Interview: Knut Schwander Fotos: Jean Francois Mallet, Christian Coigny und Thierry Zufferey

Der Chef, der für Sie im «Beau-Rivage» Lausanne gekocht hat, ist weg. Kevin Vaubourg übernimmt. Wird sich dieser Wechsel auf der Karte bemerkbar machen?

Nein, das wird keine Auswirkungen haben, auf jeden Fall keine negativen. Ein neuer Chef hat auch die Chance, das Terroir und dessen Produkte neu zu entdecken. Kevin Vaubourg war zwei Jahre bei uns in Valence tätig und arbeitet seit einem Jahr als Sous-Chef in Lausanne. Es gibt also keinen abrupten Wechsel. 

 

Sie kommunizieren sehr zurückhaltend, welche Chefs für Sie in welchen Restaurants tätig sind.

Ich habe kein Problem, über Wechsel zu sprechen, aber ich sehe dies eigentlich als interne Angelegenheit. Der bisherige Chef in Lausanne, Paolo Boscaro, wollte mit seiner Ehefrau gerne nach Paris zurückkehren. Für mich ist entscheidend, dass die Kontinuität gewährleistet ist.

 

Finden Sie locker einen Chef, der fähig ist, die grosse Verantwortung zu übernehmen und das von Ihnen geforderte hohe Niveau zu halten?

Die meisten unserer Mitarbeitenden bleiben rund vier Jahre an einem Platz. Wir bieten ihnen die Möglichkeit, sich weiterzuentwickeln. Wir haben in unserem Mutterhaus in Valence ein Reservoir an guten Chefs. Das bedingt viel Organisationsaufwand, ist aber auch ein Antrieb für die Mitarbeiter; sie wissen, dass sie auf einen Chefposten in einem unserer Restaurants hinarbeiten können.

 

In der ganzen Welt tragen mehrere Restaurants Ihren Namen als Handschrift. Kommen neue Destinationen dazu?

Neben Valence sind es zurzeit vier: Lausanne, London, Paris und Singapur. Wir haben ständig einige Projekte im Köcher, denn wir wollen uns weiterentwickeln. Aber nur, wenn das Projekt unserer Vision entspricht. Alle Restaurants mit Ausnahme vom «Beau-Rivage» in Lausanne heissen «La Dame de Pic». Sie entsprechen den hohen Anforderungen eines urbanen Publikums, das sich eine hohe Gastronomie gewohnt ist. Es sind entspannte Orte, die dem Zeitgeist entsprechen.

 

Sie sind eine der wenigen Chefinnen von internationalem Format. Gibt es in Ihren Brigaden auch Frauen in leitender Position?

Natürlich gibt es Frauen in unseren Brigaden. Einige sind Chefin und damit Vorgesetzte von Männern. Ich finde es wichtig, dass Frauen in leitenden Positionen tätig sind, sei es in der Küche oder im Service. So arbeiten bei uns einige Sommelièren, und demnächst steigt in einem unserer Restaurants eine Frau zur Küchenchefin auf. Ich bin der Auffassung, dass es beim Kochen keine Unterschiede zwischen den Geschlechtern gibt, sondern nur Unterschiede in der individuellen Umsetzung. Ich selber habe mich in meiner Karriere nie auf eine weibliche Küche berufen. Ich finde, dass einzig die Kompetenz für einen leitenden Posten legitimieren sollte.   

©Christian COIGNY+Thierry ZUFFEREY

Wunderbare Aussicht auf die Berge und den Lac Léman: Die Terrasse des Restaurants Anne-Sophie Pic. 

In Lausanne wird auf sehr hohem Niveau gekocht. Eine Konkurrenz zu Ihrem Restaurant in Valence?

Von Konkurrenz kann nicht die Rede sein. Ich bin überzeugt, dass es immer genügend Platz für mehrere Gourmetlokale gibt, sei es in einer Stadt oder in näherer Umgebung. Viele Schweizer besuchen uns in Valence oder in London, umgekehrt dürfen wir in Lausanne auch viele Franzosen empfangen. Übrigens: Das Restaurant in Lausanne liegt mir sehr am Herzen, es war vor elf Jahren die erste Neueröffnung neben Valence. In Lausanne bringe ich meine Ideen ein, die ich in Valence entwickelt habe. Das ist auch eine Motivation für die Chefs und die Equipe; wir wollen nie in Routine verharren.

 

Hat Covid-19 in Ihren Restaurants etwas verändert?

Das Virus zwingt uns, alles neu zu überdenken. Der Lockdown zeigte uns einige Schwachstellen, auf die wir reagieren müssen. Wir beschränken uns künftig in Valence auf ein einziges Menü, weil wir überzeugt sind, dass ein zu grosses Angebot nicht mehr den heutigen Erwartungen entspricht. In Lausanne warten wir damit noch etwas zu, weil ich zuerst die Reaktion in Valence beobachten will. 

 

Wie sieht Ihr neues Menü in Valence aus?

Unser neues Menü ist in Sequenzen gegliedert, wie eine Art Ritual. Zum Beispiel empfehlen wir Gericht und Getränk, mit oder ohne Alkohol, als Einheit. Ein Teil davon wird direkt vor dem Gast gemischt. Die Servicemitarbeiter bereiten im Mörser ganz frisch eine Kräutermischung zu. Und wir tranchieren am Tisch, erklären dem Gast unsere Technik. Wir enthüllen so einige unserer Küchengeheimnisse.

 

>> Anne-Sophie Pic aus Valence ist Frankreichs berühmteste Köchin: 18,5 Punkte im GaultMillau, drei Sterne bei Michelin. Im Swiss Deluxe Hotel «Beau-Rivage Palace» in Lausanne führt sie das «Restaurant Anne-Sophie Pic». GaultMillau-Rating vor dem letzten Chefwechsel: 18 Punkte.