Text/Fotos: David Schnapp

Luxus für die Gäste. Erst spät hat Christian Kuchler auf Heimlieferungen umgeschaltet. «Ehrlicherweise dachte ich, dieser ganze Spuk ist nach einem Monat vorbei», sagt er heute. Weil sich der Lockdown für die Gastronomie noch etwas länger hinziehen dürfte, hat der 35-Jährige auf Lieferservice umgestellt. Der erfolgreiche Chef im legendären «Schäfli» (18 Punkte, 2 Sterne) im thurgauischen Wigoltingen steht für eine klassische, luxuriöse Küche mit einem modernen Twist. Aber wie bringt man das zu den Gästen nach Hause, wenn die nicht ins Restaurant kommen dürfen?

 

Spätzli, Steinbutt, Spargel. Kuchlers Take-Away-Menü besteht aus einer kleinen, aber feinen Auswahl an kalten Vorspeisen sowie Hauptgängen mit Fisch, Fleisch, Krustentieren oder vegetarischen Ravioli. Zum Dessert gibt es eine kleine Friandise-Auswahl. Zwar sind auch geschmorte Kalbskopfbacken mit Ahornjus dabei – Vater Wolfgang Kuchler schabt dazu eigenhändig die Spätzli –, aber die «Schäfli»-Stammgäste müssen nicht auf eine den Umständen angepasste gehobene Küche verzichten. Das spiegelt sich durchaus auch im Preis: Weisser Spargel gibt es für 32, bretonischer Steinbutt kostet 72 Franken. «Ich bezahle im Einkauf für den Fisch ja nicht weniger, nur weil das Essen nach Hause geliefert wird», sagt Kuchler.

Take Away Menü Schäfli

«Einmal alles zum Mitnehmen»: das komplette «Schäfli»-Menü für zu Hause.

Perfektes Mise en place. Der Kundschaft in der Region liefert Christian Kuchler ihre Bestellungen persönlich und gegen eine deftige Kilometergebühr nach Hause. Wir holen «einmal alles, zum Mitnehmen» selber ab und fahren mit zwei handgemachten «Schäfli»-Papiertragetaschen nach Hause. Eine ganze Reihe vakuumversiegelte Beutel sowie kleine und grössere Kunststoffbehälter müssen ausgepackt und sortiert werden. Aber das Mise-en-Place ist so perfekt, wie man sich das aus einer 18-Punkte-Küche vorstellt Dazu gibt es eine Anleitung auf Papier, wie die verschiedenen Gerichte fertigzustellen sind. Sie ist «tubelisicher», wie Christian Kuchler wohl sagen würde.

Erwärmen, braten, gratinieren. Manche Saucen muss man noch kurz aufkochen, die meisten Gerichte lassen sich in einem Steamer oder Backofen erwärmen, Brot wird kurz aufgebacken oder unter dem Ofengrill gratiniert – ebenso wie die Ravioli, bei denen eine Rahm-Parmesan-Mischung mit Ofentomaten separat mitgeliefert wird. Den Steinbutt braten wir vorschriftsgemäss zwei Minuten im Olivenöl an, er ist danach perfekt und noch leicht glasig. Ebenso wie der kanadische Hummer mit Gemüse und Bisque, der im Ofen bei 60 Grad temperiert wird und danach den idealen Garpunkt hat. Empfehlenswert ist es allerdings, nicht zu viele verschiedene (warme) Speisen zu bestellen, um den Koordinationsaufwand tief zu halten. Am einfachsten gelingen naturgemäss die kalten Vorspeisen: Entenleber mit Apfel-Ingwerkompott, Sashimi oder Vitello Tonnato brauchen nur noch angerichtet zu werden.

 

Fazit. «Schäfli»@home gehört zum Besten, was gute Restaurants zurzeit für den Genuss zu Hause anbieten. Das Vitello Tonnato von der Kalbshuft mit einer cremigen, ausgezeichneten Thunfischsauce etwa, wird mit Risinabohnen, Croutons und knusprigen Knoblauchscheiben verfeinert, das Sashimi von Lachs und Tuna bekommt eine hervorragende Soja-Vinaigrette mit perfekter Süsse-Säure-Schärfe-Balance und der Steinbutt ist mit einer Selleriemousseline, cremiger Lauchjulienne und Thai-Nage nicht weit von dem entfernt, was man sich aus Kuchlers Restaurant gewohnt ist.