Jürg Kappeler, die Umweltschutzorganisation WWF kritisiert, dass Kaviar oft ohne korrekte Etikettierung verkauft wird. Was ist damit gemeint?
Jede Kaviardose muss mit einer Versiegelung und einer Banderole versehen sein, damit sichergestellt werden kann, dass der Inhalt authentisch ist und sich die Dose seit der Abfüllung im Originalzustand befindet. Zusätzlich ist ein Etikett mit nachvollziehbaren Angaben zur Herkunft des Kaviars und zur Störart obligatorisch. Der Import von Kaviar wird streng kontrolliert und unterliegt dem Washingtoner Artenschutzabkommen (CITES): Für jede Dose ist eine Bewilligung erforderlich, die vom Veterinäramt an der Grenze genau überprüft wird. Wer mehr als 125 Gramm Kaviar ohne Bewilligung importiert, wird mit einer hohen Busse bestraft. Wir halten diese Vorschriften sehr genau ein. Dennoch lässt sich nicht ausschließen, dass Kaviar auch illegal importiert wird.
Beim WWF ist vom Stör als bedrohter Art die Rede, deshalb sollte Kaviar nur selten genossen werden. Wie sehen Sie das?
Störe sind seit 1998 eine bedrohte Art, der Wildfang ist seit 2008 verboten, es gibt also keinen legalen wilden Kaviar. Was wir bei Kaviari verkaufen, kommt ausnahmslos aus Zuchten. Um die Verhältnisse etwas zu veranschaulichen: Heute werden 750 Tonnen Kaviar jährlich in Zuchten produziert. Noch im Jahr 1985, als Russland und Iran die die hauptsächlichen Produzenten waren, kamen 2500 Tonnen allein aus dem kaspischen Meer auf den Weltmarkt.
Woher kommt der Kaviar heute?
Die grössten Farmen gibt es in China, auch in USA, Frankreich oder Italien gibt es grosse Zuchten. Mittlere Betriebe existieren in Bulgarien, Deutschland, Russland oder Israel. Auch in der Schweiz gibt es bekanntermassen mit Oona eine Kaviar-Zucht.

Qualitätsmerkmal: grün-golden schimmerndes Korn beim Kaviari Cristal. Dieser Kaviar wird aus einer Kreuzung von zwei Stören gewonnen.
Ist Zuchtkaviar gleich gut wie früherer Wildkaviar?
Es hat sicher eine Weile gedauert, bis man genügend Erfahrungen gesammelt hatte, um Kaviar in sehr guter Qualität züchten zu können. Dazu muss man wissen, dass ein Beluga-Stör 25 Jahre alt werden muss, bis er zum ersten Mal trächtig wird. Der Sibirische Stör ist hingegen bereits nach sieben Jahren geschlechtsreif. Zeit ist also ein wesentlicher Faktor.
Worauf kommt es bei der Qualität von Zuchtkaviar auch noch an?Der grösste Unterschied existiert zwischen Beckenzucht und offenen Gewässern. Kaviari-Kaviar kommt beispielsweise aus China, wo im 1000-Inseln-See sowohl Kaviar als auch Trinkwasser produziert wird, was allein schon viel über die Wasserqualität aussagt. Dies ist auch die einzige Zucht weltweit, in welcher der Fischkot mit speziellen Gittern aufgefangen und entsorgt wird. Bei Beckenzuchten gibt es hingegen ein gewisses Risiko, dass der Kaviar eine leicht modrige Note haben kann. Es ist wie beim Lachs oder anderen Fischzuchten: Es gibt gute und weniger gute Produktionsbedingungen. Die Unterschiede schlagen sich letztlich auch im Preis nieder.
Wie wichtig ist der Reifeprozess?
Bei Kaviari gibt es einen «Maitre de Caviar», der für die Qualitätskontrolle und die Reigung zuständig ist. Jede Dose wird bei minus 2 Grad gelagert und regelmässig kontrolliert und gedreht, damit sich Öl und Salz gut verteilen und in das Korn einziehen. Nach zwei bis drei Monaten und erst nach der Freigabe durch den «Maitre» wird der Kaviar weiterverarbeitet und in die verschiedenen Dosengrössen verpackt.

Dealer des guten Geschmacks: Jürg Kappeler in seinem Lager in Cham.

Strenge Kontrolle: Kaviar-Abfüllung bei Kaviari in Paris.
Gilt bei Kaviar je teurer, desto besser?
Das kann man nicht so direkt sagen, aber wenn Kaviar in der Gastronomie 700 bis 800 Euro pro Kilogramm kostet, ist das verdächtig wenig. Da muss man sich fragen, wie der Preis zustande kommt. Unsere Preisspanne bewegt sich in der Gastronomie zwischen 1000 und bis zu 2800 Franken pro Kilogramm für den seltenen Beluga-Kaviar. Endkunden müssen mit dem doppelten Preis rechnen.
Hat Kaviar ein Image-Problem?
Wir verkaufen auf jeden Fall mehr Kaviar als noch vor fünf Jahren. Die Qualität der Zuchten ist enorm gestiegen. Das hat aber Zeit gebraucht, deshalb gibt es eine ganze Generation von Köchen, die kaum Berührung mit Kaviar hatten. Es braucht oft auch etwas Überzeugungsarbeit, weil eben der Zuchtkaviar eine zeitlang nicht besonders gut war. Das der frühere wilde Kaviar viel besser war, wage ich hingegen zu bezweifeln. Da ist auch viel verklärte Erinnerung dabei.

Höchste Qualitätsstandards: Störe in einer Zucht im 1000-Inseln-See in der Provinz Zhejiang, China.
Kritik am Kaviar kommt nicht nur von WWF, auch die «NZZ» hat die Delikatesse kürzlich zum Problem erklärt. Wie reagieren Sie?
Oft stelle ich einen Mangel an Fachwissen fest, es zirkulieren viele Fehlinformationen. Das nehmen wir sehr ernst und investieren viel Zeit in Aufklärung, Personalschulung und vor allem in die unmisverständliche und umfassender Kommunikation mit unseren gastronomischen und privaten Kunden. Ehrlichkeit und Transparenz in Bezug auf unsere Produkte und ihre Herstellung steht an erster Stelle.
Wie isst man Kaviar am besten?
Meiner Meinung nach ohne störende Elemente: zum Beispiel mit geschwellten Kartoffeln und Creme Fraîche oder auf Blini. Auf jeden Fall ohne Zwiebeln und Zitronensaft, wie man es leider auch immer wieder sieht.

Textur und Salzigkeit: Bretonische Auster mit Kaviar und Sudachi bei Peter Knogl.

Geniale Kombination: Kaviar zu Tzatziki und Dill von Mitja Birlo.
Und wie setzt man Kaviar am effektivsten in einem Gericht ein?
Kaviar kann Geschmacks- oder Texturgeber sein, oder er kann dem Gericht eine besondere Salzigkeit verleihen. Dabei kommt es sehr auf die Art des Kaviars an, das liegt dann in der Hand des Kochs.
>> Jürg Kappeler ist Inhaber der Firma Sense of Delight, die sich auf den Handel mit Kaviari-Kaviar sowie japanischen Produkten spezialisiert hat. Der gelernte Koch und seine Frau Ursula beliefern vor allem die Gastronomie mit ihren Delikatessen.
Fotos: Remy Steiner, Thomas Buchwalder, HO

