Text: David Schnapp Fotos: Thomas Buchwalder, Geri Born, Lucia Hunziker, Pierre Montavon, Ellin Anderegg, Olivia Pulver

Caminada-Gala. Grosser Abend für 19-Punkte-Chef Andreas Caminada. Der Guide Michelin 2020 zeichnet beide «Igniv»-Restaurants in St. Moritz und Bad Ragaz mit zwei Sternen aus. Caminada selbst wird mit dem neuen Chef Mentor Award ausgezeichnet. Für Caminada ist die Auszeichnung eine grosse Freude, die vier neuen Sterne sieht er aber auch als neue Herausforderung: «Das ‹Igniv›-Konzept war nie darauf angelegt, zwei Sterne zu erlangen. Vermutlich sind wir das einzige Sharing-Restaurant weltweit mit zwei Sternen. Ich freue mich sehr für Silvio Germann, Francesco Benvenuto und Marcel Skibba. Für uns heisst das jetzt aber auch, dass wir alle ‹Igniv›-Restaurants auf dieses Niveau bringen müssen», sagt der Schweizer Starchef, der wie kein anderer ein Rezept gefunden hat, um seine Küche zu «vervielfältigen» und erst gerade sein neuestes «Igniv» in Zürich eröffnet hat. Ein viertes kommt im April 2020 in Bangkok dazu.

 

Germann hofft auf Platz im Kühlschrank. Für Marcel Skibba, dem Küchenchef im «Igniv» im Swiss Deluxe Hotel Badrutt’s Palace in St. Moritz, kommt der zweite Stern «völlig überraschend», wie er sagt. Natürlich wolle er so gut wie möglich kochen, aber gerade bei einem Sharing-Konzept sei er als Chef limitiert: «Jeder Gast soll das gleiche Geschmackserlebnis haben. Wenn man ein Gericht teilt, ist das viel schwieriger zu erreichen, als wenn jemand einfach einen Teller isst», so Skibba. «Gerade, weil wir ein Sharing-Restaurant sind, wo es vor allem darum geht, dass sich die Gäste wohl fühlen, ist diese Auszeichnung etwas Besonderes», findet auch sein Kollege Silvio Germann. Der Luzerner hätte eigentlich bereits im Flieger in die Ferien nach Bangkok sitzen sollen. Andreas Caminada erhielt aber einen diskreten Hinweis, sein Küchenchef solle den Reiseantritt bitte verschieben. Für Germann ist der zweite Stern eine gute Verhandlungsbasis: «Vielleicht bekomme ich jetzt endlich mehr Platz im begehbaren Kühlschrank», sagt er lachend. Bisher habe er den Raum mit dem benachbarten Tagesrestaurant «Olives d’Or» teilen müssen, was eine zusätzliche Herausforderung sei.

Restaurants/Küchenchefs mit neu zwei Sternen: Sven Wassmer (Memories, Grand Resort Bad Ragaz), Tobias Funke (Gasthaus zur Fernsicht – Incantare, Heiden), Enrico & Roberto Cerea (Da Vittorio, Carlton Hotel St. Moritz), Jérémy Desbraux (Maison Wenger, Le Noirmont), Silvio Germann (Igniv by Andreas Caminada, Grand Resort Bad Ragaz) und Marcel Skibba (Igniv by Andreas Caminada, Badrutt's Palace St. Moritz). 

Restaurants/Küchenchefs mit neu einem Stern: Dominik Sato (Das Restaurant/Seepark Thun, Fabio Toffolon/Werner Rothen (Zum Äusseren Stand, Bern), Thomas Bissegger (1904 Designed by Lagonda, Zürich), Markus Arnold (Steinhalle, Bern), Pierre-André Ayer (Le Pérolles, Fribourg), Jerome Achtjen (Sens, Waldhotel Davos), Armel Bedouet (L’Aparté, Genf), Antoine Gonnet (Le 42, Champéry), Sebastiano Lombardi (Le Table d’Adrien, Verbier), Benjamin Breton (Fiskebar, The Ritz-Carlton Hotel de la Paix, Genf), Agron Lleshi (Jägerhof, St. Gallen), Paolo Casanova (Chesa Stüva Colani, Madulain).

 

Kein neues 3-Sterne-Restaurant. In der Top-Liga der 3-Sterne-Restaurants gibt es keine Bewegung. Andreas Caminada (Schloss Schauenstein, Fürstenau), Peter Knogl (Cheval Blanc, Grand Hotel Les Trois Rois, Basel) und Franck Giovannini (Hôtel de Ville, Crissier) bleiben die drei einzigen Schweizer Chefs mit der höchsten Michelin-Bewertung.

 

Weitere Auszeichnungen: Young Chef Award für Marie Robert (Café de Suisse, Bex), Sommelier Award für Marc Almert (Pavillon im Hotel Baur au Lac, Zürich), Service Award für Ruth Wiget-Keiser (Adelboden, Steinen) und einen Chef Mentor Award für Andreas Caminada.

 

Die fünf Michelin-Kriterien. Bewertet werden von den anonymen Michelin-Inspektoren die Qualität der Produkte, die Kochtechnik, die Harmonie der Aromen, die Kreativität und Handschrift des Küchenchefs sowie die Konstanz – sowohl über die Zeit als auch durch ein einzelnes Menü.

 

Die Angst der Chefs. Für einige Küchenchefs war der grosse Michelin-Abend bis kurz davor eine Zitterpartie. Flavio Fermi von der Osteria Tre in Bad Bubendorf zum Beispiel hatte keine Einladung erhalten. «Ich war sehr erleichtert, dass ich sie dann im Spam-Ordner wiedergefunden habe», erzählt er lachend mit einem Glas Champagner in der Hand. Sein Restaurant bleibt mit 1 Stern und 16 Punkten ausgezeichnet. Auch für Franz Wiget (Adelboden, Steinen SZ), dem GaultMillau «Koch des Jahres 2012», war die Michelin-Einladung trotz der Auszeichnung für seine Frau Ruth auch etwas Nervenkitzel: «Ich weiss ja nie, ob ich mit meiner Küche die Tester noch überzeugen kann», sagt der sympathische Koch, der weiterhin mit 2 Sternen und 18 Punkten ausgezeichnet wird.