Interview: Olivia Pulver/Kathia Baltisberger Fotos: Olivia Pulver/David Ruano/Joan Pujol-Creus

Joan Roca, «El Celler de Can Roca» wurde von «50 Best» zwei Mal zum besten Restaurant der Welt gekürt. Wie wichtig Ihnen solche Auszeichnungen?  
Sehr wichtig! Das ist eine Wertschätzung für das ganze Team. Und nicht nur das: Die ganze Region erhält dadurch eine gewisse Bekanntheit. Das ist mir wichtiger, als dass ich als Person geehrt werde. 

 

Also ist der wirtschaftliche Effekt wichtiger?
Sobald man eine solche Auszeichnung erhält, ist man sowieso jeden Tag ausgebucht. Alle wollen zu uns. Aber das ist ein bisschen wie wenn man versucht, Wasser mit blossen Händen zu schöpfen: Wir können dem grossen Ansturm gar nicht gerecht werden. Wir können die Gäste, die einen Platz bekommen, zufrieden stellen. Aber mehr nicht. Wir wollen den Erfolg auch nicht nutzen, um Restaurants in anderen Städten zu eröffnen und möglichst viel Geld zu verdienen. Wir wollen bei der Essenz bleiben und das ist der Spass am Kochen. Natürlich kochen wir in anderen Städten, eröffnen Pop-ups. Aber dann schliessen wir das Restaurant für sechs Wochen.


 

Joan, Josem und Jordi Roca

Die drei Musketiere der spanischen Gastronomie: Jordi, Joan und Josep Roca (v.l.n.r.).

Dann sind Sie immer persönlich im Restaurant anwesend?
Wir haben eine Regel, die besagt, dass immer zwei von drei Brüdern im Restaurant sein müssen. Denn wir verstehen unser Restaurant als unser zu Hause. Und wenn die Gäste zu uns kommen, sollen sie das Gefühl haben bei uns zu Hause zu sein. 

 

Wenn man auf Ihrem Niveau kocht, kann man sich da überhaupt noch verbessern?
Es ist die Lust zu kochen, die mich antreibt. Wir haben diesen Beruf gelernt mit dem Ziel Spass zu haben. Wenn wir mal keine Freude mehr an dem haben, was wir tun, dann ist es vorbei. Aber sollten wir mal keine Auszeichnungen mehr bekommen, machen wir trotzdem weiter. 

 

Welchen Einfluss haben soziale Medien wie Instagram auf Ihre Arbeit?
Wir versuchen, uns ein bisschen davon zu distanzieren und unsere Arbeit wie immer zu machen. Doch die Welt verändert sich. Der grosse Unterschied zu früher ist, dass die Gäste schon wissen, was es zu essen gibt, bevor sie ins Restaurant kommen. Früher war es eine Überraschung. Mir gefiel das besser. Aber ich verstehe, dass die Gesellschaft das heute so will. Für mich ist das in Ordnung. Aber ich persönlich will mich nicht auf Instagram informieren. Ich will, dass man mir im Restaurant erklärt, was der Chef gekocht hat. «El Celler de Can Roca» ist natürlich auf Instagram, aber das macht mein Bruder Jordi. 

 

A propos Jordi: «Chef’s Table» hat ihrem Bruder eine Folge gewidmet. Eine sehr persönliche und Emotionale Serie. Mochten Sie es, dass eine Film-Crew Ihnen so auf die Pelle rückt?
Nicht besonders (lacht lauthals). Aber Jordi hat das geliebt! Für mich und Josep war es nicht ganz so einfach, aber es ist wichtig für die Promotion. Wir hatten die Möglichkeit unsere Gefühle und unsere Werte zu erklären. Und es ist natürlich toll, wenn man ausgewählt wird. «Chef’s Table» ist wirklich sehr gut gemacht. Ich habe alle Episoden geschaut.

 

Joan Roca El Celler de Can Roca

Joan Roca ist im «El Celler de Can Roca» der Chef am Herd.

Joan Roca El Celler de Can Roca Girona

Gefriergetrocknete Auster mit Auster-Tatar, Walnuss, grünem Apfel und Earl-Grey-Mayonnaise.

Klappt die Zusammenarbeit mit Ihren Brüdern eigentlich immer problemlos? Oder streiten Sie sich auch mal? 
Nein. Wir verstehen uns sehr gut, weil wir die gleiche Leidenschaft für den Beruf teilen. Das ist die Wahrheit, sonst wären wir jetzt heute nicht hier. Hätten wir uns gestritten, dann hätte heute jeder seinen eigenen Betrieb. Jordi war natürlich immer der kleine Bruder (er ist 14 Jahre jünger als Joan Roca, Anm. d. Red.), aber auch er hat mittlerweile seinen Platz gefunden und ist ein unverzichtbarer Teil unserer Restaurant-Struktur. 

 

Girona liegt an der Coasta Brava. Sie profitieren vom Besten aus dem Meer und aus den Bergen.
Ich empfinde es als grosses Privileg in dieser Region zu leben. Es sind rund 40 Kilometer bis zum Meer und etwa 50 bis in die Pyrenäen. Beide Aspekte sind in unserer Küche gleich vertreten und es gefällt uns sehr, die Produkte aus dem Meer und die aus den Bergen zu kombinieren: Poulet und Hummer oder Gans und Pflaumen. Ausserdem erleben wir gerade einen magischen Moment in der Gastronomie. Es gibt viele junge Köch, die im Fine-Dining-Bereich Karriere machen wollen. Aber es gibt auch einen richtigen Hype um Stellen im Service. Dann haben wir viel mehr unterschiedliche Produkte als früher. Meine Eltern hatten immer die gleiche Karte, wir können gar keine fixe Karte anbieten, weil die Zutaten ständig wechseln. Das alles ist für uns Köche zurzeit sehr aufregend.

 

Sie sind öfters in der Schweiz. Wie gut kennen Sie unser Land?
Gar nicht so gut. Ich bin ab und zu für einen Kongress hier wie ChefAlps. Ich habe auch schon an der Art Basel gekocht. Doch eins meiner grossen Vorbilder ist Schweizer: Frédy Girardet. Seine Bücher waren die ersten, die ich besass. Mit ihnen habe ich gelernt zu kochen. Ich habe zwar nie in seiner Küche gearbeitet, aber ich durfte ihn mal in Crissier kennenlernen.

 

Haben Sie ein Lieblingsrestaurant?
Mir gefällt allgemein die mexikanische Küche sehr gut. Es ist eine sehr gefühlvolle Küche mit einer unglaublichen Intensität. Ich mag das «Pujol» oder das «Quintonil» in Mexico City.

 

>> Die drei Roca-Brüder führen das «El Celler de Can Roca» in Girona. Der älteste Joan ist der Küchenchef, Josep ist der Sommelier und Nesthäckchen Jordi ist Pâtissier. Der GaultMillau-Channel traf Joan Roca im Rahmen des Food Festivals Citté del Gusto in Lugano.