Text: Urs Heller | Fotos: Marcus Gyger

Der Deal mit der Pöstlerin. Die Gäste im Swiss Deluxe Hotel «The Alpina» Gstaad? International. Weitgereist. Wohlhabend. Und neugierig. Neugierig auf Küche und Produkte, die man nicht überall kriegt. Executive Chef Martin Göschel enttäuscht sie nicht. Er hat zwar ein paar Luxusprodukte auf der Karte, vor allem im japanischen «Megu». Aber im Top-Restaurant «Sommet» setzt er vorzugsweise auf Fleisch, Vögel, Kräuter, Beeren aus der Region. Göschel lebt mit seiner jungen Familie seit sieben Jahren in Gstaad, hat sich ein gutes Beziehungsnetz aufgebaut und begeisterte Verbündete gefunden. Anna Bach beispielsweise. Im Hauptamt Pöstlerin. Im Nebenamt Wachtelzüchterin. Grosses Bild oben: Anna Bach und Martin Göschel (v.l.)

Japanische Legewachtel

Ein Ei pro Tag: Japanische Legewacheln in Grund BE.

Martin Göschel und seine Tochter Ladina (4) mit japanischen Legewachteln

Auf Eiersuche: Martin Göschel, Tochter Ladina.

Wachteleier mit Ei vom Huhn

Frische Wachteleier vom Hof. Fürs Luxushotel «The Alpina».

Die grosse Wachtel-Zerlegung. Anna Bach lebt mit ihrem Mann Jonas auf einem Bauernhof in Grund bei Gstaad. Sie ist weit gereist (viele Jahre in Indonesien), kehrte ins Saanenland zurück, arbeitet als Zustellerin bei der Post – und nebenbei auf dem Hof: «Ich suchte ein Hobby, das ich zusammen mit meinen vier Kindern ausüben kann.» Das Hobby? Wachtel-Produkte. 18-Punktechef Martin Göschel ist ihr bester Kunde. Erst kaufte er ihre Wachteleier, jetzt den ganzen Vogel. Und setzt ihn im Luxushotel auf die Karte. Nach Göschel-Art: Wachtelterrine mit sanfter Gänsestopfleber, Wachtelgelee mit Sukiyaki, Wachtelkeule, mit einer Farce aus Pistazie, Pinienkernen, Croûtons, Petersilie. Und drüber ein pochiertes Wachtel-Ei. «Der Kern müsste flüssig sein», sagt Göschel gespannt. Ist er natürlich.

Martin Göschel Küchenchef The Alpina mit seinem Team von Links: Kendra Thongsamouth, Klaus Menze, Martin Göschel, Kim Jana Burgard, Aurelio Marcos Rodriges.

Göschel & Team: v.l. Kendra Thongsamouth, Klaus Menze, Martin Göschel, Kim Jana Burgard, Aurelio Marcos Rodriges.

30 Köche & die «Quails». Annas Wachteln legen pro Tag ein Ei. Die Kids suchen und sammeln am Morgen die Eier, Verkaufspreis 60 Rappen. Sohn Noam mag den Güggel ganz besonders; er hat ihn «Erich» getauft. Auf die Karte kommt im Sommer Göschels grosse Wachtel-Zerlegung, für den Winter tüftelt er an einer warmen Variante, mit pochierten Nüssen, Kräutern und einer Tranche Speck. Der Chef: «Wir haben im Saanenland hervorragendes Kalbs- und Rindfleisch. Aber das kriegt man in Gstaad überall. Ich bin immer auf der Suche nach Alternativen.» Wachtel im Menü? Das war für die meisten von Göschels 30 Köchen Neuland. Und weil die Konversationssprache am «Alpina»-Herd englisch ist, musste der Boss erst googlen.  Jetzt ist alles klar: «Quails» heissen Annas kleine Vögel in der international zusammengesetzten Brigade.

Alp Eggli, v.l. Werren, Linard, Göschel

Die Göschels auf Alp Eggli, bei Käser Ruedi Werren.

Alp Eggli, Göschel mit Alpkäse

Martin Göschel: «Ruedis Alpkäse gibt’s bei uns zum Zmorge».

Alp Eggli, Göschel und Tochter Ladina (4) beim Käse herausnehmen

Der Chef packt zu: Martin Göschel am «Kessi».

Käse, zubereitet auf dem offenen Feuer. Martin Göschel wandert mit seinen Kids Linard und Ladina immer wieder aufs «Vordere Eggli». Ruedi Wehren wohnt und arbeitet dort, bereitet seinen Alpkäse noch im Kupferkessel auf dem offenen Feuer zu. «Da bleibt schon mal etwas Asche im Käse drin, aber das ist für mich okay und gut fürs Aroma.» Auf Wehrens Land steht im Winter auch Göschels «The Offcut Food Truck» des «Alpinas». «Zero Waste» ist ja im Luxusresort das Ziel, also werden überschüssige Produkte aus der Hotelküche smart wiederverwendet. Bestseller im letzten Winter: Die asiatischen Meatballs mit Ingwer, Koriander und Chili, die Empanadas. «Im nächsten Winter sind wir wieder unterwegs», verspricht der Chef, der aus seinen «Leftovers» auch Zero Waste Pasta oder Pizza herstellt.

 

Ein Fall für Yuki. Zurück ins Hotel, souverän, innovativ und mit der nötigen Prise Gelassenheit geführt von General Manager Tim Weiland. Die Lücken im Küchenteam sind geschlossen, das «Megu» nach kurzer Pause wieder zurück im GaultMillau. Langzeit-Sushi Master Tsutomu Kugata wurde zum Head Chef befördert. Seine grandiosen Nigiri (Chutoro, Otoro, Snowcrab), Maki und Sashimi bereitet er zur Begeisterung der «Gstaad Society» noch immer selbst zu. In der Küche steht eine fröhliche und begabte Souschefin: Ehefrau Yuki. Beide haben bei Nobu Matsuhisa gearbeitet. Auch im japanischen Restaurant hält schon mal ein regionales Produkt Einzug: Über Gelbflossen-Tuna mit sanftem Avocado und scharfem Wasabi wird tatsächlich wuchtige Belper Knolle gerieben! Yukis bester Gang: Das «Umami Teriyaki Poulet», mit einer unglaublich tiefen Sauce. Sake, Soja, Mirin, Knoblauch steckt drin «und viel Liebe», lacht die Chefin.

«The Alpina Bienengarten». Im «Sommet» hat Martin Göschel seinen Paradegang «The Alpina Bienengarten» verfeinert und weiterentwickelt. Über die Regenbogen-Forellen (aus der Region natürlich) wird 75 Grad heisses Bienenwachs gegossen, eine Honigsauce gibt es dazu, mit Honig von den eigenen Hotelbienen. Beeindruckend auch die Swiss Shrimps, in Salz aus Bex eingelegt, um den Krebsen Wasser zu entziehen, serviert mit einer eleganten Shrimp-Bisque. Gstaader Kalb (Haxe, Filet), raffiniert versteckt hinter Palisaden von Kohlrabi und Karotten. Die neue Patissière Kim Burkard hat sich schnell eingelebt; sie ersetzt GaultMillaus «Pâtissier des Jahres» Othmane Koris, der sich in Genf selbständig macht. Imposant das riesige à la carte-Angebot. «Zwangsmenüs» kennt man hier nicht; liesse sich in einem Fünfsterne-Resort auch nicht durchsetzen.

 

www.thealpinagstaad.ch