Text: Stephan Thomas | Fotos: Nik Hunger
Appartements mit Panoramablick für Mutterkühe: Bruno Möslis moderner Laufstall hoch über St.Gallen.
Luxuswohnung für Mutterkühe. Der Wildpark Peter und Paul auf dem St.Galler Rosenberg ist einer der ältesten und grössten im Land. Berühmt wurde er vor allem, als anfangs 20. Jahrhundert von hier aus Steinböcke ausgesiedelt wurden; sie waren nämlich zuvor in der Schweiz ausgestorben. Noch heute tummeln sich im Park ihre Nachfahren zusammen mit Wildkatzen, Luchsen, Murmeltieren und Wildschweinen. Es gibt aber auch zahme Tiere auf dem St.Galler Aussichtshügel, nämlich die Rinder von Bruno Mösli (grosses Bild oben) im Hof Kirchli gleich neben dem Park. Wie ihre wilden Kollegen haben die Tiere im grosszügigen Laufstall viel Platz. «Die Gestaltung des Stalls ist der Weide abgeguckt», sagt Bruno Mösli. «So, wie sich die Tiere dort verhalten, können sie es auch hier tun. Sie haben Rückzugsmöglichkeiten und können jederzeit den Auslaufbereich erreichen. Die Kälber können im Kopfbereich der Mutterkühe liegen, wie sie das gerne tun.» «Drei-Zimmerwohnung mit Terrasse und Wiese» nennt man das bei Natura-Beef, dessen Label der Hof Kirchli trägt. Zehn Monate können die Kälber das Schlaraffenland geniessen, bevor es dann ins Schlachthaus geht. Ihr ganzes Leben lang sind sie frei von Hormonen und Antibiotika, und in der Nahrung der Mutterkühe haben Kraftfutter mit Soja oder Palmfett nichts verloren. Das verlangen die strengen Regeln des Labels. Auf Hof Kirchli wird ausschliesslich Wiesenfutter vom eigenen Betrieb verfüttert.
Modern interpretiert: Handgeschnittenes Rindstatar mit Rande und Senfglace im «Peter und Paul».
Klassiker: Siedfleischsalat aus Natura Beef mit Gemüsevinaigrette by Damian Vetsch.
Bestechende Fleischqualität im «Peter und Paul»: Sauerbraten mit Kürbis-Sbrinz-Gnocchi.
Hacktätschli und Sauerbraten. Als Natura-Beef verkauft Bruno Mösli etwa einen Drittel seiner Produktion über Coop, die Hälfte direkt ab Hof. Etwa ein Sechstel geht auf kurzem Weg ins Restaurant «Peter und Paul», nur eine Gehminute vom Hof entfernt. Hier ist Damian Vetsch ein dankbarer Abnehmer. Vetsch hat im «Peter und Paul» seine Lehre gemacht und ist nach Aufenthalten an vorzüglichen Adressen wie dem «Gupf» Rehetobel und dem «Schlüssel» Mels 2022 als Chef zurückgekehrt. Hier hat er den Spagat zwischen der Gourmet-Küche, wie er sie im «Gupf» und im «Schlüssel» praktiziert hat, und den Ansprüchen eines traditionell eingestellten Publikums und Ausflüglern zu meistern. Das gelingt ihm hervorragend. Er eröffnet unsere Degustation mit handgeschnittenem Tatar mit Rande und Senfglace - leicht modern und vorzüglich abgestimmt. Ähnlich im Stil der Siedfleischsalat mit Gemüsevinaigrette und süss-sauer eingelegtem Gemüse. Ein Hausklassiker ist das Hacktätschli auf Krautsalat, Vetsch versteckt es unter einer Hülle aus Kartoffelespuma. Der Höhepunkt ist ein hausgebeizter Sauerbraten mit Kürbis-Sbrinz-Gnocchi. Hier kann sich die Qualität des Fleischs besonders gut ausdrücken.
Der Koch und sein Gewährsmann für Fleisch: Damian Vetsch (l.) und Bruno Mösli in der Küche.
Spaziergang vom Restaurant zum Stall: Damian Vetsch vom «Peter und Paul» im Hof Kirchli.
Wild von nebenan. Das «Peter und Paul» punktet besonders mit seinen Themenwochen, vor allem im Herbst mit Wild. Dazu wird Wein aus grossformatigen Flaschen ausgeschenkt. Das Fleisch stammt zu einem guten Teil - aus dem Wildpark nebenan. Namentlich Rotwild und Wildschwein, fallweise auch Damhirsch und Sikahirsch. Das sorgt manchmal für Empörung. Zu Unrecht, findet Vetsch. «In erster Linie will man natürlich überzählige Tiere lebend an andere Parks abtreten. Aber manchmal müssen die Populationen nun mal reguliert werden. In diesem Fall entspricht es der Philosophie des Parks, das Fleisch in der Nähe zu verwerten. So entsteht hier auf engstem Raum ein Nachhaltigkeitszirkel mit Bruno Mösli, dem Park und uns.» Dazu gehört auch, dass Vetsch beim Möslis Metzger gratis Knochen für die Fonds beziehen kann. Denn dass man diese von Grund auf im Haus zubereitet, ist Ehrensache. Der Renner bei den Wildgerichten ist Wildschwein. «Nach anfänglichem Zögern des Publikums hat das eingeschlagen wie eine Bombe.»
Fleisch aus der Schweiz ist von hoher Qualität. Grund dafür sind strenge Gesetze und die natürlichen Ressourcen. Die Schweizer Fleischproduktion hebt sich von derjenigen im Ausland ab. Das betrifft Betriebsgrössen, Haltung, Fütterung und Rassen. Auch bei Themen wie Tierwohl und Tierschutz geht die Schweiz einen Sonderweg.