Interview: Patricia Heller Fotos: Lucian Hunziker

Sie kommen direkt aus dem Flugzeug. Wo waren Sie auf Entdeckungstour?

Ich bin gestern Abend aus Florenz zurückgekommen. Dort besuche ich wenn immer möglich die «Taste Firenze». Eine Messe, die in einem alten, stillgelegten Bahnhof stattfindet und «prodotti artiginale» aus Italien präsentiert.

 

Was haben Sie entdeckt?

Capocollo! Eine Wurst, vom Schweinenacken, geräuchert und getrocknet. Eigentlich eine apulische Variante der Coppa. Es gibt das Dorf Martina Franca, in dem die besten dieser Würste produziert werden. Da muss ich hin!

 

Sie machen diese Entdeckungsreisen ja nicht zum Vergnügen, das gehört zu Ihrem Job bei Globus. Was sind typische Kägi-Entdeckungen im Regal?

Die 250 verschiedenen Gewürze, die es im Globus gibt, sind so eine Geschichte: Vor bald 20 Jahren habe ich in Kapstadt einen Gewürzproduzenten entdeckt, der auch gleich die Mühlen aus Plexiglas dazu verkauft hat. Ich war fasziniert und habe die ganze Linie aufgebaut, über die Jahre weiterentwickelt und bin praktisch jedes Jahr einmal vor Ort. Eine tolle Zusammenarbeit. Vor etwa 15 Jahren hat mich Claudia Lazzarini vom Biohof Al Canton aus dem Poschiavo kontaktiert. Sie habe in ihrer Küche Kräuter und Blüten getrocknet und daraus Tee hergestellt. Ich bestellte ein Muster und war hin und weg. «Al Canton» ist mit uns gewachsen, ein tolles Produkt aus Schweizer Produktion.

 

Richard Kägi

Seit 20 Jahren in den Regalen von Globus: Die Gewürze in über 250 Sorten.

Verdanken wir Ihnen auch Hühnerfuss und Hühnerköpfe?

Hühnerköpfe, -füsse und -hälse aus der Metzgerabteilung sind tatsächlich auch auf meinem Mist gewachsen. Da ich Rezept für Hühnerfonds publizierte, fragten uns die Kunden, wo man die richtigen Zutaten kriegt. Also muss unsere Metzgerei-Abteilung diese Hühnerteile anbieten. Ich finde eh, man sollte auch die unbekannteren Stücke vom Fleisch verwenden. Nose to tail!

 

Foodscouts befragt man immer nach neuen Trends. Was folgt als nächstes?

Trend ist die Regionalität. Das ist eine «on going story». Sie geht weiter und wird mit Sicherheit noch grösser.

 

Sie sind begeistert von Peru.

Ich war im Oktober in Peru, vor allem wegen der Kartoffeln. Es gibt Tausende von Sorten. Wir versuchen nun einige zu importieren, was nicht ganz einfach ist, aber wir schaffen das schon. Der Geschmack, die Farben, die Formen sind zum Teil komplett anders. Schon vom Aussehen her sind es für uns keine Kartoffeln. Die Pflanzen wachsen in extremer Höhe, sind deswegen auch viel extremer im Geschmack. Man könnte sie mit den Albulatal-Kartoffeln in der Schweiz vergleichen.

 

Wird Pizza ein Luxusprodukt?

In Italien ist das Thema Pizza im Trend. Es wird experimentiert mit verschiedenen Mehltypen, der Teig wird tagelang stehen gelassen. Belegt wird der Teig dann mit sorgfältig auswählten DOP-Zutaten oder mit Slowfood-Produkten. Die Pizza kostet dann aber fast 30 Euro. Ich habe meine Zweifel, dass dieser Trend auch zu uns kommt; bei uns ist ja bereits eine einfache Pizza schon eher teuer. Ich rede schon lange von der mexikanischen Küche. Aber die echte mexikanische Küche. In den USA gehen viele Restaurants auf. Die Mexikaner haben eine grosse Vielfalt von Produkten (z.B. Chilis, Mais, Bohnen, Früchte) und die koreanische Küche ist auch spannend mit den Fermentierungs-Geschichten.

 

Welche Trends erkennen Sie in der Schweiz?

Wir haben so viele regionale Geschichten zu entdecken. Aber wir müssen unterscheiden zwischen Gastronomie und Handel. Die Gastronomie hat angefangen, «second cuts» zu verarbeiten, also Stücke, die nicht so populär sind. Trotzdem gehen bei uns 80 Prozent edle Stücke über die Theke. Viele Kunden wollen nichts Neues ausprobieren. Im Trend ist es auch, Fleisch reifen zu lassen. In Australien versucht man das jetzt auch mit Fisch: Tuna und Schwertfische werden dort bis zu 30 Tage lang abgehangen. Dabei verändert sich die Farbe und auch die Eiweisse. Ich verfolge das jetzt sehr genau, das interessiert mich.

 

Foodscout muss ein Traumberuf sein. Jeden Tag fein essen und gediegen trinken.

Ja klar, es ist ein grandioser Job, den ich mit Leidenschaft ausübe und um den mich viele beneiden. Meine Arbeit als Foodscout reduziert sich nicht auf jeden Tag fein essen und trinken, es gibt auch unangenehme Arbeiten. Und: Man kann nicht mehr klar trennen zwischen Arbeit und Privatleben. Sehe ich in den Ferien etwas, kann ich ja nicht einfach meine Augen verschliessen.

 

Sie sind stadtbekannt als hervorragender Koch. Was unterscheidet einen guten Koch von einem mittelmässigen?

Die nötige Sorgfalt und Leidenschaft. Es braucht im Vorfeld eine genaue Überlegung: Was will ich machen? Mit welchen Produkten will ich arbeiten? Bei Produkt und Zeit darf man auf keinen Fall sparen und offen sein für Neues.

 

Köche haben ihre «signature dishes». Hobbyköche sicher auch. Was ist eigentlich ihr bestes Ding? Das Rezept dazu?

Ich esse fast jeden Tag Pasta. Ich glaube:  Pasta kochen kann ich ziemlich gut. Einige Rezepte bleiben ziemlich lange in meinem Repertoire, zum Beispiel mein Auberginen Carpacchio.

 

Was gehört in jeden Kühlschrank?

Wenn ich so meinen Frigo anschaue, habe ich immer Sardellen drin; das ist mein natürlicher Geschmacksverstärker. Es hat auch immer Parmesan und zwei, drei andere Käse (Peccorino), Trockenfleisch (Schinken und Salami) und immer ein, zwei Flaschen Champagner. Zutaten für einen Teller Pasta müssen immer im Haus sein.

 

Isst ein Foodscout alles, oder gibt es Grenzen?

Ich probiere alles. Es gibt Sachen, die ich nachher nicht mehr esse. Zum Beispiel fermentierten Haifisch, den ich im Norden ausprobiert habe. Mit Insektengerichten kann ich nichts anfangen. Schmeckt nach nichts und hat etwas Widerliches. Ich glaube auch nicht, dass sich diese Modeerscheinung durchsetzen wird.

 

>> Richard Kägi, Foodscout bei Globus