Text: Siméon Calame
Neuer Chef, neuer Stil. Bei jedem Chefwechsel stellen sich die gleichen Fragen: Wird das Essen noch so gut sein wie zuvor? Wird sich der Stil des Restaurants komplett ändern? Wird’s teurer? Und wenn, wie im «Bocca» St-Blaise NE, der abtretende Chef eine Grösse der Schweizer Gastronomie ist – nämlich Claude Frôté – wird ein solcher Wechsel noch genauer beobachtet. In besagtem Fall geben wir Entwarnung: Der neue Küchenchef Alexandre Luquet, am Herd seit Januar 2023, macht seinen Job hervorragend. Er kocht technisch versiert, finessenreich, feinfühlig. Grosses Bild oben: Alexandre Luquet und seine Partnerin Ana Ronc.
Seit Januar 2023 im «Bocca»: Alexandre Luquet.
Finessenreich: die Amuse-Bouches im «La Bocca».
Jakobsmuscheln mit Topinambur. Der Mittvierziger war zehn Jahre lang Küchenchef in der «Pinte communale» Aigle VD, wo er mit 15 Punkten ausgezeichnet wurde. Und arbeitete schon bei Denis Martin, Carlo Crisci und Jean-Sébastien Ribette. Verblüffend, wie leichtfüssig seine Kreationen daherkommen. Er kocht klassisch-französisch, handwerklich überzeugend. Jakobsmuscheln werden mit Topinambur in verschiedenen Texturen veredelt und mit Haselnussöl abgeschmeckt. Gnocchi werden mit Zitrusfrüchten, Bodenseekrebsen und Pata Negra verfeinert. Eine clevere Idee, dieses Gericht mit geröstetem Erdnussöl zu perfektionieren! Auch lobenswert: Alexandre Luquet und Ana Ronc behalten ihr Wissen und ihre Leidenschaft nicht für sich, sondern beschäftigen auch mehrere Lehrlinge.
Eine verschworene Truppe: Alexandre Luquet & Ana Ronc mit ihrem jungen Team.
Dessert zum Dahinschmelzen. Der aufgeweckte Service wird von Ana Ronc, der Partnerin des Chefs, geführt. Und dieser bringt dann so wunderbare Teller zum Gast, wie die Variation von der Taube (Brust, Schenkel, Flügel, Ballotine), auffallend wild angerichtet, begleitet von Karotte mit Sesam und einem kräftigen, gut gewürzten Jus. Beim Dessert zeigt Alexandre Luquet eindrücklich, wie viel Vertrauen er ins Team hat: ein Schokoladensoufflé wird am Tisch flambiert und so fertig gebacken! Man kann zusehen, wie das Soufflé in die Höhe geht. Riechen, wie intensiv es nach Schokolade duftet. Und noch eine Süssspeise, die überzeugt: die «Orange», die sich auf den zweiten Blick als Mousse und Kompott in Schokoladenhülle herausstellt.
Mit Margeriten-Deko: Wildfang-Languste mit Espuma & Tannenknospen.
Cannellone mit Pilzen und Spinat, Creme aus rosa Knoblauch, mit einem bei 65°C gegarten Ei.
The Place to B. Die Küche von Alexandre Luquet gibt es auch mittags: 24 Franken für einen empfehlenswerten Tagesteller, 50 Franken für einen Dreigänger. Auch A-la-carte-Gerichte sind zu haben. Abends wählt man zwischen drei bis sechs Gängen aus (98 bis 175 Franken). Von Neuenburg aus ist das «Bocca» St-Blaise in wenigen Minuten mit dem ÖV zu erreichen. GaultMillau-Rating: 15 Punkte.
Fotos: HO
Die GaultMillau-Tester stellen im Auftrag der UBS jede Woche einen «Place to b.» vor: Adressen für den gepflegten Businesslunch, für den Brunch am Wochenende, für ein Essen mit Freunden, für Trendsetter & Entdecker, für Verliebte. Bereits erschienene «Tipps der Woche» finden Sie hier.