Text: David Schnapp Fotos: David Biedert

Sie waren Kellner und Ingenieur; wie wurde aus Ihnen schliesslich ein Koch?

Zunächst: Ich war nie Kellner, habe aber einen Sommer lang in einem Restaurant gekellnert. Ingenieur zu sein, ist ein wichtiger Teil von mir. Eine höhere Ausbildung, egal ob man Koch ist oder sonst einen Beruf ausübt, ist ein Zeichen dafür, dass man lernen und weiterkommen will. Restaurants haben mir immer gefallen. Dass ich als 43-Jähriger in Hongkong mein erstes Lokal übernommen habe, war eher ein Unfall als ein Karriereplan. Danach wurde es zum glücklichen Zufall.

 

Sie kochen zum zweiten Mal in der Schweiz, vor einigen Jahren waren Sie schon am St. Moritz Gourmetfestival. Was mögen die Schweizer?

Die Gäste in der Schweiz suchen nach diesem eindeutigen exotischen Geschmack, man muss deshalb kräftig würzen. Zitronengras soll nach Zitronengras schmecken und Chili sollen als solche erkennbar sein.

Alvin Leung Heiko Nieder

Ost und West: Alvin Leung mit Heiko Nieder bei «The Epicure».

Alvin Leung Dolder Zürich

«Glücklicher Zufall»: Alvin Leung im Gespräch.

In der Schweiz gibt es einen bekannten Chef, den man den «Hexer» nennt, Sie selbst tragen den Übernamen «The Demon Chef». Wofür sind solche Labels gut?

Ein Name sagt noch nicht viel über den Inhalt aus. «Demon Chef» bedeutet für mich, dass ich spielerisch an Dinge herangehe. Aus meiner Sicht mache ich nichts Verrücktes. Aber für andere klingt es crazy, wenn man Speck brät und daraus Eiscreme macht. Für mich ist das sinnvoll. Mein Ziel ist es Dinge zu kreieren, die noch keiner kreiert hat.

 

Ist der Antrieb für Ihre Küche eher technischer und kultureller Natur oder geht es Ihnen um klassische kulinarische Tugenden wie Produkt, Geschmack und Saison?

Kultur ist ja eigentlich alles, Essen ist ein wichtiger Teil unserer Kultur. Dann gibt es die klassische Küche und die neuen Technologien, die für mich interessant sind. Am Ende bedeutet Essen, dass man sich wohlfühlt, dass vertraute Geschmäcker auftauchen – darum geht es mir. Am Ende kommen die Leute wieder, weil es ihnen geschmeckt hat. Nur der Weg dahin ist vielleicht verschieden.

Sehen Sie sich selbst eigentlich als Teil des Unterhaltungsgeschäfts oder der Gastronomiebranche?

Gibt es da einen Unterschied (lacht)? Ich mache verschiedener TV-Shows, es gibt für mich keinen Grund, warum man nicht beides tun kann – kochen und unterhalten. In der Unterhaltung geht es um Optik und Akustik, das sind auch beim Essen Schlüsselelemente.

 

Auf welches Ihrer Gerichte sind Sie stolz?

So denke ich nicht, mir geht es nicht um ein einzelnes Gericht. Ich bin stolz auf meinen Weg. Und überhaupt: Wenn ich auf eines meiner Gerichte nicht stolz wäre, würde ich es ja nicht servieren, nicht wahr? Die Zeiten sind im Übrigen vorbei, wo man als Koch noch mit ein, zwei Signature Dishes überleben konnte. Das reicht heute nicht mehr.

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Sie haben Restaurants in Hong-Kong, Malaysia oder Kanada: Wohin geht der Trend der Küche aus Ihrer Sicht?

Ich finde Trends kulinarisch nicht interessant höchstens aus psychologischen Aspekten. Wie beeinflusst zum Beispiel Netflix die Leute, und wie wollen sie heute essen? Früher hat man seinen besten Anzug getragen, ist ins Restaurant gegangen, und es war ziemlich formal und steif. Heute wollen die Leute sich selbst sein, es findet eine starke Individualisierung statt. Es ist aber schwierig für einen Koch, wenn er für jeden Gast individuell kochen muss.

 

Ihre Gerichte tragen Namen wie «Ode an den Drachen». Wie erklären Sie das jemandem, der noch nie bei Ihnen gegessen hat?

In diesem Gericht geht um Bruce Lee. Er hat sich sehr proteinreich ernährt und sein Lieblingsgericht war Rindfleisch mit Austernsauce und Tofu. Daraus habe ich meine Version gemacht. Wer zu mir ins Restaurant kommt, sollte lernwillig sein, und etwas über Hongkong erfahren wollen. Dann wird er ein unvergleichliches Erlebnis haben, dass er nirgendwo sonst haben kann.

 

>> Alvin Leung, 58, wuchs in London und Kanada auf. Er war Ingenieur, bevor er 2003 das Restaurant eines Freundes in Hongkong übernahm und es in «Bo Innovation» unbenannte. 2014 erhielt er den dritten Michelin-Stern. Seine Küche nennt der autodidaktische Küchenchef «X-treme chinese Cuisine». Leung führt eine Reihe von Restaurant in Asien und Kanada und tritt in verschiedenen TV-Shows wie «Master Chef» auf.