«Ophelia» am Bodensee. Von der Terrasse der weissen Villa geht der Blick über die Platanen der Seepromenade aufs in der späten Sonne glitzernde Wasser. Ein paar Segler sind noch unterwegs, am Horizont ahnt man die Alpen. «Ich wollte eigentlich nur ein Jahr hierbleiben», sagt Dirk Hoberg (Bild oben). Mittlerweile sind es 17. In dieser Zeit führte der Wohlfahrt-Schüler das «Ophelia» in Konstanz nicht nur an die Spitze der Region, sondern machte sich auch einen Namen als einer der talentiertesten und reflektiertesten Küchenchefs der jüngeren deutschen Köche-Generation. Sein Menü an diesem Abend startet mit ein paar bildschönen, enorm geschmackssicheren Miniaturen; dazu empfiehlt Gastgeber und Sommelier Jerom Nicke eine Sekt-Rarität von Johannes Aufricht aus Meersburg, ein knackiger Blanc de Blancs Brut Nature.
Fine Dining? «Ophelia» in Konstanz, direkt am Bodensee. Elegante Terrasse, exzellenter Chef.
15 Minuten ab Schweizer Grenze. Gleich mehrere Tische sind an diesem Abend von Schweizer Gästen besetzt – keine Seltenheit. Der kulinarische Grenzverkehr entlang der deutsch-schweizerischen Grenze ist rege, nicht nur in den Sommermonaten. Eidgenössische Gäste wissen es zu schätzen, dass im deutschen Süden die Preise bekömmlicher sind, andere Produkte und nicht zuletzt beste Weine von der Mosel, aus dem Rheingau oder aus Baden auf den Karten stehen. Grund genug, ein paar der besten Adressen vorzustellen. Die Top-Position belegt dabei ganz klar das «Ophelia», es ist nicht nur kulinarisch, sondern auch von der Distanz her kaum zu schlagen: «Wir gehen 15 Minuten zu Fuss zur Schweizer Grenze», sagt Hoberg.
Handschrift Dirk Hoberg! Der Wohlfahrt-Schüler spielt sein Talent bereits bei den Amuses-bouches aus.
Ikejime-Lachs & Bodensee-Wagyu. Hobergs Küchenstil? Grosses Handwerk und zeitgemässe Kreativität. Zum Beispiel bei der Entenleber, die er im Lauf der Jahre perfektioniert hat: Diesmal krönt sie sommerlich leichtes Apfel-Holundergelee, versetzt mit pochierten Apfelscheiben, eine Schicht getrockneter Äpfel und Mandelgries durchzieht die Terrine. Dazu gibt es Mandelcreme, Entenleber-Eis und Apfel-Holunder-Vinaigrette. Grosse Klasse auch der schottische Ikejime-Lachs mit Zucchetti, fermentierter Tomate und in Krustentierfond gegartem Couscous, am Tisch wird Beurre Blanc, aufgemixt mit Sauce Hollandaise, angelöffelt. Als Hauptgang kommt Rücken vom Bodensee-Wagyu mit Blumenkohl in Texturen und Radicchio-Portweinbutter; à part gibt‘s die Rinderzunge mit Vorarlberger Riebel, einem Urgetreide.
Tipp ennet der Grenze: «Mühle Schluchsee».
Chef in der «Mühle»: Fabian Obergfell.
Überraschend: Ziegenkäse, Nektarine, Kapuzinerkresse.
Treffpunkte «Mühle Schluchsee». Im Radius von einer halben Stunde Fahrtzeit jenseits der Grenze hält der deutsche Südwesten weitere lohnende Adressen bereit. Zum Beispiel die «Mühle Schluchsee», wo ein junges Team hinter den Mauern eines historischen Schwarzwaldhofs inspiriertes Fine Dining und lockere Gastfreundschaft bietet. Hier hat gerade Fabian Obergfell angeheuert, zuvor langjähriger Souschef im «Ophelia». Im Restaurant der Mühle, das mit grauem Filz und gebürsteter Eiche aus der Region puristisch-zeitgemäss gestaltet ist, zeigt er nun, was er kann. Zum Beispiel gewitzte Amuse-Bouches, wie das Schwarzwälder «Pils/z», eine intensive Pilzbouillon mit Speckschaum, im Mini-Bierglas serviert. Obergfell kann klassisches Handwerk, das beweist auf der Haut in Nussbutter perfekt auf den Punkt gebratener Steinbutt, begleitet von kleiner Blumenkohlvariation und zwei Saucen: der aus der Karkasse gekochte Sud und Brennessel-Hollandaise. Auch beim Kalbsbries zeigt er Können: Es wurde in der Pfanne schön kross gebacken, dazu Erbsen, auch als Püree, alles sommerlich leicht gehalten mit einer Vinaigrette, die mit getrockneten Tomaten und Pinienkernen abgeschmeckt wurde.
