Text: David Schnapp Fotos: Lucia Hunziker/p>
Viel Publikum. Es brummt mittags im eben eröffneten Casino mitten in Bern. Letzte Woche ging es los, unter anderem mit einem über vier Stunden dauernden Konzert von Stefan Eicher im grossen Saal. In den vier Restaurants ist aber der Alltag eingekehrt. Das Berner Publikum kommt zahlreich, ist neugierig und lässt sich anscheinend gerne auf die recht unterschiedlichen kulinarischen Angebote ein, die Casino-Direktor Ivo Adam, sein kulinarischer Direktor Florian Bettschen und die Verantwortlichen für die verschiedenen Outlets sich ausgedacht haben.
Vier Chefs. Patissier Samuel Dobler produziert unter anderem Törtchen, Kuchen und Pralinés, die entweder im elegant-zeitgemässen «Salon d’Or» zum Kaffee oder im grossen Restaurant zum Dessert serviert werden. Dort setzt Adrian Bürki auf «Grosses Pièces». Dave Wälti serviert in der Bistrobar mittags einfache Gerichte und zeitgemässe Kreationen am Abend. Und der japanische Qualitätsfanatiker Atsushi Hiraoka bietet am Chef’s Table ein Sushi-Kaiseki-Menü von erstaunlich hoher Qualität.
Erstens: Dave Wältis Tresen. Wir beginnen unseren Rundgang an Dave Wältis Tresen. Der ehemalige «Eisblume»-Sous-Chef hat alle Hände voll zu tun, die 44 Plätze an der Bar und in einer Art grossen verglasten Veranda sind gut besetzt. Eine ältere Dame isst einen Teller Pasta, zwei Geschäftsleute stellen fest, dass es in Bern «endlich ein richtig urbanes Restaurant» gebe. Wälti serviert ausgezeichnete Kleinigkeiten wie Knäckebrot mit Frischkäse, marinierter Kohlrabi mit Saibling und Shisoblatt, Kichererbsen-Fries mit Chimichurry, Kopfsalatgazpacho und eine kleine gutschweizerische Umami-Granate: Quiche mit Sauerrahm, Alpkäse, schwarzem Knoblauch und gepickelten Schalotten (grosses Bild oben). Danach gibt es eine Tomaten-Variation vom Eichhof mit hausgemachtem Ricotta, einer Essenz von grillierten Tomaten mit Zitronen-Basilikum-Öl und einer Mojo aus Tomaten, geröstetem Brot und grillierter Peperoni. «Es sind heftige Tage», sagt Wälti über den Start im Casino. Er ist ihm offensichtlich geglückt.
Zweitens: Atsushi Hiraokas Chef’s Table. Ganz hinten im grossen, geschickt fragmentierten Raum liegt etwas unscheinbar der Chef’s Table für zwölf Personen. Ein Tisch, der aussieht wie ein riesiges Hackbrett aus verleimten Holzwürfeln, dahinter steht – ruhig wie ein buddhistischer Mönch – der Japaner Atsushi Hiraoka. Er hat in Ascona schon einmal für Ivo Adam gearbeitet, jetzt ist er zum zweiten Mal in der Schweiz – und will bleiben. Er habe, so verlange es die Tradition, seine gesamte Habe an seine Familie in Japan verschenkt und sei ohne einen Rappen, nur mit einer Tasche und ein paar Messern in die Schweiz umgezogen, erzählt sein Chef.
Black Cod, Miso, perfekt. Hiraoka ist eine Entdeckung und (noch) ein Geheimtipp im grossen «Casino»-Theater. Aber der Japaner ist ein hervorragender Chef. Der leicht mit Miso marinierte und sorgfältig auf dem Hibachi-Grill auf den Punkt gegarte Black Cod hat eine perfekte Textur und schmeckt besser als die meisten uns bekannten Varianten dieser beliebten Geschmackskombination. Eine ideale Balance aus Eigengeschmack und feiner Würze hat die Kombination aus gebratenem Tofu, Aubergine, Pak Choi, Shitake und einer Venusmuschel-Soja-Essenz.
Drittens: Adrian Bürkis Restaurant. Etwas rustikaler geht es im grossen Restaurant von Adrian Bürki zu, wo bis zu 100 Gäste Platz finden. Der ehemalige Küchenchef im Maiensässhotel Guarda Val und im «Seven» in Ascona kümmert sich in Bern um die grossen Stücke. 800 Gramm schwere Wolfsbarsche werden hier in der Salzkruste jeden Abend gleich im Dutzend zubereitet. Es gibt Braten vom Wagen oder Klassiker wie Kalbshaxe und ein 72 Stunden lang geschmortes Short Rib vom Schweizer Angus-Rind mit Waldhonigjus und Hasselback-Kartoffel. Das schmeckt gut, aber es fehlt noch an Raffinement, das von frischen Kräutern, etwas Säure oder einer Salsa kommen könnte. Da wirkt die Vorspeise aus Alpstein-Geflügel besser komponiert: Entenrillette mit konfiertem Schenkel und ungestopfter Leber sowie Americano-Trauben-Gelee, dazu Geflügellebermousse und eingelegte Büschelibirnen.
Phase des Verliebtseins. Ivo Adam und Florian Bettschen, die beiden kulinarischen Oberaufseher über das Casino-Geschehen, sind zufrieden mit dem Start: «Im Moment ist es auch noch einfach, die Leute zu motivieren», sagt Küchendirektor Bettschen. Schwierig werde es dann in einem halben Jahr, wenn die erste Phase des Verliebtseins abgeklungen sei. Bettschen organisiert den Einkauf und überwacht die Grundproduktion: Fonds und Jus etwa werden zentral hergestellt, jeder Chef passt sie dann seinen individuellen Bedürfnissen an. Adam ist Stratege und Visionär mit ständig neuen Ideen. «Zuerst müssen wir jetzt mal schauen, dass wir eine konstante, hohe Grundqualität hinbekommen», sagt er. Darauf könne man dann aufbauen. Florian Bettschen geht es pragmatisch an: Ich höre mir jede von Ivos Ideen an. Dann entscheide ich, welche umgesetzt werden.
Viertens: Samuel Doblers Salon. Wir wechseln ein letztes Mal den Sitzplatz, diesmal ist es ein bequemes plüschiges Sofa in Goldfarben. Im «Salon d’Or» gibt es zum ausgezeichneten Espresso ein Marroni-Törtchen und Vanille-Eis am Stiel mit frischen Früchten von Chef-Patissier Samuel Dobler – hervorragendes Handwerk auch hier. Das neue Berner Casino ist ein grosses kulinarisches Spielfeld. Die Bälle sind aufgelegt, nun können die Chefs die Tore schiessen.
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