Text: GaultMillau Schweiz, Fotos: Thomas Buchwalder

«Mittendrin, nicht nur dabei». Das Comeback des Jahres! Sven Wassmer eröffnet im Grand Resort Bad Ragaz das erste von zwei Restaurants. «Memories», Fine Dining, hohe Ziele: 18 Punkte und zwei Sterne waren es am letzten Arbeitsplatz in Vals GR. In Bad Ragaz soll mehr her. Die Bühne für Svens «Fine Dining» ist perfekt: Eine offene Küche. Ein elegantes, helles Restaurant. Ein paar Plätze an der Bar; wer hier sitzt, blickt der Brigade wirklich in die Pfannen. In wenigen Tagen geht’s los. Sven ganz cool: «Bei uns sind die Gäste mittendrin, nicht nur dabei.» Apropos Pfannen: Mauviel-Pfannen aus der 1830 in der Normandie gegründeten Manufaktur glitzern auf dem Herd. «Alle grossen Chefs kochen damit», sagt Sven, «Dani Humm in New York und früher auch Paul Bocuse in Lyon.»

Sven Wassmer eröffnet "Memories" 2019

Restaurant Memories: Modernste Sven Wassmer-Küche, Parkett aus dem Jahr 1869.

12 Gänge für 330 Franken. Sven Wassmer strotzt vor Selbstbewusstsein. Auch beim Pricing: Der grosse Zwölfgänger kostet stolze 330 Franken, neun Gänge gibt’s für 260 Franken, eine Karte liegt nicht auf. Der Gast bezahlt den riesigen Arbeitsaufwand, den die «Memories»-Brigade fürs Dinner leistet, weniger den Warenaufwand. Der hielt sich zumindest beim «ersten Abendmahl» in Grenzen: Keine Luxusprodukte (von ein paar Körnern Oona-Kaviar auf einem Gurkenblüten-Tartelette mal abgesehen), dafür Gemüse, beschafft von handverlesenen Produzenten und mit riesigem Engagement, moderner Technik und eleganter Präsentation auf ein neues, in der Schweiz bisher kaum erreichtes Niveau geführt. Die Truppe kann was! Wassmer hat sie zu 100 Prozent aus Dreisterne- und 19-Punkte-Restaurants rekrutiert.

 

Wiedersehen mit einem Saibling. Beim «Gang des Abends» kann man den Restaurant-Namen «Memories» ziemlich wörtlich nehmen: Saibling aus dem Val Lumnezia. Dieser zarte Fisch aus den Bergen hat Wassmer in Vals berühmt gemacht, und glücklicherweise liegt er auch in Bad Ragaz wieder auf dem Teller: Sanft gegart, mit gebranntem Sennenrahm und Tanne. Die Sauce ist grandios; wir können ein ganzes Mauviel-Pfännchen davon auslöffeln! Auch der zweite Fischgang war überragend: Gedämpfter Heilbutt mit Salzzitrone, wieder mit einer fantastischen Sauce. Der letzte «von Tscharner»-Spargel aus Reichenau wurde dafür fermentiert und mit Molke kombiniert.

Der Gemüsegarten von Pratval. Sven Wassmer hat für sein «Projekt Bad Ragaz» einen sehr wichtigen Verbündeten: Marcel Foffa, Gemüsebauer im bündnerischen Pratval, nur wenige Minuten von Andreas Caminadas Schloss Schauenstein entfernt. Aus seinem Bio-Gemüsegarten stammt der erste Gang: «Gemüsegarten», mal gepickelt, mal gesalzen, mit einer überraschenden Sonnenblumencrème. Auch der Sommerlauch stammt von seinen Feldern. Zubereitet wird er ziemlich frech: Angebrannt, fast verbrannt, mit «Restposten» von der Ribelmaispoularde: Chicken-Skin (Haut!), Chicken-Jus. Zwei weitere eigenwillige, aber grandiose Bündner Produzenten sind ebenfalls «Hoflieferanten»: Marcel Heinrich vom Hof Las Sorts liefert die Albula-Bergkartoffeln (gibt’s mit Albeli-Kaviar aus dem Vierwaldstättersee), Martin Bienerth («Floh») den Andeerer Säumerchäs (gibt’s mit Tannenzapfen).

 

Flat Iron statt Kobe oder Wagyu. Sven Wassmer geht auch bei den Hauptgängen selbstbewusst seinen Weg. Sündhaft teures Kobe oder Wagyu muss nicht sein. Dafür ein zartes Alpenschaf aus dem Berner Oberland mit Wiesenkräutern und Föölabrot (aus Buttersalz) und ein hervorragendes «Flat Iron» (second cut) vom Angus Rind. Desserts und «Petit Four» sind spektakulär, letztere sind ein raffinierter Flashback zurück aufs Menu. Sven Wassmers Frau Amanda ist eine Top-Sommeliere, schöpft aus einem prallvollen Keller, entkorkt in ihrer Weinbegleitung immer wieder Flaschen aus der Bündner Herrschaft. Der Pinot Noir 2015 von Annatina Pelizzatti war auf der langen Reise ein Höhepunkt. Alkoholfrei geht auch: Auf Wunsch gibt’s zu jedem Gang ein anderes Glas: Estragon Tonic, Wilde Quitte, Woon Oolong Tee, Rhabarber Spritz. Die eine oder andere Kreation hat das Zeugs zum «Signature Dish».

Das erste Abendmahl. «Softopening» heisst’s, wenn eine Küchenbrigade den Ernstfall probt. Erwartungsfrohe Gäste: General Manager Marco Zanolari, der das Grand Resort Bad Ragaz mutig und entschlossen in eine neue Zukunft führt. Die Berufskollegen Nenad Mlinarevic («ich will es wieder wissen und zurück an den Herd») und Silvio Germann (grandioser Chef im «Igniv») und GaultMillau-Chef Urs Heller. Erster Eindruck: Sven Wassmer kocht so, wie man es in Erinnerung hat und erwartet: akribisch, eigenwillig, naturnah, überraschend, auf höchstem Niveau und in einem fantastischen Restaurant; so nahe ist man einer Spitzenküche nirgends. Das Tempo allerdings stimmt noch nicht; so lange sitzen die Gäste heute nur ungerne am Tisch.

 

>> Sven Wassmer eröffnet im Grand Resort Bad Ragaz zwei Restaurants. Das «Memories» für Fine Dining und nächste Woche das «Verve by Sven» für eine gesundheitsorientierte Küche. In diesem Restaurant mit hängendem Garten(!) ist Sebastian Titz der Küchenchef.

www.resortragaz.ch