Text: David Schnapp

Nenad Mlinarevic, als Mitte Dezember Ihr Pop-up-Restaurant Leuehof schliessen musste, wie war Ihre Gefühlslage?

Wir sind ein Risiko eingegangen und wussten natürlich, dass es nochmals einen Lockdown geben kann. Es war wie ein Fussballspiel, das von einem starken Hagelsturm unterbrochen wurde. Wir hatten damit gerechnet, fertig spielen zu können. Dass wir es nicht beenden konnten, fühlt sich nicht gut an. Aber wir haben sehr viel Zuspruch aus der Szene, von Produzenten und Lieferanten bekommen, das war schön.

 

Wie habe Sie die letzten Monate persönlich erlebt?

Ich habe normalerweise kein Problem damit, mich zu motivieren, aber die letzten Monate musste ich schon viel einstecken, was mit der Zeit ziemlich an die Nerven geht. Es geht nicht ums Geld, sondern um ein Gefühl von immer neuen Einschränkungen bis hin zum eingesperrt sein. 

 

Sie sind nicht als jemand bekannt, der ruhig herumsitzen mag. Wo sind Sie während des Shutdowns Ihre Energie losgeworden?

Zu Beginn habe ich die Zeit zum Ausruhen genutzt, aber irgendwann wusste ich nicht mehr so recht, wie es jetzt weitergehen soll. Wir haben Karten geschrieben für den «Leuehof», für die «Bauernschänke» und die «Neue Taverne» – das war viel Arbeit für nichts. Jetzt müssen wir einfach warten.

 

Hatten Sie grundlegende Zweifel an dem was Sie tun?

Nein, ich liebe meinen Beruf und nur weil es in der Gastronomie gerade nicht läuft, will ich nicht gleich die Branche wechseln. Aber ich habe viel nachgedacht über meine zwanzig Jahre in der Küche.

 

Zu welchem Schluss sind Sie gekommen?

Ich arbeite wirklich gerne, aber vielleicht müssen es in Zukunft nicht mehr sieben Tage pro Woche sein, vielleicht schaffe ich auch in vier oder fünf Tagen, was mir wichtig ist. Möglicherweise kann ich jetzt schon anfangen, das Leben zu geniessen und nicht erst, wenn ich 60 Jahre alt bin. Es ist nicht einfach, diesen Ausgleich hinzubekommen, aber der Trend geht in die Richtung von mehr Work-Life-Balance. Das 3-Sterne-Restaurant Maaemo in Oslo ist beispielsweise nur noch vier Tage pro Woche geöffnet.

 

Gibt es etwas, was Sie unbedingt ändern wollen?

Ich fange mit kleinen Sachen an. Ich checke meine Mails nur noch zweimal am Tag. Einmal am Tag habe ich einen festen Self-Care-Moment, dann gehe ich spazieren oder zur Massage. Ich habe mit Yoga angefangen, und bei all diesen Dingen geht es darum, mich selber besser wahrzunehmen.

Neue Taverne

«Nur die Terrassen aufzumachen, bringt nichts»: Neue Taverne in Zürich.

Eröffnung Restaurant Bauernschänke, Nenad Mlinarevic

Bereit, loszulegen: die Bauernschänke im Zürcher Niederdorf.

Sie führen mit Valentin Diem die «Bauernschänke» und die «Neue Taverne». Gibt es Pläne für weitere Restaurants?

Es gibt immer wieder Projekte, die uns angetragen werden, es öffnen sich neue Türen – nicht zuletzt, weil Kollegen als Folge der Corona-Massnahmen aufgeben müssen. Aber etwas Konkretes gibt es noch nicht. Im Moment kümmern wir uns im Alltag vor allem um bürokratische Themen bei Entschädigungszahlungen zum Beispiel. Da kann es sein, dass man die Kopie eines Ausweises nochmals einschicken muss, weil das erste Dokument von einem Amt zurückgewiesen wurde.

 

Haben Sie mit Ihren Küchenchefs Gino Miodragovic und Thomas Brandner schon die Menüs definiert, die zur Wiedereröffnung serviert werden?

Wir warten vorerst ab, nur die Terrassen unserer Restaurants aufzumachen, können wir für uns jetzt schon ausschliessen, das bringt nichts. Alle sind auf Stand-by und bereit, loszulegen, wenn wir dürfen. Aber es bringt nichts, jetzt Menüs zu schreiben, weil wir ja mit nichts rechnen können.

 

Kann man Kochen eigentlich verlernen, wenn man monatelang keine Praxis hat?

Es wird sicher ein, zwei Wochen brauchen, bis alle wieder mental bereit sind, bis jeder merkt, dass er einen Schritt schneller sein muss. Zu Hause kann man Dinge aufschieben: Wenn ich die leeren Flaschen heute nicht entsorge, mache ich es morgen oder übermorgen. In einem Restaurantbetrieb geht das nicht.

Eröffnung Restaurant Bauernschänke, Nenad Mlinarevic

«Vielleicht müssen es nicht mehr sieben Tage Arbeit pro Woche sein»: Nenad in der «Bauernschänke»-Küche.

Was halten Sie eigentlich vom grossen Take-away-Boom, ist das ein Modell für die Zukunft?

Das geht vorüber. Die Restaurants, die vorher schon Take-away gemacht haben, waren schon immer darauf ausgelegt, und werden das weiterhin anbieten. Alle andern sind dafür kaum geeignet. Viele Gerichte funktionieren nicht zum Mitnehmen, deswegen haben wir in unseren Restaurants weitgehend darauf verzichtet.

 

Wie schätzen Sie die Lage ein – was passiert, wenn die Restaurants wieder aufgehen?

Ich glaube, es wird richtig knallen. Die Gäste werden statt einem Glas Wein eine ganze Flasche bestellen. Aber ins Restaurant zu gehen ist ja mehr als Essen und Trinken, es ist ein Happening, das die Leute unglaublich vermissen.

 

>> www.auswaertsgehen.ch

 

Fotos: HO, Olivia Pulver, Pascal Grob