Text: Max Fischer Fotos: Marcus Gyger

«Fine-Wineing» statt Fine-Dining. Im «Huus vom Bündner Wii – Alter Torkel» in Jenins lagern 800 Positionen aus Jenins, Fläsch, Malans und Maienfeld. Gastgeber Oliver Friedrich kennt jeden Winzer persönlich, hat jeden besucht. Sein Konzept ist einmalig: «Bei uns bestimmt der Wein das Gericht.» Auf der «Speisekarte» wählen Sie als Gast zuerst die Geschmacksrichtung des Weins. Haben Sie gluscht auf einen vollmundigen, körperreichen und geschmeidigen Tropfen, kommt z.B. ein Completer 2019 von Roman Hermann aus Fläsch in Frage. Dann erst schauen Sie in der Speisekarte, was Koch David Esser Feines dazu anbietet: Meisterhaft verschmelzt der Completer mit einem Siedfleischsalat, aber auch mit einem Rochenflügel mit Blumenkohl und brauner Butter. Oder solls im Burgund der Schweiz lieber ein Pinot Noir sein? Ein frisch, elegant-edler Unique 2017 von Martin Donatsch harmoniert ideal mit einem Bio-Rindstatar mit Pilzcreme und Gurken – er ergänzt aber auch bestens einen Acquerello-Safran-Risotto mit Jakobsmuscheln, Fenchel und Parmesan.  

Spitzengewächse im Glas. Weine und Speisen wechseln alle paar Wochen. All diese Köstlichkeiten gibts glasweise. «So kann der Gast verschiedene Weine probieren und vergleichen», sagt Friedrich. Das führt zu interessanten Diskussionen, vermehrt auch bei jungen Gästen. «Die wollen wissen, weshalb ein Dezi des Completers von 2019 14 Franken kostet – einer mit Jahrgang 2001 hingegen 35.» Genau diese Gespräche mit und zwischen den Gästen will Friedrich fördern.

Cracks irren nicht. Bei Wein-Aficionado Friedrich treffen sich die Weinfreaks und Kochkünstler von nah und fern. Und wo die Besten ihres Fachs gern geniessen, da liege man nicht falsch. Regelmässig zu Besuch kommen die Spitzenköche Sven Wassmer und Nenad Mlinarevic – sie waren zu Friedrichs Zeiten Commis und Chef de Partie im «Mesa». Mit Francesco Benvenuto machte er die erste Eröffnungswoche im «Igniv». Amanda Bulgin überzeugte als Chef de Rang im «Schauenstein» – Silvio Germann zauberte dort vier Jahre in der Küche. Weinprofi Friedrichs ist neu «Ambassador» von V-Zug; zu diesem Klub gehören sonst nur Starchefs wie Andreas Caminada und Franck Giovannini.

Die 19-Punkte-Gerstensuppe. Der aufstrebende Starwinzer Martin Donatsch aus Malans in die Welt hinaus. Der zweifache Pinot-Noir-Weltmeister hat seinem Vater Thomas genau zugeschaut, wie er als einer der ersten Schweizer Winzer mit Barriques pröbelte. Jetzt gibts die Weine des zweifachen Pinot-Noir-Weltmeisters in Top-Restaurants in New York, Boston und Kalifornien. Und neben Hongkong auch in Singapur und Japan. In seiner Weinstube «zum Ochsen» serviert Martin Donatsch zu seinen glas- und flaschenweise erhältlichen Tropfen kleine, aber hochwertige Spezialitäten. Neben Alpkäse und Salsiz gibts handwerklich hergestelltes Bündnerfleisch von der Manufaktur Brügger aus Parpan. «Und unsere Bündner Gerstensuppe benotete die Koch-Legende Horst Petermann mit aussergewöhnlichen 19 Punkten», freut sich Martin Donatsch. Er ist nicht der einzige Spitzenwinzer mit Top-Beiz.

