Text: Urs Heller

100 % Jordnær: Vildgaard & seine zehn Köche. Wie ersetzt man im «Badrutt’s Palace» Andreas Caminada, der hier im Swiss Deluxe Hotel jahrelang ein «Igniv» geführt hat? General Manager Richard Leuenberger hatte ziemlich viele Dossiers auf dem Tisch. Und knackte den Jackpot: Er engagierte Eric Vildgaard vom «Jordnær» in Kopenhagen. Ein Hüne von Gestalt. Ein Mann mit dunkler Vergangenheit (Forbes: «From Gang Member to Michelin-Starred Chef»), mit riesigem Herzen und mit grosser Zukunft. Er brachte gleich alle mit ins Engadin: Seine zehn jungen, wilden Köche. Seinen Sommelier. Und natürlich seine Frau Tina, die Teil des Erfolgs ist und von Chef Eric regelmässig mit Liebeserklärungen beglückt wird: «Ich habe auch eine romantische Seite», sagt Vildgaard dazu. Im St. Moritzer Pop-up (bis 4. Februar) pendelt er täglich hin und her, zwischen Pass und seinen sichtlich faszinierten Gästen. Andreas Caminada ist mit seinem «Nachfolger» zufrieden: «Ich habe ihn in Kopenhagen besucht. Eric ist ein fantastischer Koch, kocht mit fantastischen Produkten.» Grosses Bild oben: Eric & Tina Vildgaard, Beluga-Kaviar mit weisser Miso.

Chef Eric Vildgaard, Gericht: Lobster croustade with yuzu ponzu, sansho pepper & trout ikura

Spektakulärer Start! Lobster Croustade mit Yuzu Ponzu und Sansho Pfeffer.

Riesentrüffel! Der Däne Eric Vildgaard setzt auf Luxusprodukte.

Riesentrüffel! Der Däne Eric Vildgaard setzt auf Luxusprodukte.

Langustinen-Essenz, hergestellt aus den Köpfen, mit Tomatenwasser.

Langustinen-Essenz, hergestellt aus den Köpfen, mit Tomatenwasser.

Der Deal mit Taucher Ruud. Nordic cuisine? Geht so. Vildgaard, ein Meister auch der perfekten Temperaturen, setzt radikal auf Luxusprodukte und trifft damit den Nerv der «Palace»-Schickeria. Die besten Produkte beschafft ihm ein langjähriger Freund: Svein Ruud taucht im Norden Norwegens, vorzugsweise nach Langusten und King Crabs, erzielt an den Auktionen damit Rekordpreise. Verrückt, aber wahr: Die Tiere leben noch, wenn sie in St. Moritz angeliefert werden. Frischer geht nicht. Besser auch nicht. Beispiel King Crab: Die «Schulter» wird, mit Sake bearbeitet, auf einer Tartelette für das erste Amuse-bouche drapiert und hat bei den Hauptgängen einen zweiten, genialen Auftritt: In Vadouvan-Öl sechs Minuten lang bei 62 Grad pochiert, butterzart serviert mit blauen Muscheln und Tarragon serviert. Mein «King Crab des Jahres»! Asiatische Komponenten spielen bei jedem Gang eine Rolle. Vildgaard: «Die japanische Küche ist wie «Alice im Wunderland», nur schwer zu erfassen. Aber ich habe mich reingekniet ins Thema.»

Eric Vilgaard dry-aged auch seine Fische: Turbot mit Trüffeljus, Vin Jaune-Sauce, Kaviar und frittierter Morchel.

Eric Vilgaard dry-aged auch seine Fische: Turbot mit Trüffeljus, Vin Jaune-Sauce, Kaviar und gebratene Morchel.

Langustinen im Doppel. Gleicher «Meccano» bei den getauchten Langustinen. Die Köpfe werden zu einer Essenz und zu einem unglaublichen Gelee verarbeitet, mit Saft von Marinda-Tomatenwasser und Vanille aus Polynesien. Im Hauptgang dann der Klassiker des Hauses: Langustinen mit Beurre blanc und Koji-Crème. Der Power bei dieser Kreation: Yuzu Kosho! Sorgt für Frische und Säure. Drei weitere Seafood-Gerichte, die begeistern: Gillardeau-Auster No. 3 in Buttermilch, fein aufgeschnitten und spicy serviert, mit Meerrettich, Dill und wuchtigem Wasabi-Öl.  «Japanese Hamachi» mit Austern, Ponzu und Sesam, Turbot mit zwei Saucen (Trüffel-Jus, Vin Jaune). Erics Trick bei Kaisergranat und Steinbutt: «Dry aging», damit diese Produkte noch mehr Power kriegen. Die 16 (!) Gerichte werden übrigens von den jungen Köchen im Gänsemarsch an die Tische balanciert und präsentiert; sehr sympathisch!

Champagner, Kaviar & Trüffel. Produkte-Wiederholungen sind bei Chef Eric nicht zufällig, sie haben System. Gilt auch für den Kaviar. Gleich dreimal an diesem Abend werden exklusive Dosen geöffnet, und die Qualitätskontrolle ist auch hier gnadenlos: Vildgaard zückt sein Thermometer, schickt Kaviar kiloweise zurück, wenn die Temperatur nicht perfekt ist. Bester Kaviar-Gang: Beluga-Sevruga, mit weisser Miso aus Hokkaido. Den Trüffel gibt es schwarz zum Turbot und weiss über dem Dessert; letzteres ist nicht die beste Idee des Abends. Champagner ist Tina Vildgaars Leidenschaft: Sie rollt zu den Starters («very explosiv») einen riesigen Champagner-Wagen vor und empfiehlt zum Menü auch eine reine Champagner-Begleitung. «Jordnær» heisst zu deutsch bodenständig, und das sind die Dänen trotz Hang zu Luxusprodukten: Eric stellte sich persönlich beim 650köpfigen «Palace»-Team vor, und mittags isst er frei von Allüren entspannt im Mitarbeiter-Restaurant. 

Wo, bitte schön, bleibt der dritte Stern? Eric Vildgaard lockt nicht nur Foodies ins Badrutt’s Palace, sondern auch Berufskollegen: Sven Wassmer war schon da, «The Twins» aus Andermatt (Dominik Sato, Fabio Toffolon) ebenfalls. Für Marcel Skibba, Andreas Caminadas Küchenchef und Partner auf Schloss Schauenstein in Fürstenau, war’s gewissermassen eine Rückkehr an den «Tatort»: Er hat mehrere Winter lang die Showküche im «Palace» mit seinen «Igniv»-Gerichten bespielt. Diskussionsthema Nummer 1 bei Chefs und Gästen: Weshalb hat Eric Vildgaard «nur» zwei und nicht drei Michelin-Sterne? Das bleibt das Geheimnis der Pneu-Firma.

www.badruttspalace.com
www.restaurantjordnaer.dk
 

 

Fotos: Jesper Rais, HO