Viermal «Oesch Noir» im nahen «Oeschberghof»: Manuel Ulrich ist der hervorragende Küchenchef, im (Golf-)Resort gross geworden.
Spitzenküche im «Oesch Noir». Nur einen Katzensprung von Schaffhausen zeigt ein anderes junges Talent Profil: Manuel Ulrich kocht im «Ösch Noir», dem Flaggschiff-Restaurant des renommierten Ferien- und Golfhotels Öschberghof bei Donaueschingen. Seine Küche glänzt durch souveräne Technik, feine Eleganz und geschmackliche Intensität: In Traubenkernöl glasig confierter Hummer spielt seine süsslich-nussigen Aromen aus und wird mit Sesam-Karottencreme, Karotten-Ananas-Chutney, Verveine-Gel und Forellenkaviar zur perfekt austarierten, frisch-zitrischen Vorspeise. Gebratenen Rehrücken begleitet eine Praline aus der geschmorten Schulter und gleich zwei Saucen, dichter Kardamomjus und süsslich-säuerliche Mandarinen-Hollandaise. Und übrigens: Bei der Weinbegleitung sollte man sich hier ganz auf den Schweizer Sommelier Michael Häni verlassen – seine Weinbibel umfasst 2500 Positionen.
Vor den Toren Basels. Im Basler Einzugsgebiet locken weitere Adressen. Zum Beispiel im kleinen Weinort Efringen-Kirchen: Dort übernahmen Daniela Hasse und Brian Wawryk vor ein paar Jahren das mustergültig gepflegte Gasthaus «Traube» im Ortsteil Blansingen. Geprägt durch Stationen im Osloer «Maaemo» und bei Thomas Bühner, setzen sie im Markgräfler Land auf regionale, saisonale Produkte statt klassischer Luxuswaren. Wawryk freut sich jedes Jahr aufs Neue über Schätze der Natur wie Bärlauchkapern oder regionalen Spargel, den er roh, gegrillt oder fermentiert verarbeitet. Gemüse dominiert in seinen Menüs, etwa als Vorspeise mit Kohlrabi, unreifen Erdbeeren und Molkesauce. Und selbst Wildschweinragout tarnt sich im Wirsingblatt mit schwarzem Knoblauch, Maronen und Apfel-Sellerie-Sauce.
Kocht vor den Toren Basels: Tanja Grandits-Schüler Nicolai Wiedmer, «Eckert», Grenzach-Wyhlen.
Tanja Grandits-Schüler im «Eckert». Ins Restaurant «Eckert» in Grenzach-Wyhlen wiederum kann man von Basel aus sogar mit dem Linienbus fahren. Hier kocht Nicolai Wiedmer, ein Schüler von Tanja Grandits. Der junge Chef verbindet französische Klassiker mit weltweiten Einflüssen – etwa geräucherte Artischocke mit Miso und Yuzu-Dashi oder Zander auf Sauerkraut mit Berglinsen und Beurre Blanc. Aber Wiedmer hat nicht nur ein Herz für Gourmetmenüs. Gemeinsam mit Vater und Bruder betreibt er auch die klassisch-badischen Wirtshäuser «Mättle» in Lörrach und «Krone» in Inzlingen.
www.restaurant-ophelia.de
www.restaurant.muehle-schluchsee.de
www.oeschberghof.com
www.traube-blansingen.de
www.eckert-grenzach.de
Fotos: Philipp Uricher, Max Grueninger, Kirchgasser Photograhy, Markus Edgar Ruf