Dominique Gauthier, haben Sie realisiert, wie die Zeit in den letzten 30 Jahren verstrichen ist? 
Zum Glück - oder leider - nicht! Ich war 25 Jahre alt, als ich hierher kam, und bin jetzt 55. Das Beau-Rivage ist Teil von mehr als der Hälfte meines Lebens. Ich stieg vom Chef de Partie zum Souschef von Richard Cressac auf: In den ersten zehn Jahren konnte ich das, was ich bei grossen Chefs wie Jacques Chibois, Jo Rostang, Fernand Point und Georges Blanc gelernt hatte, in die Praxis umsetzen. Vor allem aber konnte ich mich mit der Einzigartigkeit der Gastronomie in einem Haus vertraut machen, in dem man nicht nur ein Gourmetrestaurant, sondern auch eine Bar, den Zimmerservice und das Catering managen muss. In 30 Jahren habe ich viele Stationen durchlaufen. 

Was hat sich in den 30 Jahren verändert?
Das Team ist von 40 auf 60 Personen angewachsen, darunter sind 25 Köche. Die «Kulisse» der «Chat Botté» hat drei Mal gewechselt. Ich habe sechs Direktoren und zwei Besitzer kommen und gehen sehen. Und das alles in einem Restaurant, das 1967 eröffnet wurde, in dem Jahr, in dem ich geboren wurde!

/dominique_gauthier Beau Rivage Genf

Schweizer Alpen-Lachs aus dem Misox mit Yuzu und Kaviar. 

Hotel Beau Rivage Dominique Gauthier, Genf, GE

Elegant: das Swiss Deluxe Hotel Beau-Rivage in Genf.

Wie wirkt sich der jüngste Besitzerwechsel auf Sie aus? 
Nach 29 Jahren mit der Familie Mayer habe ich mich schon gefragt, was auf uns zukommt. Aber alles läuft gut, und ich muss zugeben, dass unser Austausch sehr schmeichelhaft für mich ist: «Le Chat Botté» wird weiterhin als Trumpf des Hotels angesehen. Das Restaurant hat einen historischen Wert: Es war das erste Restaurant in einem Genfer Grandhotel, das auch für externe Gäste öffnete.

Welches ist die schönste Erinnerung, die Sie im Zusammenhang mit dem Beau-Rivage haben? 
Ich bin versucht zu sagen, dass es 30 glückliche Jahre waren. Wenn es einen Mann gibt, der in seinem Beruf wirklich glücklich ist, dann bin ich das. Ich hatte die Chance, meinen eigenen Stil zu entwickeln und dabei wurde ich vom Hotel, der Presse und meinen Gästen stets unterstützt und meine Arbeit hat alle begeistert. Das ist ein fantastisches Gefühl. Und trotzdem: Ich habe noch immer ein bisschen Lampenfieber, wenn ich das Lokal betrete.

Wirklich?
Ja, jeden Tag. Es ist wie im Theater, es ändert sich nie.

Und was war das Schlimmste, das Sie erleben mussten? 
Das war ganz klar die Corona-Pandemie. Als wir schliessen mussten und all unsere Gäste angerufen haben, dass wir sie nicht mehr empfangen dürfen. Das war schrecklich. Wir verteilten die Lebensmittel, räumten auf, schlossen das Lokal ab und gingen nach Hause – ohne zu wissen, wie lange die Situation dauert. 

Gibt es ein Gericht in Ihrer Karriere, auf das Sie besonders stolz sind?
Zwei Gerichte haben sich über die Jahre zu meinen Signature Dishes entwickelt: Froschschenkel im Tempurateig und Langoustinen in Kadaïf (Engelshaar). Beide Rezepte sind über 15 Jahre alt. Als ich sie kreierte, hätte ich nicht mit diesem Erfolg gerechnet. Daneben gibt es noch das Trüffel-Bonbon – das durfte ich schon auf der ganzen Welt zubereiten. Diese Gerichte zeigen meine Handschrift am besten.  
 

HyperFocal: 0 Hôtel Beau-Rivage, Dominique Gauthier, Genf, GE © HO

War mit grossen Schritten unterwegs in den vergangenen 30 Jahren: Dominique Gauthier. 

Dominique Gauthier Beau Rivage Chat Botté

Jakobsmuschel aus der Bretagne mit Topinambur und Trüffel.
 

Hatten Sie mal einen Gast, der Sie mit seiner Reaktion über ein Gericht besonders berührt hat?
In 42 Jahren am Herd, 20 hier als Chefkoch, ist es immer noch eine Belohnung, jeden Tag Komplimente von Gästen zu erhalten. Aber ganz am Anfang gab es zwei Stammkunden, die an meine Küche geglaubt und mich ermutigt haben. Sie kamen regelmässig und erzählten mir offen, was ihnen gefallen hatte und was ich noch besser machen kann. Der eine kommt immer noch. Der andere ist leider gestorben. Aber sein Sohn kommt immer wieder ins «Chat Botté». Das berührt mich. 

Und wo werden Sie in 30 Jahren sein?
(Lacht). Ich hoffe, dass ich dann immer noch hier bin und mich um meine Enkelkinder kümmern kann. Aber am meisten hoffe ich, dass ich wieder mehr Zeit mit meiner Frau verbringen kann. Wir haben uns kennengelernt, als wir 20 Jahre alt waren. Und seitdem unterstützt sie mich bedingungslos, auch wenn ich mehr Zeit in der Küche verbringe als mit ihr.

In welchem Restaurant gehen Sie selbst am liebsten essen? 
Ich gehe gerne zu meinen ehemaligen Stellvertretern, Bruno Marchal im «Bristol» (Genf) und Armel Bedouet im «L'Aparté» (Genf). Ich bin stolz darauf zu sehen, wie sie ihr Talent weiterentwickelt haben. Auch zu Daniel Humm in New York zu gehen, hat mir viel Freude bereitet.

Gibt es Zutaten, die Sie nicht zubereiten möchten?
Ich mag keine Peperoni. Roh ist sie unverdaulich. Und gekocht ist sie bitter. Ich esse sie nicht und daher verwende ich sie in der Küche nur, wenn ich darum gebeten werde. Aber meine Frau liebt sie! Manchmal nehme ich sie, um einem Gericht Farbe zu verleihen. Und dann sind da noch Insekten. Ich glaube, damit möchte ich wirklich nicht kochen.
 
Haben Sie einen Traum, den Sie sich im Restaurant noch erfüllen möchten?
Ich lebe meinen Traum jeden Tag. Besonders im Moment, denn ich bin von einem fantastischen Team umgeben, sowohl in der Küche als auch im Speisesaal. Und das geniesse ich jeden Tag. Ich werde also alles tun, um dieses Team so zu erhalten, wie es ist.

 

www.beau-rivage.ch