsch-Sashimi, Kaviar aus einer Zucht in Italien.
Meerfrüchte-Bouillon im Ravioli. Applaus auch für den zweiten Pasta-Gang: «Ravioli liquidi», Ravioli mit einer Meerfrüchte-Bouillon im dünnen Teig. Stracciatella, Curry und Kurkuma sind die weiteren Komponenten. Ein Hochgenuss für den verblüfften Gast, eine technische Höchstleistung der kleinen Brigade, die blitzschnell falten muss, denn sonst herrscht Platzgefahr! Natürlich muss auch der Hauptgang eine Herausforderung sein: Badalucci füllt seinen wunderbar saftigen Rouget mit allen Komponenten von Bolognese-Tortellini. Dazu gibt es Burrata-Bottoni mit ein paar Zitronenspritzern.
Grossartig: Der Meerfrüchtesalat. Ein paar eher klassische Gerichte schaffen es glücklicherweise auch ins «Menu sette portate» (für 220 CHF). Eine grosse Tranche Foie gras, karamellisiert, mit dem Saft der ersten Aprikosen und mit Maldon-Salz. Eine schlicht grossartige «Insalatina di mare con agrumi»: Scampi, Gamberi, Seppie, Vongole, Polpo und Cozze, mit einer vegetarischen Mandel-Mayo und einem Schuss Champagner. Der mediterranste, unkomplizierteste Gang im Menü, und sicher nicht der schlechteste! Übrigens: Auf die Empfehlungen des Sommeliers kann man sich hier verlassen. Die Entdeckungen diesmal: Ein weisser «Ungulus» (100 Prozent Sauvignon blanc!) aus dem Castello di Cantone, ein «Castanar Riserva» der Familie Ferrari (Stabio), der sich bei unseren italienischen Kollegen in Rekordzeit die «tre bicchieri» gesichert hat.
«Nonna»-Küche in der Filiale. Geheimtipp mitten in Lugano, an der Piazza Rezzonico: «La Casa N.6», das unkomplizierte, neue Bistro von Marco Badalucci: «Hier isst man wie zu Hause bei der Nonna», verspricht der Chef. Salumi, Bigoli Cacio e Pepe, Galletto alla cacciatora, Saltimbocca. Marco schreibt die Karte, setzt im Hauptrestaurant die Fonds an. Junge Köche vollenden das Werk in der «Casa N.6».