Beim Star zu Hause. Besonders genussvoll kommen Sie zu einem «Ganteinbein» direkt auf dem Weingut in Fläsch: Gruppen ab 15 Personen geniessen im Festraum «a table» vor offener Küche von Chef Roland Kalberer und dessen Frau Doris individuell auf Gantenbein-Weine abgestimmte Menüs. Mitten in den Reben ein Hochgenuss auf dem Teller und im Glas. Fast wie im Schlaraffenland. Zusammen sind Martha und Daniel Gantenbein aus Fläsch unschlagbar. Die beiden verströmen Wein-Magie. Kenner finden ihre Gewächse auf den Karten der Top-Restaurants rund um den Globus. Seit 1982 setzen sie hartnäckig auf höchste Qualität im 6 Hektar kleinen Weingut. Pro Pinot Noir, Chardonnay und Riesling gibt es jedes Jahr nur einen Wein. Ohne Kompromisse, ohne Pardon. Das sorgt für Qualität – und kleine Quantitäten.

Lederhosen und Kaiserschmarrn. Im «Adler» in Fläsch ist die ehemalige Bankerin Melanie Kampfer Sommelière und Siggi Tschurtschenthaler kocht. Der Südtiroler war bei Eckart Witzigmann in München und Dieter Koschina in der Vila Joya an der Südküste Portugals. Köche von Weltformat. In der Küche steht «Jeune Restaurateur» Siggi mit Lederhosen. Immer auf der Karte ist sein Kaiserschmarrn. Das Fleisch kommt von «Adanks kleine Farm» in Fläsch. Die Hochlandrinder sind bis 180 Tage auf den Heimweiden und den Alpen. Auf ihrem Menü stehen Gras, Grassilage, Heu und Wasser. Dadurch wachsen die Tiere langsamer, das Fleisch wird feinfaserig und der Geschmack intensiver. Eine feste Grösse in Fläsch ist Martin Herrmann von der «Mühle». Je älter er wird, desto einfacher und gradliniger kocht er. «Mir ist wichtig, dass der Härdöpfel noch nach Härdöpfel schmeckt und nicht nach Muskat», sagt er. Selber liebt er Geschmortes. Früher versuchte er, seine Liebe den Gästen mit einem Duett von Filet und geschmortem Rindshals schmackhaft zu machen. «Beim Abräumen sagten die Gäste: Es war super – doch das nächste Mal nehmen wir nur das Geschmorte.»

v.l. Doris und Roland Kalberer mit Martha und Daniel Gantenbein

«Ganteinbein» ist auch eine Beiz! Roland und Doris Kalberer (links) kochen für Martha und Daniel Gantenbein. 

Bilder Aldente

Ihr Pinot Noir gehört zur Weltspitze: Martha und Daniel Gantenbein aus Fläsch sind seit 1982 in ihren Reben. 

«Von Kopf bis Bein, so soll es sein». Das ist das Konzept im «Rätia» in Jenins. Michael Kaufmann verwertet das ganze Tier. Ein Metzger aus dem Dorf schlachtet sie. Keine weiten Transporte. Alle Tiere stammen aus artgerechter Haltung – jedes Tier kann Kaufmann bis zur Alp zurückverfolgen. «Ich zerlege die Tiere selber und verarbeite die Teile», so der Südtiroler. Schliesslich bestehe ein Rind nicht nur aus Filet, Entrecote und Hüfte. «Für uns ist das ganz einfach Wertschätzung – auch gegenüber dem Tier», sagt Partnerin Jessica Steinkeller, die für den Service und Gastrobereich zuständig ist. Im «Rätia» gibt es nicht einfach nur ein Filet. «Wir servieren oft ein Duo», so Steinkeller. «Zum Edelstück Filet gibt es noch ein Hacktätschli oder Geschmortes.»

Neue Schlossgeister. Ende Oktober wird die Bündner Herrschaft um einen weiteren Hotspot reicher. Aus dem Schloss Brandis in Maienfeld wird wieder das Schloss Maienfeld. Zwischen alten, dicken Schlossmauern aus 1247 und modernem Interieur versprechen die Macher der «Alp Arosa» (GaultMillau Pop) um Tim Disch von der 1xanders GmbH und Schlossherr Thomas Zindel tolle Erlebnisse auf dem Teller und im Glas. Küchenchef Roman Kohler passt Signature Dishes an die Saison an. Im Keller lagert der eigene Schlosswein.

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