«White Night», nur 400 Passagiere. Der Gentleman (Ü80) trägt einen schneeweissen Anzug, weisse Schuhe, weisse Fliege. «White Night» ist angesagt im «Gatsby’s», das Einhalten des Dresscodes ist Ehrensache. DJ und die achtköpfige Bordband «Royal Ocean Society» geben alles. Dichtestress auf der Tanzfläche. Die Gäste der «MS Europa» lieben diesen Event, vor allem, wenn er in Sommernächten draussen am Pool, unter dem Sternenhimmel stattfindet. Dichtestress gibt es auf der MS Europa von Hapag-Lloyd wirklich nur auf der Tanzfläche. Sonst findet jeder seinen Platz. Auf den Decks, in den fünf Restaurants. Nur 204 Kabinen (fast alle mit Balkon), höchstens 400 Passagiere, 285 Mann Besatzung. Das garantiert der MS Europa in den Cruise-Ratings einen Spitzenplatz. Nicht selbstverständlich für eine Jacht, die bereits seit 1999 (!) im Dienst ist. Aber: Die alte Dame hat Charme, hält sich erstaunlich gut.
«Fascht e Familie». An Bord herrscht Wohlfühl-Atmosphäre: Die vielen Stammgäste (oft über 50 Prozent, unüberhörbar viele Schweizer Passagiere!) prägen die Stimmung. Sie kennen sich, sie mögen sich, sie haben auch zu vielen Crew-Mitgliedern ein freundschaftliches Verhältnis. «Fascht e Familie», könnte man sagen. Kapitän Sven Gärtner ist ein Master alter Schule: Er versteckt sich nicht wie viele jüngere Kollegen auf der Brücke, bittet öfter mal an den Kapitänstisch. Ungeschriebenes Gesetz: Wer die teuersten Kabinen bucht (auf Deck 10), lernt den Captain am schnellsten kennen. Der Dresscode ist nicht mehr so streng: Der Smoking bleibt zu Hause, der Klunker im Tresor.

Der schönste Platz auf der «MS Europa»: Das «Lido Café». Unaufgeregte Küche, aufregende Sicht aufs Meer.
«Lido»: Das Buffet am Meer. Die «MS Europa», jahrelang die Nummer 1 auf dem Meer, hat wie auch die «Europa 2» ein gutes Standing. Der beste Platz im Hafen ist für sie reserviert: In New York mitten in Manhattan. In Bordeaux direkt in der Stadt. In Sidney vor dem Opernhaus. Riesenschiffe bleiben aussen vor, müssen Tendern oder im Industriehafen anlegen. Auf der MS Europa gibt es nicht zehn Restaurants wie bei der Konkurrenz (Silversea, Explora), aber die fünf, die ohne Aufpreis zur Auswahl stehen, haben ihren Reiz. Das «Lido Café» (Buffets & Grill- und Pasta-Station) ganz besonders. Da tafelt man zwar eher herzhaft, deftig und eher zu viel, aber man sitzt draussen auf der gediegenen Terrasse, hat zum Frühstück, Mittagessen und Dinner das Meer vor Augen. Kreuzfahrt-Feeling pur.

Freche Combo: Kabeljau-Ceviche, Kurkuma-Beurre-blanc.

Die Stars auf dem Schiff: Kevin Fehling (r.), Ben Schütz.

Hauptgang im «Globe»: Rehrücken, Spitzkohl, Hollandaise.
Mit Kevin Fehling um die Welt. Star an Bord ist der junge Dreisterne-Koch Kevin Fehling. Er führt in Hamburg mit grossem Erfolg «The Table», auf See das Fine Dining-Restaurant «The Globe». Zwanzig Tage pro Jahr ist er selbst an Bord. 2026 begleitet er acht Reisen, sonst übernimmt sein Souschef Konstantin Kraus. Chef Kevin kennt sich aus auf der «Europa»; er hat seine Karriere hier gestartet (im Ristorante «Venezia»). Im «Globe» begrüsst er die Gäste sympathisch mit einem kleinen, persönlichen Brief, führt dann «in fünf Gängen um die Welt». Die besten: «Japanische See» mit Thunfisch, Seeigel-Crème, Rettich, Kaviar und Dashi-Wolke. Die Combo Kabeljau (Kurkuma-Beurre Blanc) und Ceviche. Crêpinette & konfierte Keule von der Wachtel; dieser Gang schafft es auch in «The Table» in sein Menü, mit Alba-Trüffel obendrauf. Dass seine Küche öfter mal kopiert wird, trägt er mit Fassung: «Lieber gut kopiert als schlecht kreiert.»
Der Boss ist 25 Jahre jung! Bewundernswert auch die Perfomance von Executive Chef Ben Schütz. Der Kerl ist erst 25 Jahre jung und bereits der Boss an Bord. Das riesige «Europa Restaurant» ist sein Revier. Jeden Abend stehen zwanzig Gerichte auf der Karte. Beliebtestes Gericht: Wiener Schnitzel, serviert mit Kartoffelsalat, zubereitet mit grösster Aufmerksamkeit: «Schnitzel unter den Fleisch-Hammer, besprühen, Panade nicht andrücken, dann kommt’s gut», verrät Chef Ben. Der «Ben-Special»: Zitronenrisotto mit knackigen Carabineros (Köpfe inklusive!), zubereitet auf einer mobilen Kochstation auf dem Aussendeck.

Qualitätskontrolle: Kevin Fehling (l.) trainiert und kontrolliert regelmässig seine Brigade an Bord.
Die Trattoria-Küche der Philippinos. «Casalinga» soll die italienischen Gerichte sein, die im «Venetia» serviert werden. In der Küche keine Italiener, sondern Philippinos. «Die machen einen guten Job», lobt Starchef Kevin Fehling. Die «Scaloppine di vitello al Vino bianco» waren richtig gut, die Spaghetti aglio e oglio e peperoncino aus dem Parmesanlaib («Signature di Venezia») zumindest spektakulär: Riesige Flammen züngelten zur Decke. Zwei wesentliche Ziele wurden nicht erreicht: Die Pasta war nicht al dente. Und vor allem nicht heiss genug.

Chillen auf Deck 8: Grosszügiger Pool, Bar, Waffeln punkt 15.30 Uhr, NZZ im Zeitungsständer – das entspannte Leben an Bord.
Kaviar, Krug & Gantenbein! So richtig luxuriös geht auch. Das «Pearls» etwa ist das Kaviar-Restaurant auf der «Europa». Corporate Executuve Ched Timon Lohrengel schreibt die Rezepte, trainiert die Crew. Zehn bis 15 Gramm Kaviar dürfen es im Menü schon sein. Die besten Gänge: Eine «Summer Roll» mit Garnelen, rote Zwiebeln und Ponzu. Das elegante Heilbutt/Kräutercrêpe-Törtchen mit Meerrettichcreme und Aquitaine-Kaviar. Kein Scherz: Es buchen auch Gäste im Kaviar-Restaurant, die keinen Kaviar mögen. Für sie gibt’s Vegi-Alternativen. Luxus auch im Glas: Krug, Dom Pérignon oder einen Pinot Noir 2019 von Martha & Dani Gantenbein gibt’s in allen Restaurants auch glasweise. «Coravin»-Technik macht’s möglich.
Fotos: Hapag-Lloyd Cruises / Wyrwa, René Riis, Getty Images


