Text: Urs Heller
Neustart in Thalwil. Wechsel im «Widder»: GaultMillaus «Koch des Jahres» Stefan Heilemann kam, Executive Chef Tino Staub musste im Top-Restaurant den Herd räumen. Die Schockstarre war von kurzer Dauer: Der Luzerner bleibt dem Hotel und dem «Living Circle» treu, startete im «Alex Lake Zurich» in Thalwil nochmals durch. Mit schnellem Erfolg: Volle Terrasse im Sommer, voller Glaskubus danach. Tinos «Signature Menu» gefällt; die Lage direkt am See ist dank raumhohen Fenstern auch im Winter fantastisch. Zwei seiner wichtigsten Mitarbeiter hat er mitgebracht: Souschef Marcel Köhn, Pâtissière Eva Leitner.
Tiger’s Milk & Thai-Curry. Tino Staub kauft zwar gerne in der Region und in den Landwirtschaftsbetrieben des «Living Circles» ein, aber auf seinem kulinarischen Radar hat er die ganze Welt. Das wird gleich bei der Begrüssung klar: Tuna-Tatar mit einem Mini-Sorbet auf einem Shisoblatt. Sashimi von der Dorade mit Jalapeno und Pomelo. Ein Ceviche eher – Tiger’s Milk in Thalwil! Auch nach Asien führt der Weg: Die prallen Jakobsmuscheln waren prima, das gelbe, hausgemachte Curry noch besser: Schärfe erst in der «zweiten Welle».
Ziemlich frech: Saibling & Kalbskopf. Die frechste Kombination des Abends: Brüggli-Saibling von beeindruckender Qualität mit Kalbskopf! «Passt», ist Staub überzeugt, und wir wollen nicht widersprechen. Wunderbar der Zwiebelfond dazu, freundlicherweise mit Nachschlag serviert. Etwas überraschend bittet der Chef mitten im Menü zu einer Runde Pasta: Schlanke Trofie sind es diesmal, mit Pancetta und vor allem mit einem Eigelb vom eigenen Bauernhof (Schlattgut). Würde glatt als Carbonara durchgehen, wenn drin nicht noch ein paar Tropfen Rahm und drüber eine Ladung Burgundertrüffel wären. Zum Auslöffeln gut! Den Hauptgang steuert Zürichs «Artisan en Comestibles» bei: Hirschentrecôte, selektioniert von Fredy von Escher, mit rotem Pfeffer, Topinambur und Rosenkohl.
Siebengänger auch für Vegetarier. Staub kocht in einem Fünfsterne-Hotel und vor den Toren einer grossen Stadt. Hier herrscht «Gleichberechtigung»: Für die Vegetarier legt er einen Siebengänger auf, der genauso liebevoll zubereitet ist wie das klassische «Signature Menu». Natürlich kann man einzelne Gericht herauspicken: Das Tatar von Waldpilzen etwa mit Kartoffelschaum, Parmesan und Butterbrioche. Oder den Risotto mit einem Stunden-Ei vom eigenen Hof. Nix zu meckern also? Doch: Das Angebot an offenen Weinen ist zu bescheiden. Das kann «The Living Circle» besser. Rating? Tino Staub verteidigt seine 15 Punkte aus dem «Widder».
>> Fotos: Brady Williams, James McDonald, Steven Kohl