Text: David Schnapp | Fotos: Caspar Martig

«Generationenwechsel.» Vor einem Jahr wurde Guy Ravet neuer Präsident der angesehenen Vereinigung Les Grandes Tables de Suisse und versprach, als erstes eine Brücke über den Röschtigraben bauen zu wollen. Rund zwölf Monate später hat er sein Versprechen eingelöst, am Sonntag feierten rund 80 Köche und Hoteliers mit ihren Partnerinnen im Casino Bern und Ravet konnte einer ganzen Reihe Kollegen – die Mehrheit davon aus der Deutschschweiz – die goldene Tafel der Grandes Tables überreichen. «Es war klar, dass wir einen Generationenwechsel brauchen, und ich bin stolz darauf, dass so viele Kollegen bereit waren, diesen zu unterstützen», sagt Guy Ravet. (grosses Bild oben: v.l. stehend Pascal Steffen, Steve Willié, Patrick Mahler, Tobias Funke, Stefan Jäckel, Edgard Bovier, v.l. sitzend Vania Ceboula, Marcel Reist)
 

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Grosses Fest an langen Tischen: die Versammlung der Grandes Tables Suisse im Casino Bern.

Ein Gericht für die Kollegen. Das Schild, welches am Restauranteingang die Zugehörigkeit zum ausgesuchten Kreis manifestiert, hängt demnächst unter anderem vor dem «Roots» von Pascal Steffen in Basel, beim «Incantare» von Tobias Funke in Heiden AR oder vor der «Rôtisserie» von Stefan Jäckel im Zürcher Hotel Storchen. Sie alle führten sich bei ihren Kollegen auf die aussagekräftigste Weise ein, mit der sich ein Koch präsentieren kann: Mit einem Gericht am Gala-Abend, der traditionell am Sonntag vor der Jahresversammlung stattfindet.

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Goldene Tafel: Neumitglied Stefan Jäckel mit Präsident Guy Ravet.

Acht Chefs, acht Gänge. Für die acht Gänge des Fest-Menüs waren auch gleich acht verschiedene Chefs zuständig. Casino-Direktor Ivo Adam hatte als Gastgeber neue und bisherige Kollegen zum Küchendienst gebeten: Gstaader Plättli und Zungen-Terrine von Neumitglied Steve Willié («Le Grand Chalet», Gstaad), Taschenkrebs mit Kokosnuss, Avocado und Kristal-Kaviar von Stefan Jäckel und spätestens beim sanft gegarten Lachs aus Lostallo mit Edamame und dünn geschnittenen Kohlrabi von Pascal Steffen wurde der Kulturwandel im noblen Verband sichtbar. «Natürlich gibt es Unterschiede in den Küchen der Romandie, dem Tessin und der deutschen Schweiz», sagt Guy Ravet. «Aber wir alle haben das gleiche Verständnis von Qualität und Perfektion, nur in der Umsetzung denken wir vielleicht anders», so der Koch, der seit kurzem auch Markenbotschafter von Mercedes-Benz ist.

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Sgier und Sgier: Arno Sgier und Sohn Silvan richten ihr Zwiebelgericht an.
 

Sgiers Zwiebel. Für den frechsten Gang des Abends war allerdings kein «junger Wilder» zuständig, sondern ein erfahrenes Grandes-Tables-Mitglied: 17-Punkte-Chef Arno Sgier hat sich auf Anraten seines Sohnes Silvan mit einem «einfachen Produkt» beschäftigt. «Servier doch mal eine Zwiebel», habe der Junior gesagt, der an der ETH Zürich Lebensmittelwissenschaften studiert und seine Ausbildung mit Arbeitseinsätzen im elterlichen Betrieb finanziert. Sgier und Sgier richteten eine gebackene Zwiebel mit Zwiebel-Confit, Shitake- und Zwiebelpüree, Zwiebel-Tuille und einem Shitake-Ingwer-Sud an.

Funkes Reh-Sandwich. Der beste Gang des Abends kam – so die Einschätzung vieler Kollegen – von Tobias Funke. Der Zürcher, der im Appenzell für Furore sorgt, kombinierte kurz gebratenen Sommerbock mit einem knusprig gebratenen Sandwich, gefüllt mit Reh-Innereien, und legte noch eine Zwiebelrolle sowie etwas marinierten Salat auf den Teller. Altmeister Robert Speth hatte aus Gstaad seinen famosen Trüffelbrie mitgebracht und Casino-Patissier Samuel Dober tischte seine Süssigkeiten zum Schluss gleich im Dutzend als Tavolata auf – von der Tarte au Citron bis zur Bündner Nusstorte.

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Die Gastgeber: Casino-Direktor Ivo Adam und Grandes-Tables-Präsident Guy Ravet.

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Das Dessert kam als Tavolata: Patisserie von Samuel Dober (Casino Bern).

Wiederbelebung geglückt. Der Brückenbau und die Wiederbelebung der Grandes Tables unter dem ebenso optimistisch wie ruhig wirkenden neuen Präsidenten Guy Ravet ist offensichtlich geglückt. Gleich zehn neue prominente Mitglieder hat der prestigeträchtige Verband. Dazu gehören auch Patrick Mahler («Focus Atelier», Park Hotel Vitznau), Heiko Nieder («The Restaurant» im Dolder Grand Hotel, Zürich), Stefan Heilemann («Widder», Zürich), Michèle Meier («Lucide» im KKL Luzern) sowie Vania Cebula, der Küchenchef im «Le Roc» von Edgar Bovier im Hotel de Rougemont.
 

Verständnis am Tisch. Für Tobias Funke war «der Abend unter Freunden» ein Beweis dafür, dass «Guy Grosses geleistet hat», wie er sagt. Der Generationenwechsel sei vollzogen, der Röschtigraben zugeschüttet. Seit zwei Jahren kommen vermehrt auch Romands in Funkes «Fernsicht» in Heiden, «gerade gestern hatten wir wieder einen Vierertisch aus Genf, das ist doch grossartig», so Funke. In einem so kleinen Land sollte man sich wenigstens am Tisch verstehen, findet er. Und gerade in Sachen Esskultur und wenn es um den gesellschaftlichen Stellenwert der Haute Cuisine gehe, könne man sich in der deutschen Schweiz noch einiges von den Romands abgucken.
 

 

>> www.lesgrandestablesdesuisse.ch