Die Hilflosigkeit der Familie. Während seiner manischen Phasen hatte Heston Blumenthal unzählige geniale Einfälle. Doch wenn die Depression zuschlug, war der Chef des legendären Restaurants «The Fat Duck» im englischen Bray am Boden zerstört. Auf die richtige Diagnose – bipolare Störung – und eine Medizin, die ihm half, musste er warten, bis er 57 Jahre alt war. Ein grosses Problem für ihn und für seine ganze Familie. «Wir haben uns drei Wochen lang darauf vorbereitet, dich für eine halbe Stunde zu sehen. Und es gab nichts, das ich für dich tun konnte», sagt Blumenthals Sohn Jack in der BBC -Dokumentation «Heston: My Life with Bipolar» zu seinem Vater. Der sagt nur: «Es tut mir leid». Und wischt sich eine Träne aus den Augen. Der Schmerz, den der gefeierte Koch empfindet, ist durch den TV-Bildschirm hindurch spürbar. Bild oben: Heston Blumenthal während Aufnahmen für eine Kochshow.

Fine Dining Bread and Paté Meat Fruit by Heston Blumenthal

Täuschung à la Heston: Was wie eine Mandarine aussieht, ist in Wirklichkeit eine Geflügelleber-Pâté.

Ende 2023 kam die Psychose. «Viele Jahre lang dachte ich, ich sei einfach anders gewickelt», erinnert sich Heston Blumenthal, der Erfinder von ikonischen Gerichten wie Speck-und-Eier-Glace oder Schnecken-Porridge. Doch dann wurde der Graben zwischen seinen hellen und seinen dunklen Stunden immer tiefer. Bei den Dreharbeiten zu einer Kochshow vor ein paar Jahren musste er sich auf den Boden legen, um seine Qualen irgendwie auszuhalten. Ende 2023 artete eine manische Phase in eine Psychose aus. Blumenthal halluzinierte, verfiel in eine Paranoia und war besessen vom Thema Tod. Es war der Tief-, gleichzeitig aber auch der Wendepunkt in seinem Leben. Zum ersten Mal begab er sich in eine Klinik und erhielt die für den Weg der Besserung so essentielle Diagnose der bipolaren Störung.

R4F2G9 The Fat Duck Restaurant, Three Star Michelin Restaurant, Bray, Maidenhead, Berkshire, England, UK, GB,

Ikone der Gastronomie: Heston Blumenthals «Fat Duck» ist seit 2004 mit drei Michelin-Sternen ausgezeichnet.

Vom Medikamenten-Cocktail zu Lithium. Die Wissenschaft geht davon aus, dass unter der bipolaren Störung eines einzelnen Menschen fünf weitere zu leiden haben. In Blumenthals Fall waren das wie so oft die Nächsten des Kranken. Im beruflichen Umfeld, wo er für sein exzentrisches Auftreten und seine kapriziöse Genialität gefeiert wurde, konnte der Drei-Sterne-Koch mit Hilfe seines Teams funktionieren, im privaten Umfeld aber gelang ihm das nicht. Während der sechs Monate, die von der BBC-Dokumentation abgedeckt werden, schaffen es Blumenthals Psychiater, ihn vom zunächst verschriebenen Medikamenten-Cocktail wegzubringen und sein seelisches Befinden mit Lithium zu stabilisieren.

AK3ADG Snail Porridge at The Fat Duck Restaurant in Bray. Image shot 2007. Exact date unknown.

Provokation ist Teil seiner DNA: Heston Blumenthals berühmtes Schnecken-Porridge.

Untrennbar mit der Persönlichkeit verbunden. Trotz aller Qualen, die er leiden musste, sagt Blumenthal, dass er seine Krankheit nicht abstellen würde, selbst wenn er könnte. «Wer mit einer bipolaren Störung lebt, kann nicht von ihr getrennt werden. Seine Persönlichkeit ist vollständig und untrennbar mit dem Zustand verbunden», erklärt der von der BBC als Experte herangezogene Psychiater John Geddes. Es gehe darum, mit dem Feuer zu leben, nicht darum, es zu löschen. «Die Behandlung macht die Stimmungsumschwünge erträglich und hilft der betroffenen Person, in ihrem Ökosystem zurechtzukommen.»

A2KT1E Heston Blumenthal well known three Michelin star chef working in his food development laboratory in Bray Berkshire southern En. Image shot 2005. Exact date unknown.

Mit seiner damals revolutionären Molekularküche eroberte Heston Blumenthal die Gourmet-Welt (Archivbild von 2005).

Pionier der Molekularküche. Der 1966 geborene Blumenthal gilt als einer der bedeutendsten Vertreter der molekularen und multisensorischen Küche. In Grossbritannien ist er so bekannt wie ein Rockstar und wurde 2006 von Queen Elizabeth II. für seine Verdienste um die britische Gastronomie mit dem Order of the British Empire (OBE) ausgezeichnet. Sein 1995 eröffnetes Restaurant ist seit 2004 mit drei Michelin-Sternen ausgezeichnet und war 2005 die Nummer 1 bei «The World's 50 Best».

Fotos: Mark Johnson/Channel 4, Alamy, Shutterstock