Fotos: Olivia Pulver
Ein Traum geht in Erfüllung. Der Induktionsherd hat im Wiesner Mysterion in Bramboden ausgedient. Stefan Wiesner alias der «Hexer aus dem Entlebuch» setzt voll und ganz auf Feuer. Vor dem Restaurant steht neu eine Feuerküche – ein mobiler Schiffscontainer, den er zu einer multifunktionalen Küche umbauen liess. «Damit ist für mich ein grosser Traum in Erfüllung gegangen», sagt Wiesner. «Die neue Küche ermöglicht uns, ausschliesslich auf Feuer zu kochen.» Diese Neuerung ist einzigartig, und Stefan Wiesner somit der erste Schweizer Spitzenkoch, der sich vollumfänglich dem Feuer verschrieben hat.
Das neue Gourmet-Menü startet simpel: mit einer Wurst und Rüeblisenf.
Von der Mysterion-Terrasse hat man eine atemberaubende Sicht auf die Biosphäre Entlebuch.
100 Prozent Feuer. Die Feuerküche bietet Platz für zwei grosse Feuerstellen, auf denen die Wiesner-Crew Fleisch, Fisch und Gemüse grilliert, aber auch Saucen ansetzt oder Schmorgerichte in grossen Töpfen köcheln lässt. Rechts von der Feuerstelle befindet sich der Holzofen, in dem grosse Brotlaibe – zum Beispiel das schwarze Kohlebrot – kleine Brötchen und sogar Scones gebacken werden. «Die ehemalige Restaurantküche nutzen wir eigentlich nur noch zum Anrichten und für den Abwasch», erklärt Stefan Wiesner.
Saucen, Fonds, Schmorgerichte: Alles wird auf Feuer gekocht.
«Nose to Fin» vom Stör: Leberparfait, Innereienknusper, Kaviar.
Mistkratzerli-Jus aus der Entenpresse. Aus der neuen Feuerküche schickt Wiesner das komplette 9-Gang-Gourmetmenü – aktuell passend zum Thema Feuer. Den Auftakt hält er allerdings bewusst simpel und startet mit einer Wurst vom Feuerring und Rüeblisenf, einem Sauerteig-Stockbrot und Löschi-Butter. «Die Löschi ist ein Gemisch aus Erde und Holzkohleabfall, die beim Köhlern eine wichtige Rolle spielt», erklärt der Hexer. Für sein Mistkratzerli presst Wiesner die flambierten Karkassen durch eine Entenpresse und gewinnt daraus einen Jus. «Nose to fin» lautet das Motto beim Fischgang. Denn Wiesner verarbeitet nicht nur das Filet des Störs, sondern verwertet auch die Innereien, die Haut und sogar die Knochen.
Zufrieden: Stefan Wiesner alias der «Hexer aus dem Entlebuch» in seiner neuen Feuerküche.
Spektakel mit dem Flambadou! Gourmet-Gäste sind eingeladen, die Wiesner-Crew draussen in der Feuerküche bei der Arbeit zu beobachten. Das lohnt sich besonders beim «Pasta-Gang». Dann kommt nämlich der Flambadou zum Einsatz – ein altes Kochgerät. Im gusseisernen Trichter befindet sich Schweinefett, das der Hexer entzündet, um die Kohlrabi-Nüdeli zu übergiessen.
Viererlei vom Dexter-Rind: Ragout, Ochsenmaulsalat, Carpaccio und Pastrami.
Stefan Wiesner presst die Mistkratzerli-Karkassen durch die Entenpresse.
Eigener Käse nach alter Tradition. Stefan Wiesner möchte so viele Produkte wie möglich im Mysterion in Bramboden selbst herstellen. So auch den Käse. Deshalb kommt Peter Limacher, ein befreundeter Käser aus dem Entlebuch, ab und zu vorbei, um vor Ort über dem Feuer zu käsen. Da müssen auch Wanderer und Biker kurz anhalten, um dem Spektakel beizuwohnen. Wiesner und Limacher produzieren Mutschli und Brie. Der Heublumen-brie ist Hauptkomponente beim Käsegang und liegt auf einem heissen Eisen aus dem Feuer, sodass der Käse schön schmilzt.
Erst kommt das Schweinefett in den süttigheissen Flambadou.
Dann wird das Fett im Feuer entflammt, um die Kohlrabi-Nüdeli damit zu übergiessen.
Fertig ist der Pasta-Gang: Kohlrabi-Nüdeli mit Chimichurri von den Kohlrabi-Blättern.
Dessert mit Honig & Biene. Das Dessert ist nicht vegetarisch, auf der Halbkugel thront eine Biene. «Die Bienen sind eines natürlichen Todes gestorben. Ein befreundeter Imker gibt sie mir», so Wiesner, der weiss, dass Insekten nicht jedermanns Sache sind. «Ich nehme es den Gästen nicht übel, wenn sie die Biene nicht essen», sagt er und lacht.
In Anlehnung an den «Coup Striptease»: Honig, Bienenwachs, Schokolade, Torf und eine frittierte Biene.
Im «Wiesner Mysterion» kann man auch übernachten.
Sämtliche Brote werden im Holzofen gebacken.
Ein 5-Gang-Menü zum Frühstück. Aber auch die Werkstatt-Kost wird ausschliesslich auf Feuer gefertigt. «Die vier Gänge bereiten wir auf den Feuerringen auf der Terrasse zu. Die Gäste können unseren Köchinnen und Köchen jederzeit bei der Arbeit über die Schulter blicken.» Auf den Feuerringen, die der Künstler Andreas Reichlin fertigt, wird übrigens auch das Mysterion-Frühstück, zubereitet. Übernachtungsgäste kommen in den Genuss dieses einmaligen Erlebnisses: Neben Kohlebrot, Scones, hausgemachten Konfitüren und Saft aus Americano-Trauben gibt es Rührei mit Wildkräutersalat, eine Variation vom Rettich, grillierter Lattich und ein Würstchen mit Kimchi im indischen Fladenbrot.
Unglaubliches Frühstück: Mit fünf kleinen Gängen vom Feuerring.
Kult-Koch über die Grenzen hinaus. Stefan Wiesner überzeugt mit seiner alchemistischen Naturküche nicht nur Gäste, sondern auch Kritiker. Der Guide GaultMillau bewertet Wiesner seit vielen Jahren mit 17 Punkten. Auch der Guide Michelin schickt Sterne nach Bramboden. Das Gourmetrestaurant Wiesner-Zauber wird mit einem roten und einem grünen Stern ausgezeichnet, die Werkstatt-Kost mit dem grünen Stern und dem Bip-Gourmand. Dank seiner extravaganten Gerichte und Auftritten in TV-Sendungen wie «Kitchen Impossible» hat «der Hexer» längst Kultstatus erreicht.