Text: Fabien Goubet
Desbraux ist Wild-Spezialist. Eine gepfefferte Geschichte war diese Woche im «Quotidien Jurassien» zu lesen: Offenbar zeigte sich ein Genfer Student empört darüber, dass auf der Speisekarte der «Maison Wenger» (18 Punkte) Wild angeboten wird, das in der Schweiz bedroht ist. Schriftlich platzierte er seinen Unmut bei Jérémy Desbraux, dem Küchenchef in Le Noirmont JU. GaultMillaus «Koch des Jahres 2026» antwortete prompt und kündigte an, fragliche Wildtiere ab nächstem Jahr aus dem Menü zu streichen. Desbraux hat die Zubereitung von Wildgerichten beim verstorbenen Benoît Violier in Crissier erlernt, ist also ein ausgewiesener Kenner der Materie.
Schneehuhn & Waldschnepfe. Bei den Tieren, die künftig nicht mehr angeboten werden sollen, handelt es sich um zweierlei Federwild: einerseits um Schneehuhn (auch Moorhuhn genannt), eine in der Schweiz bedrohte Art (grosses Foto oben), andererseits um Waldschnepfe, eine hierzulande «potenziell gefährdete Art». Besagter Zeitungsartikel weist aber auch darauf hin, dass die Jagd dieser Vögel nicht illegal sei. Kommt hinzu, dass die in Le Noirmont servierten Vögel gar nicht aus der Schweiz stammen, sondern aus dem Ausland. Und in europäischen Ländern wie Frankreich oder Schottland werden Schneehuhn und Waldschnepfe mit weitaus höheren Quoten bejagt als in der Schweiz, weil dort die Populationen nicht bedroht sind.
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Jetzt kommt der Faktencheck. «Im Vereinigten Königreich oder in Frankreich sind die Wildbestände viel grösser, das hat nichts mit der Schweiz zu tun», sagt denn auch Jérémy Desbraux. Trotzdem wolle er niemanden verärgern. Sein Versprechen: «Wir werden uns erstmal die Zeit nehmen, alle Fakten zu überprüfen. Wenn das Federwild durch die Jagd im Ausland tatsächlich vom Aussterben bedroht ist, werde ich aufhören, es zuzubereiten.» Ist dies allerdings nicht der Fall, so kann man zwischen den Zeilen lesen, dürften auf Desbraux’ Speisekarte auch zukünftig wieder besagte Wildvögel stehen.
Fragwürdig: Fleisch aus Südamerika. Allerdings gesteht der 18-Punkte-Chef dann doch, dass die Nachfrage nach seinen Wildgerichten Jahr für Jahr rückgängig sei. Offenbar ändere sich diesbezüglich die Haltung der Gesellschaft tatsächlich. Ganz nachvollziehen kann dies Jérémy Desbraux allerdings nicht: Es gäbe es viel wichtigere Probleme, findet er, etwa Fleisch aus Brasilien oder Argentinien, das unter fragwürdigen sozio-ökologischen Bedingungen produziert werde. «Und diese Produkte findet man weiterhin in vielen Schweizer Restaurants.»
Fotos: Caroline Legg CC, Julie de Tribolet, Digitale Massarbeit