Text: Stephan Thomas Fotos: HO

Gründungsjahr 1869. Man schreibt das Jahr 1869. Im südbündnerischen Poschiavo startet Francesco Zanetti einen Metzgereibetrieb in kleinstem Rahmen. Macht Hausmetzgeten, verkauft Frischfleisch, wurstet. Man führt das Firmenschiffchen durch gute wie trübe Zeiten. 2020 ist die Macelleria Zanetti immer noch in Familienbesitz und beschäftigt 15 Mitarbeitende. Allzuviele Metzgereien mit einer solchen Tradition gibt es in der Schweiz wohl nicht. «Heute bekommt man unser Fleisch im ganzen Land, was besonders die treuen Privatkunden schätzen», verrät Inhaber Gian Luca Zanetti. «Aber auch Fachgeschäfte und Restaurants, die das Besondere suchen.» Die Spitzenliga nicht ausgenommen. «Andreas Caminada hat auch schon mal im Schloss Schauenstein unser Berglamm auf die Karte gesetzt und im Igniv St. Moritz das Kalbssteak.»

Luca Zanetti

Macelleria Zanetti, seit 1896: Gian Luca Zanetti führt die Tradition fort. Qualitätsfleisch aus dem Puschlav.

Die Wurst der Würste. Was hat denn dem ursprünglichen Kleinbetrieb dermassen den Kick gegeben? Ein entscheidender Schritt gelang vor gut zehn Jahren. Zanetti fasste sich ein Herz und eröffnete eine Filiale an bester Lage im frisch renovierten Churer Bahnhof. Wichtiger aber war dies: Slow Food kürte in einem landesweiten Contest Zanettis Mortadella zur besten Wurst der Schweiz. Vor allen St.Galler Bratwürsten, Berner Zungenwürsten und Engadiner Rauchwürsten. Darauf ist man heute noch stolz - zu Recht. Nur auf dieses Flaggschiff will man sich aber nicht reduzieren lassen. Im Sortiment sind Bündnerfleisch und Bresaola, Bündner Beinwurst und Berglamm-Wurst. Dazu jede Menge Frischfleisch und viele andere Spezialitäten wie Steinpilze und Trüffel. Ein wichtiger Punkt ist die Lage von Poschiavo am Schnittpunkt der (Fleisch-) Kulturen: «Im Norden wird eher geräuchert, im Süden luftgetrocknet. Wir beherrschen und praktizieren beides. Demnach haben wir Coppa, aber auch Räucherspeck im Angebot.»

 

Nach altem Hausrezept. Ja, die Mortadella. Man sollte sie nicht mit dem Aufschnitt verwechseln, den schon unsere Grosseltern für wenig Geld im Quartierladen gekauft haben. Obwohl beide Leberwürste sind, hat Zanettis Mortadella wenig mit der Fleischbombe aus Bologna zu tun. Sie wird nach altem Hausrezept von Hand gefertigt. In ihrem Innern verbergen sich grob gehacktes Schweinefleisch und Schweinsleber, vermischt mit allerhand Gewürzen. Es gibt sie roh, gekocht und als Hartwurst. «Gekocht macht sie auf kalten Platten gute Figur. Oder als Füllung in einem Sandwich. Die rohe Wurst wird gegart und heiss serviert. Sie ist saftiger und passt auf jeden Bauernteller. Am besten in Begleitung von Gemüse, Kartoffeln, Polenta oder Buchweizen.»

Zu den Wurzeln. «Naturprodukte in handwerklicher Verarbeitung - das ist der Kern unserer Philosophie. Wir wollen zudem lokal und artgerecht  sein. Deshalb verkaufen wir einen Teil unserer Produkte im Rahmen des Labels '100% Valposchiavo'. Bio ist bei uns Vieles, besonders Berglamm und Alpschwein. Saisonal ebenfalls. Manchmal bekommen wir vielleicht sieben, acht Lämmer - wenn nicht, gibts eben kein Lammfleisch», bringt Gian Luca Zanetti die Sache auf den Punkt. Und er stellt sein Thema in einen grösseren Rahmen: «Wir wollen nicht vergessen, was Sache ist. Wo das Steak auf unserem Teller herkommt. Das geht über all der Digitalitis und dem Getippsel gerne vergessen. Früher, als alle Familien Tiere hatten, war das keine Frage. Eigentlich müssten heute alle wieder für einen Sommer auf die Alp. Heuen. Käsen. Und ein Schwein schlachten.»

 

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