Text: David Schnapp | Fotos: Lukas Lienhard

Der Anfang war schwer. Zu den guten Nachrichten aus der Gastronomie gehört sicher, dass die Teams in den Küchen und Restaurants sichtbar bunter und, vor allem, weiblicher werden. Ein gutes Beispiel für diese Behauptung ist die Besetzung im «7132 Silver» (16 Punkte, zwei Sterne) in Vals. Küchenchef ist der junge Niederländer Marcel Koolen, an der Front steht seine Partnerin Franziska Wölfle. Die 27-Jährige, die zuvor im «Alchemist» in Kopenhagen gearbeitet hat, geht souverän mit den Gästen um und kümmert sich zudem hinter den Kulissen um die alkoholfreie Getränkebegleitung, für die sie fermentiert, destilliert und experimentiert. Über das Zusammenarbeiten mit ihrem Partner sagt sie, am Anfang sei das sehr schwer gewesen: «Wir mussten uns erst finden, aber mittlerweile haben wir das gelernt.» (Grosses Bild oben: Patissière Alice Stancanelli, Köchin Marie Rouvinez Bridline und Gastgeberin Franziska Wölfle, v.l.)

Franziska Woelfle

«Fermentation ist mein Hobby»: Gastgeberin und MixologinFranziska Wölfle.

Franziska Woelfle - Sauerkirschen-Kombucha mit Roiboos, Vanille, Zitronenschale

Aus Franziska Wölfles Labor: Sauerkirschen-Kombucha mit Roiboos und Vanille.

Marcel Koolen

«Mittlerweile haben wir uns gefunden»: «Silver»-Küchenchef Marcel Koolen.

Job für Perfektionisten. Und die junge Deutsche, die in Australien aufgewachsen ist, findet auch, «ein guter Mix aus Frauen und Männern in dieser Branche ist wichtig». Die Mann-Frau-Unterscheidung ist ihr allerdings gar nicht so wichtig, «die Arbeit ist für alle gleich hart», findet sie mit souveränem Gleichmut. Als Perfektionistin komme ihr die Tätigkeit in einem Top-Restaurant allerdings sehr entgegen. Hier wird schliesslich darauf Wert gelegt, dass eine blütenweisse Serviette millimetergenau an der richtigen Stelle auf dem Tisch platziert ist. 

Marie Rouvinez Bridline

Kleinigkeiten zum Start des Menüs: Marie Rouvinez Bridline auf dem Snack-Posten.

Neugierig und kreativ. Präzision ist natürlich auch in der «Silver»-Küche gefragt, wo gleich zwei Frauen auf wichtigen Positionen arbeiten: Etwas versteckt in einer Ecke steht die 26 Jahre alte Marie Rouvinez Bridline auf dem so genannten Snack-Posten. Hier werden die Kleinigkeiten zum Start des Menüs gefertigt – knusprige Blätter etwa, die an einem Bonsai-artigen Baum hängen etwa oder eine Nori-Rolle mit Schlössli-Shrimps und Kapuzinerkresse. Sie sei eine neugierige, kreative Person, sagt die junge Frau aus Sierre, deren Vater von den Seychellen, die Mutter aus der Schweiz stammt.

Marie Rouvinez Bridline - Brot mit Koji geimpft, Sauerteig

Acht Wochen experimentiert: neues Brot mit Koji-Brühstück.

Marie Rouvinez Bridline

Vom Basketball-Court in die Küche: Marie Rouvinez Bridline.

Marie Rouvinez Bridline - Norirolle mit Schlössli Shrimps, Kapuzinerkresse

Erster Eindruck: Norirolle mit Schlössli-Shrimps und Kapuzinerkresse.

Innere Qualitäten. Die praktische Folge ihrer Neugierde und Kreativität ist ein neues Brotrezept, das nach rund acht Wochen Versuchsphase demnächst den Gästen im «7132 Silver» aufgetischt werden soll. Marie Rouvinez Bridline hat es zusammen mit Marcel Koolen entwickelt und lobt ihren Chef für dessen «unterstützende Art». Mit einem geheimnisvollen, leicht süsslichen Geschmack, einer feuchten Krume und einer wunderbar knusprigen Kruste sieht man dem Gebäck auf den ersten Blick seine inneren Qualitäten nicht an. Das Geheimnis ist ein Brühstück, das aus Brotresten gewonnen wird, welche wiederum mit Koji-Edelschimmelpilz behandelt wurden. Die junge Köchin, die früher Teil des Schweizer Basketball-Juniorinnenteams war, hat das neue Rezept mit Ausdauer entwickelt. «Marcel gibt mir die Chance, eigene Ideen zu verwirklichen. Das ist eine schöne Möglichkeit, meine Kreativität auszuleben», sagt sie über die Umstände ihre Arbeit in der Küche.

Alice Srancanelli

«Ich liebe meinen Job über alles»: Alice Srancanelli beim Anrichten ihres Desserts.

Desserts sind «wirklich wichtig». Während Marie Rouvinez Bridline für die ersten Eindrücke verantwortlich ist, welche die Gäste von der «Silver»-Küche erhalten, sorgt Alice Stancanelli für den – hoffentlich erinnerungswürdigen – Abschluss des Menüs. Die Italienerin aus Monza findet Desserts «wirklich wichtig, weil sie das letzte sind, was ein Gast bekommt». Die 32-Jährige hat schon renommierte Stationen hinter sich, darunter mit dem «Geranium» in Kopenhagen das zurzeit beste Restaurant der Welt. Sie war ausserdem im «Memories» in Bad Ragaz, auf der Lenzerheide oder in Dubai. Gelernt hat sie dabei auch, was Menschen verbindet, die Freude an der harten Arbeit in der Gastronomie finden: «Wer in der Küche arbeitet, hat eine bestimmte Denkweise», sagt Alice Stancanelli.

Alice Srancanelli - Mc Flurry: Eis aus frittierten Topinanbur, Toffee, Meringue, Sauerkirsche-Umeboshi-Gel, Eingemachte getrocknete Sauerkirschen

«McFlurry»: Eis aus frittiertem Topinambur mit Sauerkirschen in verschiedenen Zubereitungen.

Alice Srancanelli

«Wer in der Küche arbeitet, hat eine bestimmte Denkweise»: Patissière Alice Stancanelli.

Alice Srancanelli - Brotcreme mit Bier, Butter, Rahm, kandierter Ingwer, Estragon-Eis, Pistache-Crumble, Joghurt-Estragon-EspumaPistazien-Donut, gefüllt mit Yuzucreme, Trauben-Gel

Grüner Abschluss: Pistazien-Donut mit Yuzu-Creme, daneben Estragon-Eis mit Pistazien-Crumble und Joghurt-Espuma.

«Darüber denke ich nicht nach.» Die Desserts von Alice Stancanelli sind Ausdruck einer grossen Hingabe zum Job. Das spasseshalber «McFlurry» genannte Eis mit Topping besteht aus einer Glace auf Basis von frittiertem Topinambur sowie Sauerkirschen in verschiedenen Aggregatszuständen. Danach gibt es eine überraschende, packende Kombination aus Estragon, Pistazien, Trauben und einer Roggenbrotcreme, welche durch die auffällig reduzierte Süsse angenehm filigran und leicht wirkt. «Desserts zu machen, braucht Präzision», sagt Alice Stancanelli. Und dann sagt sie noch diesen Satz, der die Genderfrage in der Küche auf unbeschwert-direkte Weise beantwortet: «Ich liebe meinen Job über alles, da spielt es keine Rolle, ob ich Frau oder Mann bin. Darüber denke ich ehrlich gesagt überhaupt nicht nach.»