Text: Urs Heller I Fotos: Salvatore Vinci

«Boutique Mountain Escape». «Unser Dream Projekt!», sagen John (sprich: Jon) Jezewski und Christian Brangenfeldt und servieren auf der Terrasse auf einem Crumble schon mal ein fettes Radiesli mit fast rohem grünem Spargel und Senfsaat. Die beiden gehören zur starken schwedischen Kolonie in Engelberg. Beide haben bereits ein paar Jahre in Engelberg gearbeitet, sind jetzt aber aus der 0815-Küche geflüchtet und machen hoch über dem Dorf ihr eigenes Ding. Die Rollen sind klar verteilt: John Jezewski kocht und bringt seine wilden Gerichte gleich selbst an den Tisch. Und Christian Brangenfeldt? «Ich bin Sommelier, kümmere mich um Zimmer und Administration, ziehe die Betten frisch an, serviere Frühstück und putze das ganze Haus. Mehr als einen Angestellten können wir uns noch nicht leisten.» Idylle pur: Neben dem Hotel («Boutique Mountain Escape») äst ein Rehbock. «In Schussdistanz», wie der Jäger am Tisch elektrisiert feststellt. Grosses Bild oben: John Jezewski (r.) und Christian Brangenfeldt. 

VILLA HUNDERT | BOUTIQUE MOUNTAINSCAPE GERICHT: CAMPFIRE BREAD (SCHLANGENBROT) Fotografiert am 20.07.2023

Raffiniert: Schlangenbrot mit geräuchter Butter.

VILLA HUNDERT | BOUTIQUE MOUNTAINSCAPE Küchenchef John Jezewski Fotografiert am 20.07.2023

Solo in der Küche: Chef John Jezewski 

VILLA HUNDERT | BOUTIQUE MOUNTAINSCAPE DESSERT: HOLLOW PARSNIP, PARSNIP ICE CREAM, STANS BRIE CHEESE Fotografiert am 20.07.2023

Eine Pastinake mutiert zum Glacestängel.

Wildkräuter von der Fürenalp. Was die Jungs fasziniert, ist nicht zu übersehen. Fast alle Gerichte sind ziemlich «grün», und wirklich alle haben den Extrakick. Wildkräuter bereits zum Start, frisch gezupft und zu einem kleinen Bouquet gebunden, serviert mit geräuchertem Lachs. Fermentierte Peterliwurzel, mit Gerschnialp-Bergkäse von «local hero» Sälmi Töngi. Und ein Mini-Pfannkuchen mit fermentierter Weggiser Kirsche. Die Wildkräuter sammeln die beiden Gastgeber selbst: «Wir gehen mit der Saison. Die ersten Kräuter pflücken wir in Grafenort, dann werden wir in Engelberg fündig. Im Sommer fahren wir hoch auf die Fürenalp – ein wahres Kräuterparadies.» Auf 1850 Metern.

VILLA HUNDERT | BOUTIQUE MOUNTAINSCAPE Aussenaussicht DROHNE,Fotografiert am 20.07.2023

Wer sucht, der findet: Die «Villa Hundert» hoch über Engelberg.

«Ich bin ein Pyromane». Die zweite Leidenschaft: Feuer! «Ich bin ein Pyromane», lacht Chef John, «so oft ich kann, stehe ich draussen im Garten an Feuerring und Grill.» Wir kriegen eine gegrillte und gepökelte Gurke mit Gurkensuppe, Cassisblättern und Wildrapsblüemli; etwas Oona-Kaviar (von der Einsteiger-Qualität) liegt auch im Teller. Wir zupfen aus einem Pflanzentopf ein grilliertes Schlangenbrot mit geräuchter Butter. Und natürlich kommt auch der Gang des Abends vom Grill: Butterzarte Lammbrust, in mehrtägiger Arbeit zubereitet, sous-vide und auf dem Feuer. Dazu eine elegante Crème, selbstgezupfte Brennnesselblätter und Löwenzahn. Nur der weisse Spargel, fermentiert und mit einer angenehm zitronigen Note, kommt nicht vom Feuer. Einen Feigenblätter-Schaum (!) und hauchdünne Lardo-Scheiben gibt’s dazu. Desserts? Eine Pastinake mutiert zum Glace-Stengel, mit Stanser Brie und eingekochtem Boskopapfel mittendrin. Mit hohem Spassfaktor, zum Wegschlecken und Reinbeissen gut. Auch die Weinbegleitung ist voller Überraschungen: Heida von der «Domaine des Muses», Pinot Noir von Roman Hermann, aber auch (Schweizer) Sake und Cidre.

Boog, Sälmi, Holzen. Beeindruckend, wie schnell die beiden Schweden die besten Produzenten der Gegend gefunden haben. Sälmi Töngi liefert den Alpkäse, Holzen das Fleisch, und Edgar Boog («Buuregarte», Hünenberg ZG) erfüllt dem Chef alle Wünsche. Er besorgt ihm Cassisblätter und etwas verwundert wohl auch unreife Erdbeeren. John schneidet die grünen Dinger dünn auf, kombiniert sie mit reifen Erdbeeren vom Grill und mit einer Glace aus wilder Kamille. Nordic Cuisine? Die beiden Schweden orientieren sich an der Küche ihrer Heimat. Aber sie gehen lässig-leidenschaftlich ihren eigenen Weg. In den GaultMillau schaffen sie es bestimmt, über die Punktezahl denken wir noch nach. Wir verfolgen die Entwicklung gespannt und gebannt.

 

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