Text: Anita Lehmeier | Fotos: Nik Hunger

WEITSICHT ÜBER SEEN UND GIPFEL. «Wir haben hier zwar eine der kleinsten Käsereien des Landes, die Alp Sbrinz AOP herstellt, aber eine der bekanntesten», sagt Hausherr Thomas Schnider über die Fluonalp, seine Sommer-Heimat seit dreissig Jahren und sein ewiger Sehnsuchtsort. Die Fluonalp ob Giswil OW liegt am Fuss der Rossfluh, ein imposantes Felsmassiv, das über 2000 Meter hoch in den Himmel ragt. Sie liegt auf 1538 m ü. M., und wer sich erst die vielen Kurven auf der Naturstrasse hochgeschraubt hat – ein 4x4 ist hier hilfreich! – sieht sofort, was die Fluonalp so populär macht: Der Panoramablick geht über den Sarnersee zum Stanserhorn, Pilatus und zur Rigi und weit ins Mittelland hinein. Selbst berggewohnten Urschweizern entlockt die Aussicht bewundernde Ahs und Ohs, Flach- und Ausländern verschlägts erst mal die Sprache. Im Sommer betreibt Thomas Schnider hier mit seiner Frau Sonja und einem halben Dutzend Angestellter eine Bergbeiz mit 160 Aussen- und 90 Innensitzen, eine Herberge mit 50 Schlafplätzen und eine Käserei. Die Hauptproduktion der Chäsi ist der Alp Sbrinz AOP, das Gold der Alpen, aber auch Käse, die nach heimischen «Promis» benannt sind: nach dem Schacher Seppli, einem Volkslied-Helden, nach den sagenhaften Bergmandli, den Schwingern und der umliegenden Voralpengipfel. Neben dreizehn Tonnen Alp-Käse werden hier auch Rahm, Butter und Ziger hausgemacht. Die Milch für das alles liefern in den rund 110 Alptagen 140 Kühe von drei Alpen und vier Älplern. Täglich zwischen 900 bis 2500 Liter, diesen Sommer waren es 160'000 Liter. Fluonalp-Käse geht vor Ort über den Tresen, sowie in dreissig Verkaufsstellen in Ob- und Nidwalden sowie Luzern, in die lokale Gastronomie und in Schniders Tal- und Zweitbetrieb, seine Molkerei-Käserei in Giswil. Grosses Bild oben: Thomas Schnider mit einem Laib Alp Sbrinz AOP vor einem seiner historischen Spicher.

Sbrinz AOP Fluonalp, Alpkäserei und Bergrestaurant oberhalb Giswil 2022

Ende Sommer erleben Fluonalp-Besucher mit etwas Glück einen Alpabzug. Während 110 Alptagen bezieht die Chäsi Milch von 140 Kühen von drei Alpen.

SELBER ANS CHESSI. Neben der fantastischen Aussicht bietet die Fluonalp ein weiteres Extra: Hier dürfen Gruppen oder Familien selber Käse herstellen. «Wir wurden immer wieder angefragt, ob man unsere Käsi besichtigen könne», erzählt Schnider, «das brachte uns auf die Idee, einen Schritt weiter zu gehen. Wir bauten den Betrieb so um, dass wir das Angebot vom Selber-Käsen machen konnten. Und das kommt gut an. Jährlich sind es rund hundert Gruppen, die hier selber käsen. Käse ist ein bestens etabliertes Naturprodukt. Viele Leute lieben ihn und wollen wissen, was alles drinsteckt, an Rohstoffen und an Arbeit. Genau das bieten wir ihnen, sie dürfen selbst Hand anlegen. Nach einem Jahr können sie dann ihren Käse, den wir so lang fachgerecht lagern, abholen.» Bei kleineren Gruppen beliebt ist der Alpkäse, Laibe von rund 12 Kilo. Publikumsliebling aber ist der Alp Sbrinz AOP, das legendäre Gold der Alpen. Viele Gäste wollen erfahren, wie die traditionsreiche Herstellung der über vierzig Kilo schweren Köstlichkeit abläuft. Als Instruktor und Master of Ceremony amtet Michael Kuper, ein gelernter Käser aus Berlin. Ihn lockt seit fünf Jahren die idyllische Urschweiz und die unvergleichliche Alpenmilch weg von der Heimat und der Familie hierher auf die Fluonalp. 

Sbrinz AOP Fluonalp, Alpkäserei und Bergrestaurant oberhalb Giswil 2022

Hinter der Chäsi erhebt sich das imposante Felsmassiv der Rossfluh auf über 2000 Meter über Meer.

Sbrinz AOP Fluonalp, Alpkäserei und Bergrestaurant oberhalb Giswil 2022

Zu Ehren des berühmten Volksmusikers Ruedi Rymann hängt dessen Fluonalp-Juiz in der Beiz, dem Stammlokal des Jodlerclubs Giswil.

