Text: Urs Heller
41 Bewerbungen auf dem Tisch. Fachkräftemangel? Den kennt man im sympathischen Boutique-Hotel «Glacier» in Grindelwald nicht. «Wir hatten 41 Dossiers auf dem Tisch, als wir die Stelle ausgeschrieben haben», staunten Jan und Justine Pyott, «die Zeit der schlaflosen Nächte war schnell vorbei.» Auch die Qualität der Dossiers war überraschend, viele Chefs aus oberen Ligen bewarben sich für den Job. Das Rennen machte einer, der aus der berühmtesten Talentschmiede im Land kommt: Paul Cabayé, 30, von 2017 bis 2021 im «Hôtel de Ville» in Crissier VD am Herd, erst als Chef de Partie, zuletzt als Mitglied des Souschef-Teams von Franck Giovannini. Grosses Bild oben: Paul Cabayé.
Family first. Deshalb geht Steuri. Zum Wechsel im «Glacier» kommt’s, weil Robert Steuri stolzer Vater geworden ist und seine Prioritäten neu definiert: Näher zu einer Stadt, regelmässige Arbeitszeiten, was als Küchenchef in einem Hotel nicht so einfach möglich ist. Eine Kündigung, die Jan Pyott versteht, aber natürlich bedauert: «Als wir zusammen starteten, hatten wir 13 GaultMillau-Punkte. Jetzt sind es 15. Robert Steuri hat mit uns zusammen das gastronomische Konzept aufgebaut. Er war fünf Jahre im «Glacier», zuletzt zwei Jahre lang als Chef. Wir danken ihm für seinen enormen Einsatz. Justine und ich, aber auch unsere Gäste, werden ihn sehr vermissen.»
Gestählt in internationalen Wettbewerben. Nachfolger Paul Cabayé mag Herausforderungen. Er nahm, gefördert von Franck Giovannini, regelmässig an internationalen Wettbewerben teil. Mit Erfolg: 2021 wählte ihn eine prominent besetzte Jury zum «Goldenen Koch». Dafür gab’s Rampenlicht, Pokal und einen Job in Luxemburg: Cabayé übernahm das Gourmetrestaurant «Les Jardins d’Anais». Seit Mai 2022 ist er zurück in der Schweiz, gewissermassen in Warteposition: Er kocht für Dave Wälti im «Verena» in Olten (früher «Zollhaus»).
Auch die Partnerin kocht: Souschefin! Gut für Grindelwald: Cabayés Partnerin Stéphanie Zosso ist ebenfalls eine begabte Köchin und wird im «Glacier» neuer Souschef. Die ehrgeizige, 25jährige Frau aus Münsingen wurde im Restaurant Schöngrün in Bern ausgebildet, gewann 2019 den «Marmite Youngster», war 2021 beim «Goldenen Koch» auf Platz 2 und räumte mit der Schweizer Junioren-Nationalmannschaft beim «Culinary World Cup 2022» Preise in verschiedenen Kategorien ab.
Grindelwald & die Gourmet-Landkarte. Stéphanie Zosso startet im «Glacier» bereits Mitte Februar, Paul Cabayé folgt Ende April. Die Vorgaben bleiben unverändert: «Wir wollten Grindelwald wieder auf der Schweizer Gourmet-Landkarte positionieren. Das ist uns gelungen. Auch mit Paul Cabayé streben wir wieder eine Top-Küche an», sagt Jan Pyott, der einen grossen Anteil am Erfolg des Hauses hat. Er ist ein smarter Gastgeber, wacht über einen fantastischen Weinkeller (5500 Etiketten, 100 davon aus der Schweiz), hat das Viersterne-Superior-Boutiquehotel (28 Zimmer & Suiten, DZ ab 260 CHF) rundum renoviert und einen hübschen Spa eingebaut. Und wie sieht es sonst aus in Grindelwald? In der «Bergwelt» und im «Belvedere» stehen Chefwechsel an. Einen sehr guten Eindruck haben die Tester von Chef Markus Handau im «Schweizerhof» (14 Punkte).
Fotos: Thomas Buchwalder, Jonas Weibel, HO