Fotos: Digitale Massarbeit

Blue Man Group. Was macht ein Küchenchef weit nach Mitternacht? Silvio Germann, GaultMillaus «Koch des Jahres 2024» fährt schon mal nach St. Gallen, gibt im Sportcenter den Code ein und freut sich auf eine heftige Partie Squash. «Auspowern», nennt das Silvio und jagt den Puls so hoch, dass ihm später das Einschlafen schwerfällt. Dass der Luzerner auch in seiner Freizeit noch mit seinen Köchen unterwegs ist, überrascht nicht: Silvio ist Teamplayer, weiss: «Wenn ein Chef ein Arschloch ist, klappt es nicht.» Team Germann trägt wie alle Köche im erweiterten Caminada-Imperium eine elegante blaue Uniform. «Caminadas Blue Man Group», frotzelt da schon mal Tim Raue, der Berliner Star mit grosser Küche und ebenso grosser Klappe. Am Teamspirit wird gearbeitet: «Mir ist wichtig, dass wir uns zweimal am Tag vor dem Service hinsetzen und gemeinsam essen. Dann kann’s losgehen», sagt Germann. Der «Pasta Saturday» ist bei den Mitarbeitern besonders beliebt.

Silvio Germann, Mammertsberg, Freidorf

Raffiniert renoviert: schlichte Eleganz im Restaurant.

Silvio Germann Mammertsberg Silvio Germann, Mammertsberg, Freidorf

Blickfang: die ikonische Treppe von Tilla Theus.

Silvio Germann Mammertsberg Silvio Germann, Mammertsberg, Freidorf

Zauberhaft: Terrasse und Garten für die Sommersaison.

Theus, Enea. Studio Space Copenhagen. Germanns Revier: Der «Mammertsberg» in Freidorf TG, ein über 100-jähriges Jagdschlösschen über dem Bodensee und angenehmerweise nur wenige Schritte von der SBB-Bahnstation Roggwil-Berg entfernt. Restaurant auf zwei Ebenen, ein paar Zimmer, Traumterrasse. Berühmte Architekten und Designer hinterliessen Spuren: Tilla Theus, Enzo Enea, Studio Space Copenhagen. Die Gäste geniessen die Traumsicht auf den See. Die Köche auch. «Macht etwas aus», weiss Silvio, «ich habe zuvor in Bad Ragaz in einer Küche ohne Fenster gearbeitet. Umso mehr geniessen wir jetzt die Bedingungen im Mammertsberg.»

Die Sache mit den krummen Rüebli. Bei Silvio Germann haben die Köche Mitspracherecht. Ein simples Rüebli aus dem nahen «Waldhof» ist gerade das Thema im Team und ganz oben in der Gunst der Gäste: Es wird zwei, drei Stunden bei 90 Grad weichgekocht, in einem Sud mit Honig, Soja und rotem Curry vakuumiert, unter der Wärmelampe getrocknet, mit Chilipaste, Rohrzucker und Geflügelfond lackiert, an einer Beurre blanc mit Estragon und Shiso aus dem eigenen Garten serviert. Silvio Germann: «Rüebli ist ein eher langweiliges Gemüse. Aber wir haben step by step am Gericht gearbeitet. Die Reaktion der Gäste ist verblüffend.» Schön muss das Rüebli nicht sein, krumm ist auch okay, aber der Durchmesser muss stimmen: «Zwei Zentimeter. Sonst funktioniert das Gericht nicht», weiss der Chef.  Natürlich ist ein Nachfolgegericht längst in Planung, aber die ersten Versuche sind gescheitert: Besser als das Rüebli war kein anderes Gemüsegericht.

Silvio Germann, Mammertsberg, Freidorf

Gehören auch zum «Inner Circle»: Gastgeberin Carolin Gerling (l.) und Sommelier Giuseppe Lo Vasco.

Silvio Germann Mammertsberg Silvio Germann, Mammertsberg, Freidorf

Ein (fast) vegetarischer Gang: Stachelbeere, Rande und Birria-Sud. By Silvio Germann.

Grün ohne Verzicht. Wird die «Mammertsberg»-Küche immer grüner? «Ein paar vegetarische Gänge müssen schon sein in unserem grossen Menü. Sie sind leichter und bekömmlicher», sagt Silvio Germann, «auf Langustinen und Meerfische will ich aber nicht verzichten. Die esse ich selbst viel zu gerne.» Bei Lunch und Dinner gibt’s buchstäblich die volle Ladung: Fünf Fingerfood-Snacks zum Starter, vier aufwändige Amuse-bouches, dann der Sechsgänger. Typisch «Mammertsberg»: Jeder Koch, auch der Neuling im Team, bringt einen Starter an den Tisch, stellt sich vor. «So lernt der Gast das ganze Team kennen», sagt der Chef. Silvios Köche können jederzeit auch eindecken und den Service unterstützen. Hilfreich in Stressmomenten und auch ein wenig dem Fachkräftemangel geschuldet: «Köche bewerben sich bei uns viele. Im Service ist das schon etwas schwieriger.»

Die besten Gnocchi im Land. Aufgetragen werden Brüggli-Saibling, Zander mit Muschelfond, Langustinenschwänze, Wachteln von Fredy von Escher aus Zürich. Am kleinen Vogel wird hart gearbeitet: Brust gebraten und behandelt mit Piment d’Espelette, Schenkel geschmort mit Barbecue-Lachs, Soja-Honig und Hühnerhaut. Den Signature Dish des Hauses sollte man sich auch nicht entgehen lassen und notfalls als «Special» bestellen, sollte er mal fehlen im Menü: Die kleinsten und besten Gnocchi im Land, mit sehr viel Nussbutter und Marroni. «Es gibt Gäste, die bestellen unsere Gnocchi an einem Abend dreimal», wundert sich der Chef, der auch Ambassador von Mercedes-Benz ist.

Silvio Germann Mammertsberg

Aus der «Mammertsberg»-Pâtisserie: Aprikose, Büffelmilch, Lavendel.

Silvio Germann Mammertsberg Silvio Germann, Mammertsberg, Freidorf

Souschefin Steffi Mittler ist GaultMillaus «Patissier des Jahres 2026».

 Silvio Germann, Mammertsberg, Freidorf

Ein Dessert zum Wohlfühlen: Buchteln, Aprikose, Lavendel.

GaultMillaus Patissière des Jahres. Auf die Desserts und Friandises kann man sich auch freuen: Steffi Mittler ist GaultMillaus «Patissier des Jahres 2026» und zusammen mit Saucier Lukas Messmer Souschef im Team. Natürlich gehört auch Sommelier Giuseppe Lo Vasco zum «Inner Circle». Germann: «Ein Riesengastgeber! Ich vertraue ihm blind. Und glücklicherweise haben wir den gleichen Weingeschmack.» Und «Mammertsberg»-Geschäftspartner und Germann-Entdecker Andreas Caminada? «Er hat selbst sehr viel zu tun. Wir sehen uns nur selten, am liebsten auf einer Golfrunde. Aber wenn ich eine Frage oder ein Problem habe, ist er immer erreichbar.» Management by WhatsApp. Ein Vertrauensbeweis.

 

www.mammertsberg.ch