Text: Daniel Böniger I Fotos: Claudia Link
Schnittlauchblüte - kaum zu überriechen! «Kräuter sind der einfachste Weg, um ein Gericht besser zu machen!» Starchefin Michaela Frank bringt den kulinarischen Umgang mit dem Grünzeug mit diesem Satz auf den Punkt. Sie ist zu Gast bei Jael und Ueli Mäder vom gleichnamigen Bio-Kräuterproduzenten im zürcherischen Boppelsen. Die Stimmung ist herzlich, Köchin und die Familie Mäder kennen sich von früher: Michaela ist in der Nähe aufgewachsen, hat schon in einem Jugendlager gekocht, an dem Jael teilgenommen hat. Nicht zuletzt wohnt sie noch immer in «Riechdistanz»: Wenn jeweils der Schnittlauch auf den Feldern der Mäders in voller Blüte stehe, erzählt sie, bekomme man dies in der ganzen Region mit. Grosses Bild oben: Michaela Frank und Ueli Mäder.
Ueli, der Hippie mit Döschwo. Ueli Mäder muss lachen und skizziert seinen Werdegang. Eigentlich sei er ja Fahrer auf einem Gemüsehof gewesen, bevor er die Kräuter für sich entdeckte. Auf einem kleinen Stück Land, gepachtet vom Bruder, habe er in den Siebzigerjahren erstmals versucht, Kräuter anzubauen. Und schon bald seine ersten Ernten an einem Marktstand verkauft. «Ich hatte damals einen Döschwo und sah eher aus wie ein Hippie.» Mit seiner Idee, frische Kräuter zu verkaufen, seir er auch bei den grossen orangen Detailhändlerin vorstellig geworden, die dafür aber damals keinen Absatzmarkt sahen. Wenn Ueli Mäder erzählt, hört man ihm gern zu - vielleicht liegt es daran, dass er in einer «poppigen Kirche», wie er sie selbst nennt, rund 30 Jahre lang Sonntagsschule gegeben hat.
Wasserreservoir und Photovoltaik. Mäder blieb auch mit den Kräutern dran: Aus einem KMU mit zwei Angestellten ist die Mäder Kräuter AG ein Unternehmen mit rund 150 Mitarbeitern in der ganzen Schweiz geworden. Seine Tochter Jael hat in Bern Wirtschaft studiert und leitet seit einigen Monaten den Verkauf. Pro Tag liefere man bis zu 80 000 Portionen Kräuter aus - auch an Migros und Coop. Wohlgemerkt: Ganz ohne fixen Vertrag, die Bestellungen trudeln täglich neu ein! «Ich habe ein Samenkorn gesetzt, und daraus ist ein Baum geworden, den ich nicht mehr alleine bewirtschaften kann», so Mäder. Seit 2000 produziert sein Unternehmen mit Bio-Knospe. Doch auch sonst ist Mäder ein Überzeugungstäter: Er sammelt das Wasser, das auf seine Gewächshäuser tropft, in riesigen Reservoirs - und bewässert seine Kräuter damit. Er hat eine Photovoltaikanlage auf dem Dach des Betriebs installiert, mit der er so viel Strom erzeugt, dass auch die Mitarbeiter für ihre Elektrofahrzeuge kostenlos «anzapfen» dürfen.
Bald Bio-Mangos aus Teneriffa. Jetzt schaltet sich Michaela Frank ein und fragt, ob man eigentlich bei Kräutern auch eine bestimmte Fruchtfolge auf den Feldern beachten müsse. Mäder zeigt ihr seitenlange Listen, auf denen jeder Quadratmeter hier in der Region, aber auch im Tessin erfasst sind. «Wenn irgendwo Doldenblüter angebaut werden, etwa Dill oder Koriander, dürfen da im nächsten Jahr keine mehr hin!» Ueli Mäder und seine Familie sind zudem in Marokko und Teneriffa tätig; auf der kanarischen Insel ist er zurzeit daran, eine Farm für Avocados und Mangos in Bio-Qualität aufzubauen, die er mit dem Schiff in die Schweiz transportieren will.
«Gamechanger» Estragon. Mäders pflanzen und ernten Kräuter - Michaela Frank bringt sie auf den Teller. Auch wenn beide Parteien an gegensätzlichen Enden der Wertschöpfungskette stehen, ist der Austausch an diesem sonnigen Morgen intensiv. Ueli Mäder erzählt, dass es dieses Jahr wegen der wiederholten Niederschläge nicht einfach sei, gegen Unkraut vorzugehen. Oder wie er gerne Forellen grilliert und so mit Kräutern anrichtet, dass man sie unter all dem Grünzeug kaum mehr sieht. Michaela erklärt, dass Estragon eines ihrer Lieblingskräutchen und «in der Küche ein Gamechanger» sei, etwa zusammen mit Tomaten in einem ihrer famosen Toasties.
Brot von A bis Z selbstgemacht. In Gewächshaus mit Spezialkräutern, von denen wöchentlich höchstens zwei, drei Bund rausgehen, stossen wir auf den würzigen Schnittknoblauch. «Der schmeckt zwar wunderbar, aber man riecht danach selber nicht danach.» Hier kommt seitens der Mäders auch das aussergewöhnliche Brotprojekt zur Sprache, dass sie derzeit verfolgen: In Jaels Schrebergarten (Ueli: «Ich wühle auch privat gern in der Erde!») hätten sie Getreide gepflanzt, das derzeit am Trocken sei. Von Hand werden sie es dreschen, dann mahlen - und schliesslich soll aus dem Mehl ein Brot entstehen, das von A bis Z von ihnen gemacht sei: «Das wollte ich schon mit den Kindern machen, als sie noch klein waren», sagt der fünffache Vater.
Zum Rösti- noch den Peterligraben. Immer wieder zupft Michaela Frank ein Kräutchen ab, riecht daran und zerkaut es. Und Ueli Mäder erzählt Anekdoten: Etwa, dass es zwischen der Deutschschweiz und dem Tessin einen Peterligraben gebe - im Norden werde zu 75 Prozent krause Petersilie verkauft, zu 25 Prozent die glatte Variante; im Süden sei es umgekehrt. Oder dass der grösste Abnehmer von Maggikraut der Produzent von «Brunos Salatsauce» sei. Und Michaela Frank kennt einen Spruch, der offenbar bei Köchen kursiert - und den Mäder noch so gerne hört: «Kerbel sorgt für den zweiten Stern!» Die Redensart rührt daher, dass Köche ihre Gerichte gerne mit besagtem Kräutchen aufpeppen. Und zwar weniger, weil es besonders raffiniert schmecken würde - sondern weil es so unglaublich dekorativ aussieht. In Kräutern, so lautet das Fazit der Begegnung, steckt viel mehr, als man gemeinhin denken würde.
>> Das Label «Bio Cuisine» zeigt den Gästen, wie viel Nachhaltigkeit sie auf dem Teller erwartet. «Bio Cuisine» ist dreistufig aufgebaut und zeichnet den Anteil an Bio- sowie Knospe-Produkten im Betrieb aus. Basis ist der Einkaufswert der Lebensmittel und Getränke. GaultMillau Schweiz unterstützt diese «Bio-Cuisine»-Initiative. www.bio-cuisine.ch
Foto in der Küche: Olivia Pulver.