Sbrinz AOP Fluonalp, Alpkäserei und Bergrestaurant oberhalb Giswil 2022

Die Alp Sbrinz AOP lagern hochkant. Während der Reifephase werden sie regelmässig von Käser Thomas Schnider gedreht und kontrolliert.

MEISTER DER MILCH UND DER GEDULD. Michael Kupers Begeisterung für den erstklassigen Rohstoff und das traditionelle Handwerk ist ansteckend. Mit der gleichen immensen Geduld, die das Käsen erfordert, beantwortet er die Fragen der Gäste, auch beim hundertsten Mal. Mit Verve und Witz führt er durch den Herstellungsprozess, erklärt die Handgriffe, die Geräte, zeigt die Lagerräume, wo die mächtigen Goldschätze ruhen. Sogar in sein Labor führt er die Gäste und gibt das Pipettenfläschchen mit den Bakterienkulturen und die Röhrchen mit den Milchproben herum. Am meisten staunen die «Lehrlinge» über die Salzlake für den Alp Sbrinz AOP, ein Pool mit salzgesättigtem Wasser. «Die hier ist 27 Jahre alt. Jedes Jahr werfen wir 500 Kilo Salz nach, täglich bis zu zwei Kilo, weil der Alp Sbrinz AOP eben Salz aufsaugt während seiner rund zweiwöchigen Badekur.» Bevor die Gäste zu Tisch gehen und die berühmten Älplermagronen oder Chässchnitten verputzen – Käsen macht mächtig Appetit, mehr als ein Workout im Fitness-Studio – dürfen sie ihren Käse benennen. Mit Kasein-Lettern soll ein kurzer Name geformt werden, der neben dem Herstellungsdatum auf den Laib geklebt wird. Der Name garantiert den Gästen, dass sie nach einem Jahr auch sicher den Käse bekommen, den sie mit viel Muskelkraft und Schweissperlen gefertigt haben.

GLASTRESOR FÜR DAS GOLD DER ALPEN. Eine letzte Besonderheit der Fluonalp sind die zwei Spycher, in denen Schnider die Gruppen-Käse, seine Alpkäse und die mächtigen Laibe Alp Sbrinz AOP lagert und museumswürdig präsentiert, nur eine Kurve hinter der Käsi. Die beiden verwitterten Holzhäuschen aus den Jahren 1809 und 1891 hat der findige Käser im Innern zum klimatisierten Lager mit frontaler Sichtscheibe umgebaut. Wer über die von Millionen Schritten abgeschliffene Schwelle tritt, löst per Bewegungsmelder den Lichtschalter aus, hinter der Scheibe werden die Laibe auf ihren original Holzgestellen sichtbar. Sie leuchten in ihrem Goldton so edel wie Kronjuwelen in Londons Tower. Für das Kampagnenbild von Sbrinz AOP stand Thomas Schnider Modell, als Wanderer im Profil, der auf Gipfel im Abendrotgold blickt – von der Fluonalp aus, natürlich.

Die «Hindersi-Magronen». «Der beste Abnehmer für unseren Alp Sbrinz AOP sind wir selbst in der Alpbeiz!», erklärt Schnider. «In der Saison von Ende Mai bis Oktober verarbeiten wie eine halbe Tonne für Plättli, Älplermagronen, Chässchnitten und Chässuppe. Die besteht aus Käse und Rahm und wird mit Messer und Gabel gegessen. Ideal nach einer Wanderung in unserer stotzigen Umgebung.» Publikumsliebling auf der Fluonalp sind die Hindersi-Magronen, ein traditionelles Rezept, das von hinten wird.  Und so geht hindersi: Es braucht dazu 150 Gramm Alp Sbrinz AOP, zwei Zwiebeln, Butter zum Anbraten, 2 Deziliter Rahm, drei festkochende Kartoffeln, 400 Gramm Kernser Älplermagronen und zirka 7 Deziliter Bouillon. Zuerst die Zwiebeln fein hacken, in Butter anbraten, bis sie dunkelbraun sind, die Kartoffeln in kleine Würfel schneiden und kurz mitbraten. Dann mit der Bouillon ablöschen und köcheln lassen, bis die Kartoffeln gar sind. Jetzt die Älplermagronen beigeben, fünf bis sieben Minuten köcheln lassen, Rahm zugeben, kurz aufkochen. Den geriebenen Alp Sbrinz AOP darunterziehen, mit Salz und Pfeffer abschmecken. Auf der Fluonalp wird das herzhafte Gericht in einem Holzgefäss serviert, dem Muttli. Vielleicht schmecken sie auch deshalb so unvergleichlich gut.